Malignant [2021]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 27. Februar 2022
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: Malignant
Laufzeit: 111 min.
Produktionsland: USA / China
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: James Wan
Musik: Joseph Bishara
Besetzung: Annabelle Wallis, Maddie Hasson, George Young, Michole Briana White, Jean Louisa Kelly, Madison Wolfe, Mckenna Grace, Susanna Thompson, Jake Abel, Jacqueline McKenzie, Christian Clemenson, Amir Aboulela, Ingrid Bisu


Kurzinhalt:

Nach einem Streit, bei dem Madison (Annabelle Wallis) erneut von ihrem Ehemann Derek (Jake Abel) misshandelt wird, schließt sie ihn aus dem Schlafzimmer aus. Aber nach einem Alptraum, in dem sie sieht, wie Derek angegriffen wird, findet sie seine Leiche im Haus und wird selbst attackiert. Die Polizisten Kekoa Shaw (George Young) und Regina Moss (Michole Briana White) vermuten einen Einbruch, selbst wenn der grausame Mord sie vor ein Rätsel stellt. Wenig später hat Madison erneut die Vision eines schrecklichen Verbrechens und tatsächlich hat sie offenbar durch die Augen des Täters das Geschehen beobachtet. Zunächst von der Polizei abgewiesen, lässt sich Madisons Verbindung kurz darauf kaum mehr leugnen. Dabei gibt es auch bei den Opfern eine unerwartete Gemeinsamkeit und bei dem Versuch, ihrer Schwester Madison zu helfen, entdeckt Sydney (Maddie Hasson) ein düsteres Geheimnis …


Kritik:
James Wans Horror-Thriller Malignant ist ein zwiespältiger Film, wobei hier kein Wortwitz beabsichtigt ist. So unerwartet und bemerkenswert es ist, dass eine solch merklich aufwändige Produktion, angesiedelt in einem Genre, das traditionell kein großes Publikum anlockt, überhaupt existiert und so beeindruckend die handwerkliche Umsetzung ist, inhaltlich wird die Geschichte ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht und Teile davon erzielen genau die entgegensetzte Wirkung, die sie offenbar erreichen wollen.

Im Zentrum der Story steht Madison Mitchell, die nach einem Streit mit ihrem gewalttätigen Ehemann diesen grausam ermordet auffindet. Der Fall wird von den Detectives Kekoa Shaw und Regina Moss untersucht, die wenig später vor einer weiteren, grausam zugerichteten Leiche stehen. Madison hat dabei beide Morde in Form von Visionen beobachtet und scheint eine besondere Verbindung zu dem Täter zu haben. Viel mehr sollte man über Malignant im Grunde nicht verraten, um die Überraschungen nicht zu verderben. Doch das gestaltet sich insoweit schwierig, da Wan den Film mit einem Prolog und einem Vorspann versehen hat, die bereits ein so umfassendes Bild des dem Fall zugrunde liegenden Mysteriums vermitteln, dass das geneigte Genrepublikum die Zusammenhänge bereits im ersten Drittel erahnen kann und nach der Hälfte bereits durchschaut hat. Damit könnte man grundsätzlich spielen, die Erwartungen auf den Kopf stellen, doch Drehbuchautorin Akela Cooper scheint derart von der Idee überzeugt, dass sie geradlinig zu Ende erzählt wird, anstatt mit wirklichen Überraschungen aufzuwarten. Das ist insofern bedauerlich, da es hier in Form von Madisons Schwester Sydney eine Figur gibt, die die Hintergründe der Verbindung zwischen Madison und den brutalen Morden aufdeckt und es sich förmlich anbieten würde, dass das Publikum diese mit ihr zusammen entdeckt. Doch wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer den Figuren durch die eingangs mitgeteilten Informationen und Andeutungen bereits voraus sind, verfehlen die vermeintlichen Wendungen ihre Wirkung.

