127 Hours [2010]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 26. Februar 2011
Genre: Drama

Originaltitel: 127 Hours
Laufzeit: 94 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Danny Boyle
Musik: A.R. Rahman
Darsteller: James Franco, Kate Mara, Amber Tamblyn, Sean Bott, Koleman Stinger, Treat Williams, John Lawrence, Kate Burton, Bailee Michelle Johnson, Rebecca C. Olson, Parker Hadley, Clémence Poésy, Fenton Quinn, Lizzy Caplan, Peter Joshua Hull


Kurzinhalt:
An einem Samstagmorgen im Jahr 2003 bricht Aron Ralston (James Franco) in alle Frühe auf, um eine Tour zum Blue John Canyon in Utah zu unternehmen. Weder seinen Kollegen, noch seine Familie hat er informiert, wohin er fahren wird. Als begeisterter, erfahrener Bergsteiger und Sportler macht er sich mit seinem Bike auf durch das Parkgelände. Unterwegs trifft er auf die verlorenen Wanderinnen Kristi (Kate Mara) und Megan (Amber Tamblyn), die er auf den rechten Weg bringt, ehe er sich wieder um sich kümmert.
An einer engen Felsspalte rutscht Aron ab und klemmt seinen rechten Unterarm mit einem schweren Felsbrocken ein. Er kann weder vor noch zurück und sich auch nicht befreien. Der kleine Proviant wird ihm nur wenige Tage reichen und seine Hilferufe bleiben ungehört. Mit einer Videokamera, einem stumpfen Campingmesser und Seilen ausgestattet beginnt für Aron ein kräftezehrendes Martyrium. Die einzige Möglichkeit, sich zu befreien scheint dabei undenkbar. Doch der menschliche Überlebenswille ist stärker als alles, was Aron davon abhalten könnte ...


Kritik:
Was wäre man bereit zu tun, um zu überleben? 127 Hours von Regisseur Danny Boyle beschäftigt sich im Kern genau mit diesem Thema. Dafür muss der renommierte Filmemacher nicht einmal auf eine erdachte Geschichte zurückgreifen, sondern erzählt die wahren Erlebnisse von Aron Ralston nach, der im Jahr 2003 bei einem Ausflug im Canyonlands Nationalpark in Utah in einer Felsspalte eingeklemmt wird. Genauer gesagt wird sein rechter Unterarm eingeklemmt und damit steckt auch Ralston fest. Nach Tagen des Ausharrens entschließt er sich, etwas zu tun, was vermutlich nicht viele Menschen geschafft hätten, obwohl es die einzige Möglichkeit war, sein eigenes Leben zu retten.
Der Film beginnt mit Ralstons Ausflug in den Park und einer Fahrradtour. Als er zu Fuß auf die beiden Wanderer Kristi und Megan trifft, entschließt er sich, seinen strengen Zeitplan aufzugeben, um den beiden vom Weg abgekommenen etwas Außergewöhnliches zu zeigen. In einem unterirdischen kleinen Wasserbecken verbringen die drei eine tolle Zeit, die Ralston auf seiner ihn überall begleitenden Videokamera festhält. Als er sich wenig später von den beiden jungen Frauen verabschiedet, die ihn zu einer Party eingeladen haben, meint eine von ihnen, dass er vermutlich nicht kommen wird; "Wir haben ihn nur aufgehalten", bemerkt sie.

