Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste [2023]

Wertung: 3,5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 30. August 2023
Genre: Biografie / Drama

Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: Österreich / Luxemburg / Schweiz / Deutschland
Produktionsjahr: 2023
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Margarethe von Trotta
Musik: André Mergenthaler
Besetzung: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch, Basil Eidenbenz, Marc Limpach, Luna Wedler, Renato Carpentieri, Ricardo Angelini, Thomas Douglas, Bettina Scheuritzel, Nina Vorbrodt


Kurzinhalt:

Ende der 1950er-Jahre, nachdem er ihr preisgekröntes Hörspiel gehört hat, wendet sich Theaterautor Max Frisch (Ronald Zehrfeld) an die im deutschsprachigen Raum bekannte und fortschrittliche Autorin Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps). Er ist von ihr fasziniert und nach einem Treffen in Paris bittet er sie nach Zürich, da er ohne sie nichts mehr zu Papier bringen könne. Es ist eine Beziehung voller Höhen und Tiefen, wobei sich Bachmann selbst an einem künstlerischen Scheideweg befindet. Gedichte, durch die sie eine große Leserschaft erreicht hat und für die sie berühmt wurde, will sie nicht länger schreiben. Doch ihr übriger Erfolg und ihre enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten Hans Werner Henze (Basil Eidenbenz) verstärken Frischs Eifersucht. Jahre später und in einer tiefen Krise, wird sie vom Schriftsteller Adolf Opel (Tobias Resch) aufgesucht. Er will in Ägypten für ein neues Werk recherchieren und lädt Bachmann, die bislang in Rom ihre glücklichsten Zeiten erlebt hat, dorthin mit ein. Es soll eine Reise sein, in der sie zu sich selbst zurück findet …


Kritik:
Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste lässt sich am ehesten als filmisches Äquivalent einer lyrischen Biografie beschreiben. Anstatt das Leben und Schaffen der einflussreichen österreichischen Dichterin und Autorin nachzuzeichnen, erzählt Filmemacherin Margarethe von Trotta einen Abschnitt ihres Lebens nach. Mehr bildlich, denn verbal, nicht notwendigerweise inhaltlich geordnet und oftmals mit Metaphern, anstatt ausdrücklich. Das mag der Person im Zentrum angemessen sein, doch das Ergebnis ist nicht leicht zugänglich und wird all diejenigen, die nicht mit dem Werdegang und den Werken der Titel gebenden Künstlerin vertraut sind, letztlich ebenso ahnungslos zurücklassen.

Insgesamt auf drei Ebenen erzählt, zeichnet Reise in die Wüste maßgeblich Ingeborg Bachmanns langjährige wie schwierige Beziehung mit dem Theaterautor Max Frisch nach und wie sie versuchte, diese anschließend in einer Reise nach Ägypten zu verarbeiten. Dabei werden unterschiedliche Zeitebenen abgewechselt, die einerseits das erste Kennenlernen der so verschiedenen Kunstschaffenden erzählen, Bachmanns Aufenthalte in Krankenhäusern nach dem Ende der Beziehung und ihre Titel gebende Reise nach Ägypten. Dies in der zeitlichen Abfolge auseinander zu halten, ist nicht einfach, zumal es zumindest in der gezeigten Fassung keinerlei Einblendungen gab, um die zeitliche Abfolge zu erläutern, oder die zahlreichen in französisch, spanisch oder italienisch gehaltenen Dialoge.

Nichtsdestotrotz gelingt es Regisseurin von Trotta, Ingeborg Bachmann als Künstlerin vorzustellen, die insbesondere im Deutschland der Nachkriegszeit gefeiert wurde. Mehrfach für ihre Werke ausgezeichnet, darunter auch das Hörspiel Der gute Gott von Manhattan [1957] oder ihre Gedicht- und Erzählbände, die ausdrücklich aus einer weiblichen Perspektive geschildert waren, vertrat sie zeitlebens die Auffassung, „die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“. Nachdem er sich um ein Treffen bemüht, werden Bachmann und Frisch im Jahr 1958 ein Paar. Für ihn verlässt sie die Stadt, in der sie sich tatsächlich zuhause fühlt, Rom, und zieht zu ihm nach Zürich. Doch während Max anfangs beteuert, dass er ohne sie nicht schreiben kann, fühlt sie sich in der Umgebung und Beziehung gleichermaßen und durchaus berechtigterweise eingeengt. Seine Eifersucht, verstärkt durch ihr Selbstvertrauen, bezieht sich auf die Auswirkungen einer als offen beschlossenen Beziehung wie auf ihren Erfolg, in dessen Schatten er steht. Beide sind freie Geister, doch was sie bewegt, diese Beziehung fünf Jahre lang aufrecht zu erhalten, arbeitet die Geschichte nicht heraus.

