Armageddon - Das jüngste Gericht [1998]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Oktober 2006
Genre: Science Fiction / Action

Originaltitel: Armageddon
Laufzeit: 150 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1998
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Michael Bay
Musik: Trevor Rabin
Darsteller: Bruce Willis, Billy Bob Thornton, Ben Affleck, Liv Tyler, Will Patton, Steve Buscemi, William Fichtner, Owen Wilson, Michael Clarke Duncan, Peter Stormare, Ken Hudson Campbell, Jessica Steen, Keith David, Chris Ellis, Jason Isaacs


Kurzinhalt:
Als ein Shuttle im Orbit von einem Meteoritenschauer getroffen und zerstört wird, hofft man bei NASA, dass das Schlimmste überstanden sei – doch als größere Stücke über die nördliche Hemisphäre regnen und unter anderem New York City treffen, wird schnell deutlich, dass die wahre Katastrophe erst noch auf die Erde zukommt. Der Leiter der NASA, Dan Truman (Billy Bob Thornton) sieht sich wenig später mit einer der größten Herausforderungen der Menschheit konfrontiert: Ein Asteroid von der Größe des US-Bundesstaates Texas rast auf den Planeten zu und würde bei einer Kollision alles Leben vernichten, ganz egal, wo er aufschlägt. In Windeseile muss eine Möglichkeit gefunden werden, die Katastrophe abzuwenden.
So kommt man beim Raumfahrtzentrum auf die Idee, den Asteroiden von innen heraus zu sprengen; mit zwei neuartig konstruierten Shuttles sollen zwei Bohrteams auf den Asteroiden gebracht werden, die bis zu einer gewissen Tiefe bohren müssen, um von dort einen Atomsprengkopf zu zünden. Für diese Aufgabe hat Truman den Spezialisten auf dem Gebiet, Harry Stamper (Bruce Willis) ins Auge gefasst, der auch bereit ist, mit seinem Team, darunter auch der Verlobte seiner Tochter Grace (Liv Tyler), A.J. (Ben Affleck), die Mission anzutreten.
Doch mit weniger als drei Wochen Vorbereitung läuft den Verantwortlichen die Zeit davon, von einem Erfolg kann nicht ausgegangen werden, und die Asteroidenoberfläche selbst bietet nicht absehbare Gefahren, auf die sich keiner der Beteiligten einstellen kann ...


Kritik:
Allein in den USA spielten die Filme von Regisseur Michael Bay bislang beinahe 800 Millionen ein, mit 200 Millionen steuerte Armageddon vor acht Jahren den größten Teil dazu bei und konnte weltweit über 300 weitere in die Kassen spülen.
Das Erfolgsrezept des Science-Fiction-Action-Krachers ist dabei denkbar einfach: Man nehme eine nicht zu leugnende, ständige Bedrohung und gaukle der Menschheit vor, sie hätte tatsächlich eine Chance, sie aufzuhalten. Anschließend verpacke man all das mit genügend einfallsreicher Ideen, lockerer Sprüche und vielen schnellen Schnitten in ein sehr teures und gut gemachtes Paket, so dass das Publikum rund um den Globus allein durch die Bild- und Tongewalt vom an sich dämlichen Skript abgelenkt wird und die Achterbahnfahrt genießen kann.
Das Schöne an Armageddon ist dabei, dass die Formel aufgegangen ist. Wer sich ohne große Überlegungen an die Durchführbarkeit jener "Rettungsmission" und mit einem Heißhunger an perfekt gemachter Unterhaltung an Bays dritten Kinofilm wagt, wird zweieinhalb Stunden erleben, die wie im Flug vergehen und trotz der gezeigten globalen Katastrophe ohne Nebenwirkungen bleiben.

