Akte X - Jenseits der Wahrheit [2008]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. August 2008
Genre: Thriller / Drama / Fantasy

Originaltitel: The X Files: I Want to Believe
Laufzeit: 104 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2008
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Chris Carter
Musik: Mark Snow
Darsteller: David Duchovny, Gillian Anderson, Amanda Peet, Billy Connolly, Alvin 'Xzibit' Joiner, Mitch Pileggi, Callum Keith Rennie, Adam Godley, Alex Diakun, Nicki Aycox, Fagin Woodcock


Kurzinhalt:
Die praktizierende Ärztin und ehemalige FBI-Agentin Dana Scully (Gillian Anderson) wird von Agent Mosley Drummy (Alvin 'Xzibit' Joiner) aufgesucht, um Kontakt mit dem in Ungnade gefallenen Fox Mulder (David Duchovny) aufzunehmen. Seine Hilfe würde bei einer laufenden Ermittlung benötigt, bei der das Leben einer entführten FBI-Agentin auf dem Spiel stehe. Im Gegenzug würden alle Anklagepunkte gegen den untergetauchten Mulder fallen gelassen, der seinerzeit für die Bearbeitung der übernatürlichen X-Akten beim FBI verantwortlich war.
Mulder nimmt das Angebot nur widerwillig an und sieht sich mit Einsatzleiterin Dakota Whitney (Amanda Peet) dem verurteilten, ehemaligen Priester Joseph Crissman (Billy Connolly) gegenüber, der behauptet, Visionen der FBI-Agentin zu haben. Seinen Weisungen folgend macht das Ermittlerteam im verschneiten Virginia einen grausamen Fund. Und auch die skeptische Scully sieht sich angesichts des Priesters in ihren Glaubensfragen erschüttert, während Mulder in Crissman eine Chance sieht, sowohl für die Entführte, wie auch für sich selbst ...


Kritik:
Sie gilt als Begründerin der modernen Mystery-Serien: Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI [1993-2002], erfunden von Chris Carter, avancierte während ihrer Hochzeit zu einer der bekanntesten Vertreterinnen des Genres weltweit und faszinierte durch eine komplexe Hintergrundgeschichte voll Verschwörungstheorien und der Behandlung paranormaler Phänomene. Sofern man sich als Zuschauer darauf einlassen wollte. Nach dem ersten Kinofilm, Akte X - Der Film [1998], wurde die Serie fortgesetzt, aber obgleich immer noch mit einem hohen Produktionsaufwand versehen, konnte das Mystery-Phänomen weder die Qualität der Geschichten, noch die Zuschauerzahlen halten.
Es folgten neue Figuren, eine Verlagerung weg von den bekannten Hauptcharakteren Mulder und Scully, bis hin zur Einstellung der Serie, die leider nach ihrem Zenit erfolgte. Nun, sechs Jahre später, möchte Chris Carter die Fans von damals erneut in seinen Bann ziehen und mit Akte X - Jenseits der Wahrheit eine Geschichte fernab des Serien-Kanons präsentieren. Ohne Außerirdische oder Verschwörungen auf Regierungsebene widmet sich der zweite Kinoeinstand dem unheimlichen Mystery-Element der Serie. Vielleicht ist das ja genau der Grund, weswegen so wenige Fans den Weg in die Kinos gefunden haben, denn schlecht ist der Film dabei nicht geraten. Nur auch nicht besser, als die Serie damals.