Dabei erinnert die Geschichte von Malignant thematisch an Episoden von Mystery-Serien wie Akte X - Die unheimlichen Fälle des FBI [1993-2002], ist hier jedoch auf beinahe zwei Stunden ausgedehnt. In Anbetracht der wenigen Figuren, von denen außer Hauptcharakter Madison keine einzige weiter vertieft wird, bleibt das damit spürbar oberflächlich und wiederholt Elemente wie Madisons Visionen öfter, als sie sein müssten. Die mangelnde Charakterentwicklung aller übriger Personen wirkt sich insbesondere beim Finale aus, bei dem Regisseur James Wan ein regelrechtes Gemetzel veranstaltet, das sich inhaltlich am ehesten dadurch erklären lässt, dass die unzähligen, beteiligten Polizistinnen und Polizisten allesamt miserable Schützen sind. Vor allem aber löst dieses im Grunde erschreckende und bedrohliche Szenario beim Publikum nicht wirklich etwas aus. Die Wirkung verpufft ebenso in den letzten Einstellungen des Films, in denen man sich fragt, ob die tragende Figur in ihrer Entwicklung irgendwo angekommen sein soll.

So inhaltlich unausgegoren dies ist, so unumstritten fantastisch ist es handwerklich umgesetzt. Malignant ist ein herausragend fotografierter Film. Die Bildauswahl, die Szenenkomposition, Licht und Schatten sowie die Beleuchtung insgesamt, sind schlicht fantastisch. Hinzu kommen Kamerafahrten und Perspektiven, die so exzellent ausgesucht sind, dass man sie im Grunde als Standbild ausdrucken und ausstellen könnte. Seine Schreckmomente konstruiert Wan dabei insbesondere in den ersten beiden Dritteln spürbar mehr aus den unheimlichen Situationen heraus, während die Erzählung zunehmend zu einem Fest für Splatterfans gerät. Auch das ist tadellos gemacht – nur eben nicht wirklich packend. Abgesehen von der grundlegenden Atmosphäre ist Malignant für einen Horrorfilm zu wenig spannend, was auch an vielen Klischees liegen mag, die sich hier wiederfinden. Von Jahrzehnte alten Videobändern, die abgespielt werden, bis hin zu nächtlichen Besuchen in einem seit langer Zeit verlassenen (aber offenbar frei begehbaren) Forschungskrankenhaus, in dem selbstverständlich noch Patientenakten schlummern.

Dies könnte man, ebenso wie den alptraumhaften Mörder, durchaus akzeptieren, wäre sich Malignant der altbekannten Versatzstücke wenigstens wohl bewusst. Doch Wan stellt all dies mit einer Selbstüberzeugung und Ernsthaftigkeit vor, dass man spätestens, wenn sich der Täter an Madison wendet und sich ständig erklärt, nicht weiß, ob dies lustig sein soll, oder es unfreiwillig trotzdem ist. Ähnlich verhält es sich mit Figuren, die kurz bevor sie sich in einen Kampf stürzen, aus dem Off noch einen „coolen“ Spruch absetzen. Diese Elemente erscheinen so abgegriffen, das Vieles von der erstklassigen Präsentation regelrecht ins Leere läuft.


Fazit:
Wäre Malignant vor 30 Jahren erschienen, es wäre ein hochkarätiger, später Vertreter der zahlreichen Horror-Thriller der 1980er-Jahre gewesen. Doch nachdem Mysteryserien zuhauf eben solche Geschichten wieder und wieder verarbeitet haben, erscheint eine zwei Stunden dauernde Erzählung von altbekannten Genreelementen vor allem eines: Zu lang. Dabei gibt es an der Umsetzung nichts zu bemängeln, ganz im Gegenteil. Die Optik ist eine Wucht, mit spürbar Finesse und Überlegung ausgesucht, während die musikalische Untermalung von Joseph Bishara mit den teils untypisch aggressiven Themen wenigstens ein Alleinstellungsmerkmal ist. Doch ist das von Regisseur James Wan so ernst dargebracht, dass die absehbare Story, die sich viel schlauer und unvorhersehbarer glaubt, als sie ist, und die übertriebenen Facetten zum Teil an den falschen Stellen zum Lachen anregen. Nach einem unheimlichen Beginn, der einen stimmungsvollen Psychothriller mit übernatürlichen Aspekten verheißt, schlägt das Drehbuch nach der Hälfte die Richtung von B-Filmen einer vergangenen Ära ein. Das letzte Drittel ist dann für Fans von blutiger Horror-Unterhaltung die reinste Achterbahnfahrt. Die Schwierigkeit ist nur, wenn man schon viele Achterbahnen gefahren ist, bringt einen eine mit bekannten Passagen nicht mehr zum Kreischen. Ganz egal, wie schön sie angemalt ist.