Arbitrage [2012]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 03. September 2013
Genre: Thriller / DramaOriginaltitel: Arbitrage
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: Nicholas Jarecki
Musik: Cliff Martinez
Darsteller: Richard Gere, Susan Sarandon, Tim Roth, Brit Marling, Laetitia Casta, Nate Parker, Stuart Margolin, Chris Eigeman, Graydon Carter, Reg E. Cathey
Kurzinhalt:
Selbst zu seiner eigenen Geburtstagsfeier kommt der Geschäftsmann Robert Miller (Richard Gere) zu spät, auch wenn seine ganze Familie auf ihn wartet. Seine Ehefrau Ellen (Susan Sarandon) ist das Warten gewohnt und auch seine Tochter Brooke (Brit Marling), die in seiner Firma arbeitet, weiß um den Druck, unter dem ihr Vater steht. Er bereitet den Verkauf der Firma vor, entgegen Brookes Empfehlung, aber sie kennt auch nicht die prekäre finanzielle Situation. Um überhaupt einen Käufer finden zu können, lässt Robert die Geschäftsbücher fälschen und der Interessent findet immer neue Ausreden, um den Kaufvertrag nicht unterzeichnen zu müssen.
Bei einem Autounfall nur Tage später, den Robert selbst verursacht hat, kommt seine Geliebte Julie (Laetitia Casta) ums Leben. Da er den Firmenverkauf jedoch nicht gefährden will, flieht er von der Unfallstelle und verwischt seine Spuren. Doch ein Anruf von einem Münztelefon in der Nähe der Unfallstelle bringt den Polizisten Detective Bryer (Tim Roth) zu Miller. Dass Miller lügt, steht für den Ermittler außer Frage, doch wie kann er es beweisen? Er verstärkt den Druck auf Jimmy Grant (Nate Parker), den Miller in jener Nacht nach dem Unfall angerufen hat. So zieht sich die Schlinge um Roberts Hals immer enger, als ihm sowohl Bryer auf den Fersen ist und Brooke die gezinkten Bücher entdeckt ...
Kritik:
In Arbitrage sehen wir, wie ein Mann der Oberen Zehntausend, der "High Society", durch seine eigene Schuld und die Fehler, die er im Anschluss daran zusätzlich begeht, all das gefährdet, was ihm wichtig erscheint. Seine Firma, seine Familie und sein Ruf. In dieser Reihenfolge. Ein wirklicher Held ist er nicht, aber durchgehend böse ebenso wenig. Mit eigenen Worten ist er "Der Patriarch", eine Rolle, die ihm zugeschrieben wurde, und die er spielen muss. Das gelingt Richard Gere hervorragend, auch wenn sich Autor und Regisseur Nicholas Jarecki in seinem ersten, abendfüllenden Spielfilm nicht so recht für ein Genre entscheiden kann.
Zu Beginn scheint der charismatische Robert Miller ein Leben zu führen, wie man es sich makelloser kaum vorstellen kann. Im besten Alter hat er eine Familie, die sich um ihn sorgt, eine Firma, die überaus erfolgreich ist und er ist so wohlhabend, dass weder er, noch seine Liebsten sich je um etwas sorgen müssen. Aber wie so oft, sind die Dinge nicht, wie sie scheinen. Seine Firma steckt in finanziellen Schwierigkeiten auf Grund einer Geschäftsentscheidung seinerseits, die sich nicht ausgezahlt hat. Deshalb hofft Robert, durch einen Verkauf an den Interessenten Mayfield wieder auf Oberwasser. Hierfür muss er allerdings die Geschäftsbücher frisieren, wenn Mayfield das Finanzloch entdecken würde, wäre der Deal geplatzt. Und selbst, wenn auf Miller zuhause seine Frau Ellen, seine Kinder und Enkel warten, er hat eine Affäre mit der Künstlerin Julie, die er nicht gewillt ist zu beenden. Wie tief die Risse in der Fassade seines Lebens sind, sollte Robert spätestens dann erkennen, wenn er seiner Geliebten gesteht, dass er an seinem Geburtstag lieber bei ihr wäre, als bei seiner Familie.
