Der Geist und die Dunkelheit [1996]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. Oktober 2020
Genre:Unterhaltung / Thriller

Originaltitel: The Ghost and the Darkness
Laufzeit: 110 min.
Produktionsland: Deutschland / USA
Produktionsjahr: 1996
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Stephen Hopkins
Musik: Jerry Goldsmith
Besetzung: Val Kilmer, Michael Douglas, John Kani, Bernard Hill, Brian McCardie, Emily Mortimer, Tom Wilkinson, Om Puri, Henry Cele


Kurzinhalt:

Ende des 19. Jahrhunderts ist das Rennen der Kolonialmächte um den afrikanischen Kontinent in vollem Gange. Entscheidend für die Erschließung der weiten Fläche ist die Eisenbahn. Im Zuge dessen soll der britische Militäringenieur Colonel John Henry Patterson (Val Kilmer) in Tsavo eine Brücke bauen. Sir Beaumont (Tom Wilkinson) erteilt ihm den Auftrag und stimmt ihn auf ein schwieriges Projekt ein. Vor Ort trifft Patterson seinen Assistenten Starling (Brian McCardie) sowie den Verbindungsmann Samuel (John Kani), der als Bindeglied zwischen den Briten und den teils ansässigen Arbeitern fungiert. Der desillusionierte Dr. Hawthorne (Bernard Hill) leitet das Lazarett vor Ort. Die ersten Erfolge verkehren sich schnell ins Gegenteil, als das Lager regelmäßig von Löwen angegriffen wird, die zahlreiche Arbeiter töten. Als es Patterson nicht gelingt, der Lage Herr zu werden und die Arbeiter an der Flucht zu hindern, erhält er Hilfe vom erfahrenen Jäger Charles Remington (Michael Douglas). Doch auch er muss eingestehen, dass sich diese Löwen nicht wie Löwen verhalten …


Kritik:
Basierend auf dem Buch von Colonel John Henry Patterson Die Menschenfresser von Tsavo [1907] erzählt Filmemacher Stephen Hopkins eine ausgeschmückte und fiktionalisierte Variante eines Kampfes Mann gegen Natur. Auch wenn Der Geist und die Dunkelheit ebenso wenig mit der Vision des Regisseurs gemein hat, wie mit den wahren Hintergründen der Geschichte, gelingt ihm nichtsdestotrotz ein überaus unterhaltsames und stellenweise packendes Abenteuer mit einer greifbaren Atmosphäre.

Es ist das Jahr 1898, als Colonel Patterson von Sir Robert Beaumont den Auftrag erhält, in Ostafrika eine Eisenbahnbrücke zu bauen. Nach zurückliegenden Verzögerungen soll Patterson das Projekt wieder auf die Erfolgsspur führen. Gelingt ihm dies zu Beginn auch dank seines Verbindungsmannes Samuel vor Ort, gerät die Situation zunehmend außer Kontrolle, als Löwen die Baustelle angreifen und immer mehr Arbeiter den Tieren zum Opfer fallen. Was immer die Raubtiere dazu bewogen haben mag, sich Menschen als Beute auszusuchen, die Mythen, die sich im Nu um die Menschenfresser ranken, gefährden den Baufortschritt. Nachdem zahlreiche Versuche, die Tiere zu erlegen, scheitern, hofft Patterson auf die Hilfe des erfahrenen Jägers Charles Remington.

