Abyss - Abgrund des Todes (Special Edition) [1989]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 2. Juni 2024
Genre: Drama / Science Fiction

Originaltitel: The Abyss
Laufzeit: 171 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1989
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: James Cameron
Musik: Alan Silvestri
Besetzung: Ed Harris, Mary Elizabeth Mastrantonio, Michael Biehn, Leo Burmester, Todd Graff, John Bedford Lloyd, J.C. Quinn, Kimberly Scott, Captain „Kidd“ Brewer Jr., George Robert Klek, Christopher Murphy, Adam Nelson, Chris Elliott, Richard Warlock, Jimmie Ray Weeks, J. Kenneth Campbell, William Wisher, Jr., Ken Jenkins as Gerard Kirkhill


Kurzinhalt:

Nachdem ein amerikanisches Militär-U-Boot aus ungeklärter Ursache gesunken ist, wird ein Team Navy SEALs unter der Leitung von Lieutenant Coffey (Michael Biehn) entsandt, herauszufinden, ob die 150 Besatzungsmitglieder des U-Boots gerettet werden können. Als Einsatzzentrale wird die in der Nähe befindliche, von Virgil „Bud“ Brigman (Ed Harris) geleitete Unterwasserbohrinsel Deep Core ausgewählt. Dass mit Coffeys Team auch Buds künftige Ex-Frau und Architektin der Anlage, Lindsey (Mary Elizabeth Mastrantonio), anreist, sorgt schon im Vorfeld für Spannungen. Die Zeit ist knapp, denn ob die Atomsprengköpfe an Bord des U-Bootes das Unglück überstanden haben, ist nicht bekannt und über der Wasseroberfläche spitzt sich der Konflikt Ost gegen West in Anbetracht der Spannungen in internationalen Gewässern weiter zu. Zu allem Überfluss zieht ein Hurrikan in das Bergungsgebiet, weshalb die Deep Core von der Kommunikation mit der Oberfläche abgeschnitten wird. Als sie das U-Boot schließlich finden, müssen die Bergungscrew und die Soldaten feststellen, dass was immer für das Unglück verantwortlich war, immer noch dort unten ist, Kilometer unter der Oberfläche …


Kritik:
Wer James Camerons Unterwasserspektakel Abyss - Abgrund des Todes seinerzeit auf der großen Leinwand gesehen hat, ahnte bereits, dass der mit ungeheurem Aufwand produzierte Film die Industrie nachhaltig prägen würde. Wie sehr dies nicht nur für die großen Hollywoodfilme im Allgemeinen gelten sollte, sondern für Camerons eigene Filmografie, konnte man damals indes nicht abschätzen. Blickt man heute auf den damals unterschätzten Genrefilm zurück und dann auf die Regiearbeiten eines der erfolgreichsten Filmemacher unserer Zeit, dann erkennt man schnell, wie sehr seine nachfolgenden Werke Titanic [1997] oder Avatar: The Way of Water [2022] hierauf aufbauen. Für sich genommen erfindet sich Abyss mehrmals inhaltlich neu, wandelt sich von einer Rettungsmission zu einem Überlebensdrama sowie von einem packenden Thriller zu einem nachdenklichen Science Fiction-Film. Lässt man sich auf die beinahe drei Stunden lange Special Edition-Fassung ein, deckt die Geschichte eine enorme Bandbreite des filmischen Unterhaltungsspektrums ab, selbst wenn die einzelnen Elemente nicht alle nahtlos zueinander passen.