Sehr sympathisch ist Ralston nicht, auch wenn man nicht behaupten könnte, er wäre ein unangenehmer Gesellschafter. Vielmehr scheint er nie zur Ruhe zu kommen, ständig auf der Suche nach einer neuen Beschäftigung. Immer nur für den Moment engagiert und begeistert, dann aber auf dem Sprung zur nächsten Etappe. Insofern steckt er in der Spalte nicht nur von einem Felsen eingeklemmt fest, er ist auch nicht mehr in der Lage, weiterhin voran zu sprinten. Nachdem seine Hilferufe niemand hört und nach seinen ersten Versuchen, den Felsblock zu bewegen oder ihn mittels eines Flaschenzuges anzuheben, setzt bei Ralston eine Verzweiflung ein, welche die meisten normalen Menschen schon gleich zu Beginn handlungsunfähig gemacht hätte. Immerhin hat er, wie es seine Art ist, niemandem gesagt, wo er hingefahren ist. Selbst wenn er vermisst wird, werden die Rettungskräfte nicht wissen, wo sie suchen sollen. Seinen mitgebrachten Proviant, der eigentlich nur für den einen Tag hätte reichen sollen, muss er sich rationieren, auch wenn er nicht weiß, wie lange er überhaupt feststecken wird. Nachts wird es eiskalt im Canyon, selbst wenn er sich mit allen mitgebrachten Hilfsmitteln zudeckt. Und mit seinem stumpfen Campingmesser kommt er gegen den harten Felsbrocken nicht an.
Wie lange es der menschliche Körper dabei ohne Wasser oder feste Nahrung aushält, ist überraschend. Mit den geringen Mengen, die Ralston zu sich nimmt, kann er sich zwar am Leben halten, doch die körperlichen Auswirkungen sind schnell zu sehen. Nach den ersten paar Tagen, in denen er auch unter Schlafentzug leidet, beginnt er Dinge zu sehen, die nicht da sind. Eine dieser Visionen, ein Sohn, den er zu dem damaligen Zeitpunkt gar nicht hatte, soll seinen Überlebenswillen soweit bestärkt haben, dass er sich zu einer Entscheidung durchringt, die er wohl bereits nach ein paar Tagen in Betracht gezogen hatte. Fünf Tage, insgesamt die titelgebenden 127 Stunden, harrt Ralston im Canyon aus. Nachdem er sich befreien konnte, musste er sich schwer verletzt einen Abhang abseilen, ehe er von anderen Wanderern entdeckt wurde.

Diesen unvorstellbaren Kraftakt, zuerst die fünf Tage allein und zunehmend verzweifelt zu überstehen, und dann trotz der physischen Auswirkungen sich selbst aus eigener Kraft zu retten, schildert 127 Hours sehr eindrucksvoll. Dabei stellt das von James Franco herausragend und kräftezehrend gespielte Drama nicht die Person Ralston in den Mittelpunkt, über den man zwar Einiges erfährt, der aber trotzdem unnahbar bleibt. Stattdessen stehen seine Entschlossenheit und der blanke Überlebenswille im Vordergrund, die Entscheidungen möglich machen, die man selbst für undenkbar hält. Und die Kraftreserven entstehen lassen, wo an sich kein Vorrat mehr vorhanden ist.
Der wahre Aron Ralston, dem zu Beginn die fiktiven Änderungen des Treffens Ralstons mit den zwei jungen Wanderinnen sehr unangenehm waren (in Wahrheit zeigte er ihnen keine versteckte Oase, sondern nur ein paar Kletterbewegungen), bezeichnete 127 Hours als "so genau, wie man eine Dokumentation machen kann, wenn man gleichzeitig ein Drama" erzählen möchte. Danny Boyle ist ein Film gelungen, der auf Grund der Eigenschaften seines Protagonisten fesselt. Das ist mitunter ebenso anstrengend wie inspirierend, im letzten Drittel aber zweifellos nur für ein nervenstarkes Publikum geeignet.


Fazit:
Vom schicksalshaften Felsbrocken festgeklemmt, ist Aron Ralston gezwungen, über sich und sein Leben nachzudenken. Er kommt zu dem Schluss, dass alles, was er zuvor getan und erlebt hatte, ihn genau dorthin geführt hat. Er sollte allein in dem Canyon sterben. Bis er in einer Vision etwas sieht, was ihm seinen Lebenswillen zurückgibt und ihn zu einer Entscheidung bringt, von der es kein Zurück gibt. Auch wenn es die einzige ist, die er treffen kann, wenn er leben will.
127 Hours ist allem voran von James Franco so mitreißend und überzeugend gespielt, dass sein zermürbender Kampf gegen alle menschlichen Instinkte fesselt, auch wenn einen der Charakter Ralstons vielleicht nicht so sehr interessiert. Regisseur Danny Boyle widmet sich in seinem stellenweise dokumentarisch angehauchten, beinahe schon intim persönlichen Drama dem menschlichen Überlebenstrieb und wozu er Menschen bringen kann. Dadurch inspiriert Ralstons Erlebnis und macht Mut, selbst die ausweglosesten Momente durchzustehen. Dennoch benötigt man auf Grund seines letztendlichen Entschlusses starke Nerven, um den letzten Akt durchzustehen.