3 Engel für Charlie [2000]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 09. Oktober 2003
Genre: Action / KomödieOriginaltitel: Charlie's Angels
Laufzeit: 98 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2000
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren
Regie: McG
Musik: Ed Shearmur
Darsteller: Cameron Diaz, Drew Barrymore, Lucy Liu, Bill Murray, Sam Rockwell, Kelly Lynch, Tim Curry, Crispin Glover, John Forsythe
Kurzinhalt:
"Guten Morgen, Engel!" So begrüßt Charlie (John Forsythe) seine drei Geheimagentinnen, die er vor Jahren auserwählte, ausbildete und nun auf gefährliche Missionen rund um den Globus schickt: Natalie Cook (Cameron Diaz), Dylan Sanders (Drew Barrymore) und Alex Munday (Lucy Liu).
Doch gesehen haben ihn die drei Agentinnen noch nie, sie hören seine Stimme immer nur aus einer Lautsprecherbox. Stattdessen weist sie John Bosley (Bill Murray) in ihre Aufgaben ein. Ihre neue besteht darin, den kürzlich entführten Eric Knox (Sam Rockwell) zu finden. Er erfand ein Spracherkennungssystem, mit dessen Hilfe sich über Satellit der Aufenthaltsort jeder Person am Telefon bestimmen lässt. Knox' Vertraute Vivian Wood (Kelly Lynch) vermutet dahinter natürlich die Konkurrenz in Form von Roger Corwin (Tim Curry), doch wie die Engel feststellen müssen, handelt es sich bei der Angelegenheit nicht um eine Entführung, sondern um einen Rachefeldzug – gegen Charlie ...
Kritik:
Vom lateinischen Wort "prostituere" (gleichbedeutend mit "vorn hinstellen", "sich öffentlich preisgeben") abstammend besagt "Prostitution" in unserer Zeit die "... gewerbsmäßige Hingabe des eigenen Körpers für sexuelle Zwecke. [...] Die Bereitschaft zur Prostitution wird heute aus einem Zusammenwirken verschiedener Faktoren erklärt, wie materielle Not, problematische Familienverhältnisse, beschädigte Selbstbilder, ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Sexualität, Finanzierung von Suchtmitteln sowie eine Neigung zu schnell verdientem Geld." - Soviel ein Auszug aus dem Brockhaus Lexikon als Vorbemerkung.
Über das Skript der Actionkomödie muss man nicht viel sagen, interessant ist höchstens, dass es 30 (!) verschiedene Drehbuchfassungen von 18 (!!) Autoren gab, bevor sich die Beteiligten einig waren und die Vorlage als "akzeptabel" betitelten. Das erklärt zweifelsohne, wieso vom Inhalt nicht viel übrig geblieben ist. Stattdessen bekommt man eine Menge als solche gedachter "Ideen", verkrampft aufgesetzte Witzeleien und keinerlei Charakterisierungen der Beteiligten geboten.
Die Story wirkt samt der Umsetzung zusammengeschustert, peinlich geflickt und mit Plagiaten aller bekannter und angesagter Stilmittel übersäht, dass es einem gar nicht mehr auffällt, aus wie vielen Filmen die witzigen Szenen geklaut sind. Crispin Glover missfielen seine Dialogzeilen sogar so sehr, dass er vorschlug, seine Rolle komplett stumm zu absolvieren – der Wunsch wurde ihm glücklicherweise gewährt.
Lediglich in der vorletzten Szene am Strand scheint für wenige Momente so etwas wie ein Inhalt durchzublitzen, doch wer nach den 90 Minuten Kaugummi-Quark zuvor nicht schon geistig absent im Sessel zappelt, wird sich dafür ohnehin nicht interessieren.
Ein wirkliches Ärgernis, und dafür gibt es bei keinem der Beteiligten eine Entschuldigung, ist die Darstellerriege, die hier vorgefahren wird. Selten haben sich Frauen in aller Öffentlichkeit derart blamiert, zur Schau gestellt und gedemütigt – und das alles nur für Geld, von dem sie zuvor schon genug besessen haben. Hier von Prostitution zu sprechen ist in der Tat nicht weit hergeholt. Lust- und farblos hüpfen die drei Damen in knappen Oberteilen (meist auch ohne Hosen) vor der Kamera hin und her und zeigen genau die Attribute, wegen derer sie eingestellt wurden: titts, ass & hair. All das, worum Frauen jahrzehntelang gekämpft haben, nämlich nicht auf ihre Körpermerkmale reduziert zu werden, wird hier ad absurdum geführt; man könnte den Film auch als Fest eines jeden Chauvinisten bezeichnen.
Insofern ist die von nun an in dieser Kritik erwähnte Bezeichnung von "Hühnern" anstatt "Frauen" nicht auf alle Frauen dieser Erde zu verstehen, sondern nur und ausschließlich auf Cameron Diaz, Drew Barrymore und Lucy Liu in dieser Produktion, die sich hier zu eben diesem selbst degradierten: einem hirnlosen Hühner-Trio.
Doch mit ihrer Darbietung sind sie hier zumindest in guter Gesellschaft, Bill Murray verkrachte sich am Set zwar ständig und so heftig, dass er für die Fortsetzung gar nicht mehr angerufen wurde, seine Unlust am Zuschauer auszulassen ist dennoch eine Frechheit. Tim Curry bleibt auf einem für ihn meist bekannten Niveau, doch von Sam Rockwell hätte man deutlich mehr Voraussicht erwartet.