Das Drehbuch unterlag dabei einmal mehr der höchsten Geheimhaltungsstufe, die in Hollywood bekannt ist. Mit gefälschten Arbeitstiteln, die sowohl bei den Drehs, wie auch bei Castings verwendet wurden, Drehbuchseiten, die nur am Drehtag ausgegeben wurden, um abends im Papiervernichter zu landen, und einer globalen Nachrichtensperre rund um den Film, der erst sehr spät beworben wurde, versuchten die Macher, das Interesse der Zuschauer zu wecken, ohne etwas zu verraten. Gelungen ist ihnen dies nur bedingt, denn die auf kleiner Flamme gehaltene Werbekampagne und der bundesweite Kinostart in nur 600 Kinos in ganz Deutschland, sorgte dafür, dass Akte X vielen Zuschauern gar nicht erst wieder in Erinnerung gerufen wurde.
Verfasst wurde das Skript dabei von den kreativen Köpfen den Serie, Carter und Frank Spotnitz. Ihnen ist es auch zu verdanken, dass die Geschichte des Films weit weniger vorhersehbar bleibt, als man vermuten würde, denn immerhin entwickelt sich die Story im Laufe der knapp 100 Minuten in eine ganz andere Richtung, als man zunächst erwarten würde. Unheimliche Schreckmomente gibt es dabei einige, und auch viele Szenen, die Akte X-Fans ein Lächeln auf die Lippen zaubern werden. Doch scheint der Aufhänger, um Fox Mulder aus seiner Isolation zu locken sehr weit hergeholt und seine Reaktionen auch nicht immer logisch. Hat man sich damit jedoch abgefunden, steht der grundsätzlich interessanten Hintergrundstory nichts im Weg, auch wenn sie weit weniger Tempo besitzt, als man aus der Serie, oder auch dem ersten Kinofilm gewohnt ist.
Die Dialoge pendeln erwartungsgemäß zwischen esoterisch und zynisch, wobei der mitunter schwarze Humor der X-Akten nicht verloren gegangen ist. Doch schleppt sich die Geschichte im Mittelteil nur mäßig dahin, der Film scheint insgesamt gute 10 bis 15 Minuten zu lang, und auch die Figuren sind nicht in dem Maß ausgearbeitet, wie man sich gewünscht hätte. Von Nebenfiguren wie Dakota Whitney oder Mosley Drummy ganz zu schweigen, die an sich gar keinen Hintergrund zugeschrieben bekommen, wird auch nicht recht erklärt, wie Mulder und Scully nun dorthin gekommen sind, wo sie sich befinden. Hörte die Serie in dem Sinne mit einem Cliffhanger auf, wird dieser nicht wirklich fortgesetzt, so dass man sich als Zuschauer die Ereignisse dazwischen dazu denken soll. Für Einsteiger, die mit Akte X bisher nichts zu tun hatten, ist Jenseits der Wahrheit somit gar nicht geeignet, da auch die Vorgeschichte nicht erläutert wird. Und auch die Autoren Spotnitz und Carter scheinen sich nur die wichtigsten Elemente der Serie behalten zu haben, ohne offene Fragen beantworten zu wollen.

Die Darsteller machen ihre Sache wie gewohnt gut, wobei es den beiden Hauptakteuren David Duchovny und Gillian Anderson erstaunlicherweise nicht ganz leicht fällt, sich in ihre bekannten Rollen hinein zu versetzen. So scheinen ihre Gebärden und ihr Auftreten bei weitem nicht so stimmig, wie seinerzeit in der Fernsehserie. Routiniert agieren sie dennoch, obgleich Anderson nicht so stark gefordert ist, wie im ersten Kinofilm oder über weite Teile der Serie. Sie macht ihre Sache wie Duchovny zwar gut, doch merkt man beiden Darstellern an, dass seit dem Serienende eben viel Zeit vergangen ist.
Amanda Peet agiert gewohnt routiniert und überzeugend, auch wenn ihre Figur leider verschenkt wurde und nicht so viel zu tun bekommt, wie man sich gewünscht hätte. In jedem Fall agiert sie besser, als Alvin Joiner, besser bekannt als Rapper Xzibit, der so viel mimisches Potential entfaltet, dass es auf ein weißes Blatt Papier passen würde. Aus einem mürrischen Gesichtsausdruck hat er nichts beizutragen.
Die womöglich schwierigste Rolle hat Billy Connolly zu erfüllen, der seine Sache außerordentlich gut macht und in den gemeinsamen Szenen Gillian Anderson die Show stiehlt. Seine Portraitierung der durchaus komplizierten Figur ist gut gelungen, ohne dabei auf Klischees zu setzen.
Dass Mitch Pileggis Erscheinen im Film erst so spät und dann auch noch so kurz realisiert wird, ist tragisch, immerhin war er eine der beliebtesten Figuren der Serie, die angesichts von Charakteren wie Drummy auch in der ersten Filmhälfte mehr als nötig gewesen wäre. Er rundet zusammen mit Fagin Woodcock und einem kaum wieder zu erkennenden Callum Keith Rennie einen großteils gut ausgewählten Cast ab.

Handwerklich gibt sich Regisseur Chris Carter wie gewohnt routiniert, verzichtet glücklicherweise auf effekthascherische Mätzchen wie Zeitlupen, sondern kleidet seinen Mystery-Thriller in schmucklose, düstere Bilder, die von den ersten Minuten an eine unheimliche Atmosphäre aufkommen lassen.
Auch die einzige Actionsequenz im Film ist gut gefilmt, doch fehlt es der Inszenierung an dem gewissen Etwas, das sie von dem Gros anderer Film jener Art abhebt. Die Kameraperspektiven und Schnittfolgen sind dabei gut geraten, erzeugen in manchen Situationen auch ordentlich Spannung (nur besitzt der Akte X-Film auf die gesamte Lauflänge gerechnet keinen solchen Spannungsbogen), doch ist dabei nichts Innovatives zu finden, keine ausschweifenden Kamerafahrten, keine unerwarteten und mit Symbolik versehenen Perspektivenwechsel. Der Film ist ohne Frage gut, sauber und ohne Fehler inszeniert. Nur eben leider auch ohne irgendwelche Ideen, die ihn vom Genre abheben würden.