Auch durch die unentwegte Abwechslung der unterschiedlichen Erzählebenen, durchaus ein verwendetes Stilmittel der porträtierten Autorin selbst, pendelt die von Vicky Krieps gewohnt stark und verschlossen gespielte Künstlerin Bachmann zwischen einem Trennungsschmerz, der an Johann Wolfgang Goethes Die Leiden des jungen Werthers [1774] und einer selbstbewussten Aufbruchstimmung erinnert. Es ist ein beständiges emotionales Auf und Ab dieser Figur, wodurch ihre Reise jedoch nicht wie eine tatsächliche Entwicklung auf das Publikum wirkt. Es ist beinahe, als würde Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste zwischen unterschiedlichen Seiten eines zeitlich versetzten Spiegelbildes wechseln. Erst im Laufe der Erzählung beginnt sie, in Ägypten, mit Adolf Opel über ihre letztlich unglückliche Beziehung zu sprechen, den sie dorthin und der sie gewissermaßen auf ihrem Weg zurück zu sich selbst begleitet. Anstatt dies als Rahmenhandlung heranzuziehen, erscheinen die Erzählebenen teils willkürlich aneinandergereiht, verdeutlichen nicht einzelne Punkte des gerade Gesehenen oder zeigen, wohin die Entwicklung der Figur führt.

Dadurch bleibt die Person Ingeborg Bachmann schließlich unnahbar und distanziert. Der frühe Werdegang der Künstlerin wird in Reise in die Wüste ebenso wenig beleuchtet, wie ihr viel zu frühes Versterben. Ihr Lebenswerk wird mit einigen Zitaten aus ihrer Prosa und der gezeigten Bewunderung von Seiten ihres Publikums angerissen, doch welche Vorreiterrolle sie dabei innehatte bleibt ebenso unergründet, wie die Auswirkungen ihres Schaffens. So muss man sich am Ende doch fragen, was insbesondere diejenigen, die mit Ingeborg Bachmann nicht vertraut sind, aus dieser Erzählung, die gleichsam keine Biografie darstellt, mitnehmen werden. Es ist, ungeachtet vieler eindrucksvoller Aspekte, am Ende bedauerlicherweise erstaunlich wenig.


Fazit:

So grundverschieden Ingeborg Bachmann und Max Frisch hier gezeigt werden, im Grunde sind sie sich überaus ähnlich. Beide wollen ihre Freiheit behalten, beide streben nach Erfolg und danach, ihre Arbeit zu Papier zu bringen. Und beide stellen schließlich ihre eigenen Bedürfnisse über die des jeweils anderen und nehmen sich damit wichtiger als ihre Umgebung. So sehr in sich gekehrt und mit so wenigen ihrer Texte, die hier vorgestellt werden, erscheint die dargestellte Autorin, so gut sie von Vicky Krieps verkörpert wird, wie eine Frau, die in der Beziehung nie wirklich glücklich ist. Doch offen nach ihrer Freiheit verlangt sie ebenfalls nicht und wie die Trennung ihr Leben in den Grundfesten erschüttert, vermag man ob ihrer vorigen Distanz zu Max Frisch nicht einzuschätzen. Gut fotografiert, toll besetzt und tadellos ausgestattet, ist Margarethe von Trottas Porträt, das keine Biografie darstellt, in so malerische wie theatralische Dialoge gekleidet. Spürbar und geradezu lyrisch bedächtig ruhig erzählt, mag dies für die Künstlerin durchaus ein passendes Stilmittel sein, aber nicht nur bleibt sie in Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste als Mensch unbegreif- und kaum erreichbar, es bringt sie einem breiteren Publikum so kaum näher.