Die Ausgangssituation von Arbitrage erinnert ein wenig an Ein perfekter Mord [1998], auch wenn jener Thriller ein klares Opfer und einen Täter vorweisen kann. In Arbitrage hingegen spielt Richard Gere beide Seiten, selbst wenn er unsere Sympathie nie vollends gewinnen kann. Auf dem Weg zu seinem Landhaus, verunglückt Robert mit Julie in ihrem Wagen – sie stirbt bei dem Unfall. Aber die Polizei zu rufen würde bedeuten, dass sein privater Fehltritt an die Öffentlichkeit käme und die Firmenübernahme gefährden könnte. Darum versucht er, alle Spuren zu verwischen, lässt sich von einem Freund der Familie mitten in der Nacht abholen und verheimlicht den Unfall sogar vor seiner Frau, die von seinen Seitensprüngen schon lange weiß. Während der Poker um die Übernahme durch Mayfield in die heiße Phase geht, entdeckt seine angestellte Tochter Brooke die gefälschten Bücher. Außerdem ist Robert der Polizist Bryer auf die Schliche gekommen und wittert die Möglichkeit, einen schlagzeilenkräftigen Fall an Land zu ziehen.
All das sind im Grunde genommen genügend Zutaten für einen packenden Thriller. Doch den erzählt Jarecki bedauerlicherweise nicht, sondern widmet sich einer genaueren Charakterisierung Robert Millers, der urplötzlich an vielen Fronten zu kämpfen hat, wenn er nicht alles verlieren will, was ihm wichtig ist. Erst im letzten Drittel erweitert der Film das auch auf Millers Ehefrau Ellen, zurückhaltend, aber nicht weniger eindringlich gespielt von Susan Sarandon, und seine Tochter Brooke, der man allerdings ein größeres moralisches Dilemma hätte zutrauen können. Den ermittelnden Polizisten gibt Tim Roth überraschend und nicht vollkommen nachvollziehbar locker, anstatt pedantisch, vor allem fehlt es jedoch an Konfrontationen zwischen ihm und Robert. Ihre Unterhaltung ist zwar gelungen, aber eine einzige ist schlicht zu wenig.
Dafür wirkt die gesamte Nebenhandlung um Jimmy Grant, dem Miller nach dem Tod von dessen Vater geholfen, und den er als Gehilfen eingespannt hat, als würde Arbitrage nur einen Blick in die Welt jener Figuren werfen, die viel umfangreicher ist. Nicht zuletzt dank des abrupten, aber dennoch passenden Endes zeichnet Nicholas Jarecki ein vermutlich nicht unrealistisches Porträt einer Gesellschaftsschicht, die hinter den teuren Fassaden und ihren unzähligen Wohltätigkeitsveranstaltungen einen verrotten und verlogenen Kern beherbergt. Nicht, dass alle so wären, aber wer bei einem Check über zwei Millionen Dollar von einem "normalen Geschenk" spricht, hat schlicht den Bezug zur Realität verloren. So wie Robert Miller, der glaubt, alles so weit ausbalancieren zu können, dass niemand bemerkt, dass er außer seinem Auftreten gar nichts vorweisen kann.
Fazit:
Wenn wir sehen, wie Robert Miller alles aufbietet, was er noch aufzubieten hat, wie er zur Rettung seines Geschäfts blufft und gleichzeitig versucht, der Schlinge, die ihm die Polizei um den Hals legt, zu entkommen, dann gibt es einen Teil von uns, der möchte, dass er es schafft. Und einen, der will, dass er geschnappt wird. Das liegt zum großen Teil an Richard Gere, der die Figur nicht durchtrieben oder bösartig schildert, sondern als einen erfolgsorientierten Geschäftsmann, der alles daran setzt, zu erreichen, was nötig ist.
In diesen Momenten sitzt man als Zuschauer auch auf, da man interessiert ist, ob Miller all das gelingt, oder nicht. Aber über weite Strecken bleibt bei Arbitrage das Gefühl, dass der Filmemacher einen Thriller als Drama erzählt. Das ist ihm zwar durchaus gut gelungen und dank der erstklassigen Besetzung auch sehenswert, aber nie packend. Auch die Farbauswahl, die eher an einen hochwertigen TV-, denn an einen Kinofilm erinnert, verfremdet die Szenerie. Dabei sind die Bilder durchweg wohl überlegt ausgewählt und der Aufbau der jeweiligen Szene sehr solide. Einzig mitreißender hätte die erzählenswerte Geschichte sein dürfen.