Dass Der Geist und die Dunkelheit im Grunde nicht viel mehr ist als eine Abwandlung von Der weiße Hai [1975], angesiedelt in Afrika anstatt auf dem Meer und mit Löwen an Stelle eines Hais, ist kein wirklicher Vorwurf. Michael Douglas nimmt ganz offensichtlich eine ähnliche Rolle ein wie Robert Shaw in Steven Spielbergs Genreklassiker. Ein Kritikpunkt ist jedoch, wie wenig Regisseur Hopkins aus der Idee letztendlich zu machen versteht. Diese Aussage sollte man jedoch in den entsprechenden Kontext setzen, selbst wenn er am letztendlichen Film nichts ändert. Stephen Hopkins äußerte sich in Interviews wenige Jahre nach Veröffentlichung, dass er den Film selbst nicht ansehen könne, er sei ein „Schlamassel“. Ein Grund hierfür wird sein, dass er als Regisseur bedeutend weniger Freiheiten hatte, als man gemeinhin vermuten würde. Als gleichzeitiger Produzent überstimmte Michael Douglas bestimmte Entscheidungen und setzte sich entgegen Hopkins’ Wunsch als einer der Hauptdarsteller ein. Es mag auch erklären, weswegen er im Abspann zuerst genannt wird, obwohl er erst 45 Minuten nach Beginn zum ersten Mal auftritt. Auch habe Douglas eine Dreiviertelstunde aus der Wunschfassung des Filmemachers herausgenommen und den Film am Ende neu geschnitten. Dass der eigentliche Hauptdarsteller Val Kilmer zuvor in endlose Dreharbeiten bei D.N.A. - Experiment des Wahnsinns [1996] verwickelt war und jener Film zusammen mit seiner Scheidung ein wahres PR-Desaster darstellten, stellte diese Produktion unter keinen guten Stern.

Es erklärt jedoch in gewisser Weise, weswegen es hier einige Elemente gibt, die scheinbar nirgendwo hinführen. Figuren wie die Arbeiter Mahina oder Abdullah, die kaum etwas zu tun bekommen, oder dass der ohnehin fiktive Charakter Remington ohne weitere Erklärung aus dem Film geschrieben wird. Es überrascht beim Zusehen auch, dass zuerst von einigen wenigen Opfern der Löwenangriffe zu hören ist und unmittelbar danach die Zahlen deutlich höher sind. Doch was Der Geist und die Dunkelheit in dieser Beziehung vermissen lässt, macht der Film durch seine gelungene Atmosphäre und die teils abenteuerlichen Szenenaufbauten wieder wett. Nicht zuletzt die fantastische Musik von Jerry Goldsmith sorgt zusammen mit der Landschaft und der beinahe greifbar schwülen Hitze für eine passende Stimmung. Hinzu kommen die nicht nur verblüffenden, sondern teils geradezu beängstigenden Aufnahmen der Löwen. Anstatt sich wie heutzutage auf offensichtliche Trickeffekte zu verlassen, nutzt Hopkins wohl überlegte Perspektiven und abgestimmte Schnittwechsel, um die Darsteller in die gefährlichen Situationen zu versetzen. Damit unterliegt er mitunter zwar Beschränkungen, so dass Manches eher angedeutet als gezeigt werden kann, doch sieht das am Ende überzeugender aus, als Vieles, was es heute zu sehen gibt.


Fazit:
Nicht nur, dass die Geschichte um einen Brückenbau, bei dem sich die Arbeiter gegen angreifende Löwen wehren müssen, spannend und abenteuerreich klingt, sie basiert in diesem Fall zumindest in Teilen auf Tatsachen. Weswegen es die Macher jedoch für erforderlich erachten, eine Figur wie Charles Remington künstlich in die Geschichte zu schreiben, wenn der Charakter am Ende nicht gebührend entwickelt wird, verstehe wer will. Auch fallen Figuren und Storypunkte auf, die letztlich nicht weiter verfolgt werden. Der Grund hierfür mag der komplizierte Entstehungsprozess sein, es ändert jedoch am Film selbst nichts. Stellenweise durchaus packend, fehlt dennoch das Tempo, das Stephen Hopkins’ Predator 2 [1990] auszeichnete. Für sich genommen und erwartet man keine historisch korrekte Nacherzählung, ist Der Geist und die Dunkelheit ein solide gespielter, handwerklich insbesondere in den Momenten mit den Löwen eindrucksvoll gemachter Abenteuerfilm, der die Hitze Afrikas ebenso gut einfängt wie den Überlebenskampf Mensch gegen Natur. Wer ein solch unterhaltsames Filmerlebnis erwartet, wird nicht enttäuscht.