Einzig in Schutz zu nehmen sind Luke Wilson, der zu seinem Glück nicht so oft zu sehen ist und Friends [1994-2004]-Darsteller Matt LeBlanc, der während seiner Serientätigkeit schlicht nicht in Vergessenheit geraten wollte.
In all dem künstlerischen Totalschaden gibt es nur einen Darsteller, der überzeugen kann, und das in einer Rolle, in der er keine einzige Textzeile hat: Crispin Glover. Bekannt aus dem ersten Teil der Zurück in die Zukunft-Trilogie spielt er hier wirklich gut und kann offensichtlich auch als Bösewicht überzeugen.
Kamera und Schnitt stellen den Alptraum eines jeden Filmfans dar, Regisseur Joseph McGinty Nichol entschied sich seiner früheren Beschäftigung als Werbefilmer entsprechend für eine Kombination aus Videoclip-Stil mit grellbunten Bildern und sinnlos eingesetzten Matrix [1999]-Moves mit Zeitlupen, die den Film zwar gut 10 Minuten länger machen, aber zur Atmosphäre oder zum Erzählstil nichts beitragen.
Ohne wäre der Film womöglich leichter zu ertragen, auf diese Weise wird allerdings jeder, der bezweifelte, dass ein 90-minütiger Werbeclip funktionieren könnte, bestätigt. Dass McG (wie sich Nichol selbst auch nennt) keine Mühe an Dramaturgie oder Szenenaufbau verwendet wird am ehesten dadurch deutlich, dass sogar heutige Musikvideos oft mehr Anspruch besitzen, als dieses kopflose hin-und hergezoome.
Die instrumentale Musik nimmt im Film zwar nur knapp 3 Minuten in Anspruch, ist aber nicht schlecht geraten. Allerdings streuen die Macher bei jeder Actionszene Pop-, Dance- oder irgendwelche anderen Musikrichtungen ein, die zwar weder vom Rhythmus her zur Szene passen, dafür aber umso lauter eingesetzt werden.
Thandie Newton, Milla Jovovich, Alyssa Milano und Julia Roberts dürfen sich glücklich schätzen, sie bekamen die Rollen der Engel im Endeffekt nicht (und können schon allein dadurch eine bessere Filmographie aufweisen, als Liu & Co.) – Liu selbst sollte ursprünglich sogar eine Bösewichtin im Film mimen und ersetzte letztendlich Thandie Newton.
Die Darstellerinnen der Originalserie Drei Engel für Charlie [1976-1981], die im übrigen nicht als Satire angelegt war, sondern als Action-Krimi-Serie, bekamen sogar Gastauftritte angeboten, lehnten aber kollektiv ab. Einzig John Forsythe trat hier wie damals als Stimme von Charlie in Erscheinung.
Drew Barrymore, die bei dem Film sogar als Produzentin fungierte, bestand beim Drehbuch darauf, dass nur die Bösewichte Waffen benützten; die Engel sollten ihre Aufgabe nur mit Hilfe ihrer Kampftechniken bewältigen können. Sie war auch die einzige, die halbwegs das Finnisch auf die Reihe bekam, in dem sich die Engel im Film (als pseudo-Geheimsprache getarnt) unterhalten.
Doch wen interessieren bei dieser Fleischbeschau auf der Hühnerfarm schon die Hintergründe? Angesichts eines cineastischen Kollaps dieses Kalibers, wünscht man sich als Zuschauer fast, dass die Wachowski-Brüder für ihr grandioses Science-Fiction-Spektakel Matrix niemals die Bullet-Time-Technik erfunden und fernöstliche Kampfsport-Action nie massenkompatibel gemacht hätten.
Was für manche Kritiker parodistische Zitate und lustige Anspielungen auf zahlreiche Momente der jüngeren Filmgeschichte sind, entpuppt sich bei nüchterner Betrachtung vielmehr als peinliches Plagiieren ohne sichtbare Eigeninitiative. Gepaart mit dem dilettantischen filmischen "Handwerk" und der dürftigen Umsetzung, stellt die 3 Engel für Charlie-Neuauflage einen der überflüssigsten und ärgerlichsten Filme der letzten Zeit dar.
Die eineinhalb Punkte gibt es zum einen für zwei ganze nette, witzige neue Ideen, die sich einsam und verlassen hierhin verirrt haben, und eine Explosion, die recht ansprechend aussieht, aber nicht völlig ausgenutzt ist.
Wer sein Gehirn von der Notfall-Selbstzerstörung abhalten konnte, ist nach den 98 Minuten beinahe versucht, dem ebenfalls grottenschlechten Mit Schirm, Charme und Melone [1998]-Aufguss einen gewissen Anspruch zuzusprechen.
Fazit:
Viel Bla-Bla und eine große Werbekampagne bewahren die Bubblegum-Action für Teenager nicht vor dem Kollaps. Die drei leidlich attraktiven Hühner mögen zwar vorpubertären Schuljungen gewisse Träume bescheren, erwachsene Zuschauer sollten und dürften bei diesem ebenso sinn-, wie humorfreiem und stumpfsinnigen Action-Stuss die Lust am Zuschauen (oder Begaffen der 3 Engel für Charlie) verlieren.
Dass die Macher einsahen, dass eine Story ohnehin nicht wichtig für diese Art Film ist, ist vielleicht der erste Schritt auf dem Weg zur Selbsterkenntnis – für die "Chicks" kann man das nur hoffen.
Für die einen ist das ein "fun film", passender wäre allerdings "dumb film".
Selbst die VIVA-Generation sollte ihre Zeit mit etwas sinnvollerem verschwenden.