Zu verdanken ist dies allerdings nicht den beiden Drehbuchautoren Jonathan Hensleigh und J.J. Abrams, die absichtlich die zahlreichen physikalischen und inhaltlichen Fehler im Skript beließen, um den Unterhaltungswert der Geschichte nicht zu mindern. Inhaltlich entbehrt ihre Vorlage stellenweise nicht einer gewissen Komik, erinnert andererseits in ihrer Naivität aber auch an die B-Filme der 1950er Jahre. Die Story sowie die Charakterzeichnungen sind mehr als dürftig geraten, erfüllen allerdings ihren Zweck, für zahlreiche witzige Momente und einem ganzen Arsenal an One-Linern zu sorgen. Dass das Skript dabei von einem Klischee zum nächsten springt und auch ansonsten inhaltlich keine großen Überraschungen bereit hält, stört nicht weiter.
Zugegeben scheint Armageddon im Mittelteil der Vorbereitungen für den Shuttleflug zu lang, auch wenn hier die lustigsten Momente zu finden sind, doch kompensieren die Macher dies nicht zuletzt durch einige der zweifelsohne haarsträubendsten Einfälle, die man sich überhaupt nicht im Zusammenhang mit einer Landung auf einem Asteroiden vorstellen kann. All diejenigen, die hier nach einem tieferen Sinn oder gar einer Logik suchen, sind dabei aber an der völlig falschen Adresse.
So liefert das Skript eben jene Grundlage, die die Macher benötigten, um ihr Feuerwerk zu zünden, bei allem anderen sollten man beide Augen zukneifen.

Dass Michael Bays Actionfilm dennoch so gut in Erinnerung bleibt, liegt unter anderem an den überaus gut gelaunten Darstellern, die von einem soliden, aber erst in der zweiten Filmhälfte motivierten Bruce Willis angeführt werden. Er meistert seine Rolle wie auch Billy Bob Thornton tadellos, auch wenn jener mit mehr Engagement bei der Sache scheint.
Selbst Ben Affleck, der erst beim Finale etwas von seinem schauspielerischen Talent zeigen darf, macht seine Sache gut, auch wenn Liv Tyler ihm in den gemeinsamen Szenen zweifelsohne die Show stiehlt. Die damals zwanzigjährige überzeugt durch ihr unterkühltes Auftreten ebenso, wie durch ihre wärmeren Szenen.
Immer gern gesehen und selten enttäuscht wird man von Will Patton, der auch hier eine gute Darbietung zeigt, auch wenn seine Rolle zu klein erscheint. Ebenso Steve Buscemi, der für die meisten Lacher sorgt. Michael Clarke Duncan trägt ebenso zum gelungenen Flair bei, wie Owen Wilson, dessen kurzer Auftritt aber mehr hätte bieten können, wäre seine Figur vom Skript stärker ausgebaut worden.
Ebenso Jason Isaacs, dessen enigmatischer Auftritt noch lange vor seinem Durchbruch in Der Patriot [2000] für Aufsehen sorgte.
In Nebenrollen sind unter anderem William Fichtner und Peter Stormare zu sehen, die wie gewohnt problemlos überzeugen können – auch Ken Hudson Campbell und Jessica Steen machen ihre Sache gut. Ebenfalls zu kurz zu sehen und im Endeffekt nicht ausgenutzt ist Keith David, dessen Rolle vom Skript seltsamerweise in Vergessenheit gerät.
Dass keiner der beteiligten Mimen hier zur Höchstform aufläuft, liegt schlicht und ergreifend daran, dass die Drehbuchvorlage selbiges nicht verlangt. Doch scheinen alle ihren Spaß bei den Dreharbeiten gehabt zu haben, die nicht nur an exklusiven Orten auf den NASA-Geländen stattfanden, die Crew durfte als erste überhaupt die originalen NASA-Raumanzüge verwenden (Kostenpunkt pro Stück: drei Millionen Dollar), ein Novum für Zivilisten.

Wodurch sich Armageddon auszeichnet ist die tadellose und einfallsreiche Umsetzung durch Regisseur Michael Bay, dem es hier gelingt, seinen Stil bestehend aus bewegter Kamera und schnellen Schnitten soweit zu kontrollieren, dass man sich als Zuschauer immer als Teil der Szenerie fühlt, ohne aber den Überblick darüber zu verlieren, was eigentlich geschieht.
Interessante Perspektiven, waghalsige und atemberaubende Kamerafahrten, sowie exzellent gefilmte Actionszenen machen die Optik zu einem Genuss für Adrenalin-Junkies. Dabei erfolgt durchschnittliche alle eineinhalb Sekunden ein Bildwechsel – was das enorme Tempo unterstreicht, mit dem Bay seine Zuschauer durch die brüchige Story hetzt.
Die eigentliche Überraschung ist dabei aber nicht nur, dass es dem Regisseur gelingt, die Bildgewalt im Griff zu behalten, sondern seinen eigenwilligen Stil auch auf diejenigen Szenen zu übertragen, die hauptsächlich oder ganz aus Spezialeffekten bestehen. Statt hier durch statische Einstellungen Tempo herauszunehmen, erwarten die Zuseher auch in den Effektszenen raschen Bildwechsel und eine ständig bewegte Kamera.
Die Spezialeffekte bewegen sich dabei grundsätzlich auf einem sehr hohen Niveau, sind meistens sogar erstklassig ausgefallen – ein Vorteil des 140 Millionen Dollar Budgets. So bekommt man teilweise Bilder zu sehen, die man in der Form garantiert nie zuvor zu Gesicht bekam. Von einer phantasievollen und nicht unwahrscheinlichen Asteroidenoberfläche bis hin zu erschreckend realen Katastrophenbildern auf der Erde ist alles vertreten und dabei durchweg so gut gemacht, dass es einem auch nach acht Jahren noch mitunter den Atem verschlägt. Dass heutige Produktionen mitunter diesen Standard nicht halten können ist umso bedauerlicher.

