Tiny World – Staffel 1 [2020]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. April 2021
Genre: Dokumentation

Originaltitel: Tiny World
Laufzeit: 185 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2020
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Sam Hume, Robert Wilcox, Andrew Moorwood, Lucy Wells, Ed Watkins, Alex Ranken
Musik: Benjamin Wallfisch, Chris Egan
Erzähler: Paul Rudd (Englische Fassung), Markus Pfeiffer (Deutsche Fassung)


Hintergrund:

Von der Savanne Afrikas über den Dschungel, die Karibik, das australische Outback, bis hin zum heimischen Wald und dem eigenen Garten, bevölkern nicht nur die großen, majestätischen Tiere unsere Welt, die es zumeist auf die Nationalwappen der Länder zu sehen gibt, sondern auch winzig-kleine Helden, die auf Grund ihrer Körpergröße im Alltag ganz eigene Herausforderungen zu bewältigen haben. Die Dokumentationsserie widmet sich diesen meist wenig beachteten Lebenskünstlern, die ganz unterschiedliche Wege gefunden haben, sich in dieser unwahrscheinlich großen Welt zu behaupten. Überlebensgroß in Szene gesetzt, stecken ihre Geschichten voller Überraschungen und wahrer Heldentaten.


Kritik:
Die Dokumentationsserie Tiny World, verfügbar beim Streaming-Anbieter Apple TV+, erzählt von winzigen Helden und kleinen Monstern, die beim Blick auf die mannigfaltige Tierwelt leicht übersehen werden können. Dass als Erzähler niemand geringeres als Paul Rudd fungiert, der als Marvel-Held Ant-Man [2015] zuletzt große Abenteuer in winziger Form bestritt, beweist den Humor der Verantwortlichen. Sogar die deutsche Synchronstimme von Markus Pfeiffer wurde passend gewählt. Die spektakulären Aufnahmen, die den Machern um Serienerfinder Tom Hugh-Jones gelungen sind, stehen dabei für sich, selbst wenn die sechs kurzen Episoden der ersten Staffel kaum neue Akzente im Genre setzen.

Von der Ausgangslage her, die kleinsten der Kleinen groß in Szene zu setzen, mag Tiny World an den preisgekrönten Dokumentarfilm Mikrokosmos – Das Volk der Gräser [1996] erinnern, doch während jener Film einen speziellen Bereich beleuchtete, ist die Apple TV+-Serie breiter aufgestellt. In sechs einzelnen Folgen widmen sich die Verantwortlichen den großen kleinen Helden in der Savanne, im Dschungel, der Karibik, dem australischen Outback, dem Wald und dem heimischen Garten. Mit unvorstellbar putzigen Tierchen wie dem Rüsselspringer, dem Erdbeerfröschchen oder dem kleinsten Affen der Welt, dem Zwergseidenäffchen, ist den Machern die Sympathie des Publikums gewiss. Sie verpacken die einzelnen Folgen in positive Geschichten, eine fröhliche und inspirierende Erzählung, in der immer wieder betont wird, wie schwer es die Kleinen haben, sich in dieser Welt zu behaupten und welch einzigartige Fähigkeiten sie daher entwickelt haben.

Das anzusehen ist ebenso unterhaltsam wie erfreulich. Während viele Dokumentationen die Auswirkung des Menschen auf die Natur untermauern und die Gefährdung der einzelnen Lebensräume herausstellen, finden sich solche anklagenden Punkte hier kaum. Was zweifelsohne ein Versäumnis darstellt, öffnet die Dokumentationsreihe mit ihrer stylischen Inszenierung, den vielen Kamerafahrten und Zooms, den ungewohnten Perspektiven und den fantastischen Zeitlupenaufnahmen jedoch auch einem jungen Publikum. So vergehen die kurzweiligen 30 Minuten buchstäblich wie im Flug, selbst wenn die Erzählungen grundsätzlich jeweils gleich strukturiert sind. Neben außergewöhnlich anmutenden Helden wie dem Kurzkopfgleitbeutler werden auch hier heimische Tierarten wie der europäische Feldhamster vorgestellt und ihr Lebensraum beleuchtet. Das klingt im ersten Moment deutlich weniger spektakulär, ist jedoch ebenso gelungen in Szene gesetzt. Vor allem unterstreicht es den Ansatz von Tiny World, sich nicht auf ein Gebiet zu beschränken.

Welch ein Aufwand hinter einer solchen Produktion steckt, die sogar sandkorngroße Insekten bildschirmfüllend präsentiert, lässt sich nur erahnen. Für die knapp drei Stunden der Dokumentationen waren 20 Drehteams ein Jahr im Einsatz und haben Filmmaterial um Umfang von weit über vier Monaten gedreht. Lohn der Mühe sind einzigartige Aufnahmen, die länger nachwirken, als man sich auf den ersten Blick eingestehen würde. Doch lassen die verschiedenen Geschichten oftmals einen unmittelbaren Zusammenhang vermissen. So zeigen die Macher zwar den täglichen Kampf der einzelnen Spezies, nur selten jedoch, wie diese in das gesamte Ökosystem eingebunden sind. Dies ergibt am Ende jeweils einen sehr eingeschränkten Blick auf die winzigen Helden und in Anbetracht der allgemeinen Informationen, die die Macher von Tiny World ihrem Publikum mit auf den Weg geben, fällt es letztlich schwer, besonders erinnernswerte Momente im Nachhinein herauszustellen.

Das bedeutet nicht, dass die erste Staffel der Dokumentationsreihe nicht sehenswert wäre, ganz im Gegenteil. Die farbenfrohen und flott inszenierten Aufnahmen sind nicht nur leicht zugänglich, sondern bedeutend unterhaltsamer zusammengestellt, als es bei vielen anderen Dokumentationen der Fall ist. Sieht man sich im Vergleich hierzu jedoch andere Doku-Serien wie die von Netflix vertriebene Unser Planet [2019] an, hat Tiny World spürbar das Nachsehen. Nicht was den dahinterstehenden Aufwand betrifft, sondern schlicht den inhaltlichen Mehrwert.


Fazit:
Nur bei wenigen der winzigen Helden, mit denen sich die Dokumentationsreihe beschäftigt, bekommt das Publikum letztendlich einen umfassenden Eindruck vermittelt, welchen Herausforderungen sich diese Tiere im Alltag gegenübersehen und wie das gesamte Ökosystem dort gestaltet ist, wo sie heimisch sind. Dafür ist der Blick auf die einzelnen Spezies zu eng und beschäftigt sich nicht mit dem Werdegang der Tiere insgesamt, sondern in der Regel nur mit einem Aspekt ihres Lebens. Für viele mag dies kein Kritikpunkt darstellen, doch nur bei einem umfassenden Blick lässt sich einordnen, welchen Widrigkeiten diese Tiere durch die Handlungen von uns Menschen gegenüberstehen werden. Insofern mangelt es den einzelnen Folgen merklich an inhaltlichem Tiefgang. Den gleichen die Macher in Tiny World durch eine flotte Inszenierung und eine kurzweilige Erzählung aus, die zusammen mit den beeindruckenden wie teils schlicht atemberaubenden, farbenfrohen Aufnahmen zu gefallen wissen. Als umfassender Blick auf das Leben der Titel prägenden kleinen Helden ist das kaum geeignet, aber es ergänzt andere Dokumentationen und bereits bekannte Details auf gelungene Weise und stellt zweifelsfrei einen sehenswerten Einstand dar, diese oft übersehenen Kreaturen unserer Welt kennenzulernen.