Alone [2020]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. März 2021
Genre: Thriller

Originaltitel: Alone
Laufzeit: 98 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: John Hyams
Musik: Nima Fakhrara
Besetzung: Jules Willcox, Marc Menchaca, Anthony Heald, Jonathan Rosenthal, Katie O’Grady, Betty Moyer, Shelly Lipkin, Emily Sahler, Laura Duyn, Brenton Montgomery, Nico Floresca


Kurzinhalt:

Anstatt auf Hilfe durch ihre Eltern zu warten, hat Jessica (Jules Willcox) den Umzugsanhänger allein gepackt und ihre Fahrt zu ihrem neuen Zuhause angetreten. Es ist eine lange Fahrt über mehrere Tage, die sie auf sich gestellt vor sich hat. Immer wieder begegnet ihr ein fremder Mann (Marc Menchaca) in einem dunklen Jeep, der Jessica schließlich betäubt und entführt. Als sie wieder zu sich kommt, befindet sie sich abgelegen im Wald im Keller einer Hütte. Jessica ist sich sicher, dass der brutale Angreifer sie töten wird, doch es gelingt ihr die Flucht. Ohne Orientierung, Ausrüstung oder Hilfe, beginnt nicht nur eine unerbittliche Jagd, sondern für Jessica ein Kampf ums Überleben …


Kritik:
Die Idee des Independent-Thrillers Alone: Du kannst nicht entkommen klingt auf dem Papier packender, als der nur eineinhalb Stunden lange Film letztlich ist. Das spricht jedoch insoweit nicht unbedingt für die Ausgangslage, die so oder so ähnlich bereits unzählige Male erzählt wurde. Wäre es nicht um einen durchaus atmosphärisch dichten Auftakt und eine sehenswerte Darbietung im Zentrum, würde man hier schnell wieder das Interesse verlieren. Das ist schon in Anbetracht der Möglichkeiten schade.

Alone beginnt mit einer Szene, die zeigt, wie eine Frau Möbel in einen Umzugsanhänger einlädt. Sie ist allein und als sie sieht, dass sie nicht alles wird einpacken können, lässt sie es schlicht vor ihrem bisherigen Zuhause stehen. Es sind wohl Erinnerungen, die sie bereit ist, zurückzulassen – oder die Erinnerungen sind zu schmerzlich und das Zurücklassen ist eine Möglichkeit, damit abzuschließen. Die Fahrt zu ihrem neuen Zuhause führt sie aus der Stadt in die Abgeschiedenheit. Es ist eine lange Fahrt, bei der sie auf einen Jeep mit einem verrosteten Kennzeichen trifft, dessen Fahrer sie bei einem Überholmanöver beinahe in einen Unfall verwickelt. Daraufhin begegnet sie dem Fahrzeug und dem Fahrer immer wieder: Bei einer Tankstelle, nach einer Übernachtung, als er auf sie wartet, um sich angeblich für den Beinaheunfall zu entschuldigen. Ebenso mitten in der Nacht auf einem Rastplatz und als er mit einer angeblichen Autopanne mitten auf der Straße vor ihr steht. Die vielen Stationen machen deutlich, dass Filmemacher John Hyams entweder auf Nummer sicher gehen will, so dass das Publikum wirklich versteht, dass der Jeep Hauptfigur Jessica verfolgt, oder er ist darum bemüht, durch die Wiederholung die Laufzeit des Films zu verlängern.

Immerhin macht Jessica im Grunde alles richtig: Sie steigt nicht aus, als der mit einem angeblich gebrochenen Arm hilflos wirkende Fremde sie anspricht, und sie lässt ihn auch nicht einsteigen. Mit seinem rustikalen Auftreten, der großen Brille und dem auffallenden Schnauzer, seiner Fixierung auf sie und seiner Beharrlichkeit, strahlt er vom ersten Moment an etwas bedrohlich unheimliches aus. Dennoch wird Jessica eingeholt, betäubt und entführt. Als sie wieder aufwacht, ist sie in einem unmöblierten Kellerverlies mit vergittertem Fenster, mitten im Wald. Ihre Schuhe hat ihr der Angreifer weggenommen. Was der fremde Mann von ihr will, erfährt das Publikum nicht. Ominös erklärt er ihr nur, dass sie nicht die erste sei. Stattdessen zeigt er ihr schmerzhafte Erinnerungen auf ihrem Tablet, als er Bilder und Videos aufruft, die sie mit ihrem Mann zeigen. Weshalb Jessica umzieht, erklärt Alone zwar, doch das emotionale Gewicht der vorgenannten Sequenz bleibt seltsamerweise aus. Nicht nur, dass es für die Protagonistin eine ohnehin erschreckende und bedrohliche Situation ist, diesem gewalttätigen Fremden ausgeliefert zu sein, durch seinen psychologischen Angriff auf sie, wird dies noch schlimmer. Das Problem daran ist nur, dass der Angreifer selbst dann, wenn er bedrohliche Dinge tut, eher unfreiwillig komisch wirkt.