Für die musikalische Begleitung sorgt Trevor Rabin zusammen mit einem Team der Media Ventures Künstlergruppe, die nicht nur viele eingängige Themen präsentieren, sondern denen es auch gelingt, die eigentlich am Synthesizer entstandenen Melodien mit genügend Volumen zu versehen, dass der moderne Touch des Scores nicht negativ in Erinnerung bleibt.
Das Hauptthema ist dabei ebenso gelungen, wie die ruhigen Momente oder das Liebesthema, das sich an dem Aerosmith-Song "I Don't Want To Miss A Thing" orientiert. Die temporeichen Stücke passen gut zu den Bildern, wirken stellenweise düster und doch weit weniger patriotisch, wie man vermuten würde, auch wenn der Pathos auch durch die Lautsprecher spürbar wird.
Auf Grund des beständigen Rhythmus und der verspielten Einlagen eignet sich Rabins Soundtrack auch zum Hören ohne den Film und zählt dabei zusammen mit dem Score zu Bays The Rock – Fels der Entscheidung [1996] zu den modernen Pop-Klassikern des Soundtrack-Genres.

Ein kaum vorstellbarer Aufwand steckt hinter einer so groß angelegten Produktion wie Armageddon, umso erfreulicher, dass die gemeinsamen Bemühungen auch vom Publikum honoriert wurden. Wieso Michael Bay bereits mit seinem nächsten Film, Pearl Harbor [2001] die Fähigkeit verlor, seinen fahrigen Stil unter Kontrolle zu halten, ist unverständlich, hier zeigt er gekonnt, dass es anders geht.
Schnelle Schnitte und bewegte Kamerabilder müssen nicht zwangsläufig zum Verlust der Übersicht und zur grenzenlosen Hektik führen, sonst wäre Bays Weltuntergangsszenario nur halb so unterhaltsam. Doch in der gezeigten Form macht Armageddon insofern Spaß, als dass die Katastrophenmär den Zuseher tatsächlich dazu verleitet zu glauben, die Menschheit hätte auch nur den Hauch einer Chance, sollte ein solcher Asteroid mit Kurs auf die Erde einschlagen – die Wahrheit sieht dabei ganz anders aus ... doch dafür würden nicht so viele Menschen ins Kino gehen.


Fazit:
Für diejenigen, die sich gerne auf die Suche nach Logiklöchern oder Filmfehlern machen, ist Armageddon zweifelsohne ein Fest – doch werden diejenigen sich bei dem perfekt gemachten, nie langweiligen Actionkracher nicht amüsieren können.
Wer ohne Denkambitionen an Michael Bays Film herangeht kann allerdings zweieinhalb Stunden genießen, die betörender für Augen und Ohren kaum sein könnten. Die erstklassigen Spezialeffekte verblüffen dabei ebenso wie das immens hohe Erzähltempo, das die Zuschauer buchstäblich in die Sessel drückt. Die gut gelaunten, wenn auch nicht geforderten Darsteller tun ihr Übriges, um der Geschichte jene ansprechende Fassade zu verleihen, die der Filmemacher benötigt, um sein Feuerwerk zu zünden.
Wer genau das erwartet, einen Actionfilm ohne Nebenwirkungen mit einer großen Portion Humor und vielen erinnernswerten Sprüchen, der wird nicht enttäuscht werden. Dafür sieht man sogar über den mitgelieferten Pathos hinweg.