Sie beginnt mit dem Untergang eines amerikanischen Atom-U-Bootes, das nach einer Begegnung mit einem unbekannten Objekt in der Nähe des bis zu 7.700 Meter tiefen Kaimangrabens sinkt. Während sowjetische Schiffe in der Nähe gesichtet werden und sich ein Hurrikan über dem Gebiet zusammenbraut, wird ein Team der Navy SEALs entsendet, das an Bord der beweglichen Unterwasserbohrinsel Deep Core, genannt, „Rig“, eine Bergungsmission vorbereitet. Die Zeit ist knapp, zumal nicht bekannt ist, ob es zu Beschädigungen der atomaren Sprengköpfe des U-Bootes gekommen ist. Doch die Bergungsmission nimmt eine unerwartete Wendung, als die Rig von der Oberfläche abgeschnitten und schwer beschädigt wird. Schlimmer noch, beinahe zwei Kilometer unter der Wasseroberfläche begegnet auch die Crew der Deep Core unbekannten Wesen, was SEAL-Commander Coffey dazu verleitet, die nächste Phase seiner Mission einzuleiten.

Die Spannungen sind daher groß genug, nicht nur zwischen den SEALs und den Zivilisten der Unterwasserbohrinsel, sondern auch innerhalb der jeweiligen Gruppen, immerhin verhält sich Coffey auf Grund eines durch das Gasgemisch beim Abtauchen verursachten Hochdrucknervensyndroms zunehmend paranoid. Verstärkt wird angespannte Situation noch dadurch, dass mit den SEALS auch die Entwicklerin der Plattform, Dr. Lindsey Brigman an Bord kommt, die sich nicht im Guten von ihrem Noch-Ehemann Bud getrennt hat, der als Vorarbeiter die Plattform leitet. Ihre durchaus hitzigen Wortgefechte verleihen Abyss zudem Aspekte eines Ehedramas, während sich über der Wasseroberfläche der Konflikt des Kalten Krieges sowohl mit einem verbalen Hochrüsten als auch dem Mobilisieren des Waffenarsenals bei West und Ost zuspitzt.

Letzterer Aspekt ist der insgesamt 30 Minuten längeren Special Edition-Fassung vorbehalten, die darüber hinaus mehr Szenen zwischen Lindsey und Bud beinhaltet und das Ende um eine Erläuterung ergänzt, die zusammen mit dem drohenden Dritten Weltkrieg die Auflösung der Geschichte in einen ganz anderen Kontext rückt. Die Langfassung von Abyss ist damit die einzige, die Interessenten überhaupt in Erwägung ziehen sollten, auch wenn die deutsche Synchronisation bedauerlicherweise bei vielen eingefügten Szenen hörbar abweicht.

Dass Filmemacher James Cameron so viele unterschiedliche Aspekte in seiner Geschichte zusammenbringt, ist grundsätzlich kein Vorwurf. Während er jedoch bei Titanic beispielsweise seine Figuren über eineinhalb Stunden hinweg aufbaut, um in der zweiten Hälfte die Spannung der Erzählung immer weiter anzuziehen, verhält sich dies bei Abyss anders. Hier beginnt die Story mit einem interessanten Aspekt, dem versunkenen U-Boot, ehe Cameron ein regelrechtes Inferno unter Wasser veranstaltet, als der auf dem Begleitboot verankerte Kran ins Wasser stürzt und auf die Rig fällt. Es ist eine Sequenz, die an Intensität und Bedrohlichkeit kaum zu überbieten ist, immerhin ist die Crew nicht nur eineinhalb Kilometer unter der Wasseroberfläche eingeschlossen, sondern fortan auch auf sich gestellt. Gesteigert wird dies später, wenn Coffey das Leben aller Anwesenden aufs Spiel setzt, was unter anderem in einer Unterwasserverfolgungsjagd mit Mini-U-Booten endet, die geradezu schweißtreibend umgesetzt ist.