Das liegt zum größten Teil an seinen Dialogen, die nicht nur plump und klischeebeladen sind, sondern in einer Art und Weise vorgetragen, dass es einen peinlich berührt erschaudern lässt. Dass die Pausen zwischen den einzelnen Sätzen allesamt in die Länge gezogen scheinen, verstärkt den Eindruck nur noch. Hört Jessica mit, dass er am Telefon von bzw. mit seiner Familie spricht, lässt das erkennen, dass die Figur nicht schlecht angelegt ist, doch die Umsetzung wird dem nicht gerecht. Dies wird umso deutlicher, wenn er beim Höhepunkt des Films Jessica verhöhnt, um sie aus der Deckung zu locken. Sein Monolog ist dabei inhaltlich derart peinlich und bewusst langsam vorgetragen, dass man ungläubig mit den Augen zu rollen beginnt.
Dafür lebt Alone in bemerkenswerter Art und Weise von der Darbietung von Jules Willcox, deren Jessica zu Beginn vor ihrem Angreifer eingeschüchtert scheint, nachdem sie ihm jedoch entkommen kann und vor ihm die Flucht durch den Wald antritt, bis zum Finale hin eine kämpferische Stärke gewinnt. Ihr Überlebenskampf, der zum Ende hin nochmals Fahrt aufnimmt, ist durchweg spürbar.

Unverständlich ist dafür die Aufteilung des Films in fünf einzelne Kapitel. Zumindest werden immer wieder Überschriften eingeblendet, die verraten, was nun folgt: „Die Straße“, „Der Fluss“, „Der Regen“, „Die Nacht“ und „Die Lichtung“. Inwieweit dies dem Publikum beim Verständnis des Geschehens helfen soll, verstehe wer will, denn obwohl Alone stellenweise so dunkel inszeniert ist, dass man kaum etwas erkennen kann, ist die Geschichte nicht derart komplex, dass man dem Gezeigten nicht folgen könnte. Das Remake des schwedischen Überlebens-Thrillers Night Hunt - Die Zeit des Jägers [2011] lässt im Kern eine durchaus packende Geschichte erkennen, deren Figuren vielversprechend vorbereitet sind. Doch was sich daraus entwickelt, ist nicht nur altbekannt und absehbar, sondern in manchen Punkten geradezu verschenkt.


Fazit:
Dass Filmemacher John Hyams seiner kämpferischen Hauptfigur einen Epilog verwehrt und nur eine Andeutung macht, kann man in Anbetracht des begrenzten Budgets der Independent-Produktion verschmerzen. Dafür ist insbesondere das erste Filmdrittel atmosphärisch und ordentlich gefilmt. Statt auf laut eingespielte Geräusche, verlässt sich der Film auf Dinge, die im Hintergrund gezeigt werden. Perspektiven und Inszenierung sind insoweit gelungen, auch in Anbetracht der Landschaftsaufnahmen. Doch sind die Szenen derart behäbig geschnitten, dass kaum Spannung aufkommt. Dass dann ausgerechnet das mit sehenswerten Stunts umgesetzte Finale mit unnötigen Zeitlupen aufwartet, ist unverständlich. Zwar verliert sich das Potential und die grundlegende Bedrohung ab der Hälfte des Films, für Genrefans ist Alone: Du kannst nicht entkommen dank der sehenswerten Darbietung von Jules Willcox dennoch ein interessanter kleiner Survival-Thriller. Aus der Idee um eine Frau, die nach einer Entführung in der Natur ums Überleben kämpft und durch ihre Gegenwehr auch ihre Trauer zurück ins Leben überwindet, klingt vielversprechend. Aber nicht nur, dass die Bedrohung verpufft, wenn aus dem schattenhaften Bösewicht eine wirkliche Präsenz mit langgezogenen Dialogen wird, so vielschichtig oder gar ambitioniert scheint Alone bedauerlicherweise nicht zu sein.


Alone-Packshot Alone: Du kannst nicht entkommen ist ab
25. März 2021 als Video-on-Demand,
auf Blu-ray und DVD im Verleih von
Koch Films GmbH erhältlich!
Urheberrecht des Bildes liegt bei
Koch Films.
Verwendet mit freundlicher Genehmigung.