So makellos die Inszenierung, so unscheinbar ist die musikalische Begleitung geraten. Während Mark Snows nur sechs Noten umspannendes Akte X-Thema auch fünfzehn Jahre nach Serienstart immer noch Wiedererkennungswert bei Filmkennern bietet und bei vielen Menschen für Gänsehaut sorgt, ist der eigentliche Score von Jenseits der Wahrheit außerordentlich fade geraten.
Während das ein oder andere Thema aus dem ersten Film neu verwendet wird, gibt sich der Rest zwar sehr atmosphärisch, dabei aber in keinsterweise einfallsreich oder ungewöhnlich. Allenfalls die wenigen, melancholischen oder fröhlicheren Themen stehen heraus. Der Rest ist zwar zur Szene passend, aber innerhalb des Films mit jedem x-beliebigen Stück austauschbar. Erinnert man sich an Akte X - Der Film zurück, waren dort die einzelnen Themen und Szenenuntermalungen kraftvoll und voller Energie. Hier ist davon nichts zu hören. Dennoch ist der Score für Fans interessant, und zaubert ohne den Film Bilder in den Kopf der Zuschauer – nur verschwindet er im Kinosaal zu sehr, um überhaupt wahrgenommen werden zu können.

Überschattet wurde Akte X - Jenseits der Wahrheit vor Kinostart in Deutschland von einer unschönen Nachricht. Synchronsprecher Benjamin Völz, der immerhin neun Jahre lang Fox Mulder seine Stimme lieh, hatte eigenen Angaben zu folge "keine Lust mehr, Megamovies zu Minipreisen zu synchronisieren" und konnte sich mit dem deutschen Verleih nicht auf eine Gage einigen. So wurde der ebenfalls bekannte Sprecher Johannes Berenz verpflichtet. Für Fans ist dies zweifelsohne ein harter Schlag, denn Fox Mulder mit einer falschen Stimme ist einfach nicht Fox Mulder. Ein weiterer Grund, weswegen Fans hierzulande nicht begeistert vom zweiten Kinofilm der X-Akten waren.
Das alles spiegelt sich auch in den Einspielergebnissen wider. Während The X Files: I Want to Believe, so der weitaus treffendere Originaltitel, in den USA nach drei Wochen nicht einmal sein verhaltenes Budget von nur 30 Millionen Dollar wieder einspielen konnte, bleiben auch die internationalen Ergebnisse hinter den Erwartungen zurück. Gründe hierfür kann es viele geben. Während es in Amerika geradezu absurd erscheint, einen Film in direkter Konkurrenz zum zweiten Batman-Abenteuer The Dark Knight [2008] in die Kinos bringen zu wollen, sprach Jenseits der Wahrheit nicht diejenige Story an, die sich die Fans seit sechs Jahren gewünscht hatten. Dass ein Film mit einem unheimlichen Winterambiente im Sommermonat im Kino auch nicht die geeignetste Umgebung findet, sollte auch an sich außer Frage stehen.


Fazit:
Die Erwartungen waren hoch nach der langen Wartezeit und den Versprechungen der Beteiligten. Doch Fans der Mystery-Ikone Akte X scheinen heute nur selten zu finden zu sein, immerhin bleiben die Zuschauer den Lichtspielhäusern fern. Dabei ist Akte X - Jenseits der Wahrheit kein schlechter Film, im Gegenteil. Als Mystery-Thriller ist der mitunter recht brutale Film gut gelungen, überzeugt durch eine stimmige Atmosphäre, gute Darsteller und eine routinierte Inszenierung. Er geht konfom mit dem Mystery-Episoden der Serie und lässt ohne Frage das Flair der Serie wieder aufleben.
Doch hätte ein solches Wiedersehen keine Leinwand benötigt, vom Produktionsaufwand her wäre der Film problemlos als DVD-Veröffentlichung machbar gewesen und Fans der Serie hatten sich eine Fortsetzung der Verschwörungselemente gewünscht. So ist I Want to Believe ein wirklich guter Thriller, ein überdurchschnittlich guter Zweiteiler der Serie, der aber durch nichts den Sprung zum Außergewöhnlichen schafft. Dafür reichen weder die Geschichte, noch die Darstellerleistungen, noch die handwerkliche Umsetzung aus.
Wer sich also schon immer vorgestellt hat, wie die bekannten, qualitativ hochwertigen Mehrteiler der Serie auf der großen Leinwand ausschauen würden, sollte sich Jenseits der Wahrheit im Kino ansehen. Alle anderen können wie bislang auch auf die Videoveröffentlichung warten. Das hat vor zehn Jahren gereicht, und das tut es heute immer noch.