Doch gerade dann, wenn sich die Erzählung auf der vermeintlichen Zielgeraden befindet, kehrt das Drehbuch zu einem Science Fiction-Aspekt zurück, der zuvor bereits vorgestellt und angedeutet wurde. Die Art und Weise, wie Cameron dies in seine Erzählung einwebt und inszeniert, erinnert an eine Mischung aus Unheimliche Begegnung der dritten Art [1977] und E.T. - Der Außerirdische [1982], gepaart mit der Interpretationsfähigkeit von 2001: Odyssee im Weltraum [1968]. Nach allem, was zuvor kam, läuft die Geschichte damit wenigstens der Erwartungshaltung des Publikums entgegen und nimmt mit der ruhigen Präsentation spürbar das Tempo aus der Erzählung. Sie richtet sich in den Aussagen unverhohlen an uns Menschen als eine Spezies. Der unerwartet hoffnungsvolle Ausklang mag dabei etwas kitschig wirken und man kann darüber diskutieren, ob ein paar Minuten mehr nicht sinnvoll gewesen wären, um eben den sich aufbauenden, geopolitischen Konflikt stärker herauszustellen und auch die Botschaft bei Buds schicksalshafter Begegnung zu vertiefen. Doch es ändert letztlich nichts daran, dass Abyss gerade in dieser Beziehung inhaltlich überraschend und mutig erzählt ist.

Handwerklich gibt es allenfalls an den im Finale der Special Edition eingefügten Trickeffekten etwas zu bemängeln, die immerhin einige Jahre später und mit einem reduzierten Budget entstanden. Was zuvor geschieht, ist hinsichtlich des Wasserwesens, das die Rig erkundet, nicht nur bahnbrechend und wegweisend, sondern zu Recht mit dem Oscar ausgezeichnet worden. Die Art und Weise, wie die Verantwortlichen die Rig innen wie außen zum Leben erwecken, kann man hingegen kaum genug honorieren. Mit einem enormen Aufwand umgesetzt, versetzen die Unterwassersequenzen das Publikum unmittelbar an die Seite der Figuren. Sei es in jener unvorstellbaren Tiefe am Meeresgrund, oder in die Klaustrophobie verursachenden Gänge der Unterwasserbohrinsel bzw. der Mini-U-Boote. Abyss ist überragend in Szene gesetzt und gleichermaßen fantastisch gespielt. Ed Harris und Mary Elizabeth Mastrantonio zeigen eine derart intensive Darbietung, dass ihre Wortgefechte regelrecht zu fesseln vermögen und in der Rolle des zunehmend labilen Navy SEAL erweckt Michael Biehn eine der bedrohlichsten Figuren seiner Karriere zum Leben. Viele Beteiligte haben sich nach den Dreharbeiten zu den nicht nur fordernden, sondern mitunter sogar gefährlichen und von einigen als katastrophal bezeichneten Drehbedingungen geäußert. Auch James Cameron wird zitiert, dass er dies nie wieder erleben will. Umso erstaunlicher ist, wie gut der damals übersehene Genrefilm aus heutiger Sicht funktioniert. Auch deshalb bietet er sich heute an, ihn zum ersten Mal oder wieder neu zu entdecken. Er zählt zu James Camerons besten.


Fazit:
Auf den ersten Blick verbindet Filmemacher James Cameron lediglich zwei unterschiedliche Geschichten miteinander. Zum einen eine Bergungsmission mehr als eineinhalb Kilometer unter der Meeresoberfläche, zum anderen eine Science Fiction-Geschichte, deren Ausmaß man zu Beginn noch nicht einmal erahnt. Tatsächlich jedoch finden sich viele Aspekte im Drehbuch wieder, neben den vorgenannten die Thematik des Kalten Krieges bis hin zu einem Ehedrama. So interessant die einzelnen Elemente für sich genommen sind und so packend insbesondere die erste Hälfte bis zwei Drittel der Erzählung, der Wechsel zwischen den unterschiedlichen Themen wirkt stellenweise holprig und einige Moment zu betont. Dabei wäre die Story auch ohne den Science Fiction-Einschlag mehr als packend genug gewesen, selbst wenn die durchaus inspirierende Botschaft am Ende dadurch weggefallen wäre. Stellt man sich darauf ein, wartet Abyss - Abgrund des Todes mit einigen atemberaubend spannenden Sequenzen und einer handwerklich herausragenden Umsetzung auf, die in vielerlei Hinsicht bis heute unerreicht ist. Packend und vielschichtig, war die Story ihrer Zeit schlicht voraus und gewinnt aus heutiger Sicht nur hinzu. Klasse!