Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes [2018]
Wertung: |
Kritik von Jens Adrian |
Hinzugefügt am 5. Juni 2018
Genre: Dokumentation / BiografieOriginaltitel: Pope Francis: A Man of His Word
Laufzeit: 96 min.
Produktionsland: Schweiz / Staat Vatikanstadt / Italien / Deutschland / Frankreich
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung
Regie: Wim Wenders
Musik: Laurent Petitgand
Personen: Papst Franziskus (Jorge Mario Bergoglio), Joe Biden, Paul Ryan, Recep Tayyip Erdoğan, John Kerry, Angela Merkel, Barack Obama, Shimon Peres, Vladimir Putin, Donald J. Trump, Melania Trump, Wim Wenders
Hintergrund:
Filmemacher Wim Wenders lässt das Oberhaupt der katholischen Kirche, Papst Franziskus, in vier exklusiven Interviews zu Wort kommen und stellt das Wirken des als progressiv geltenden Geistlichen in seiner bisher fünfjährigen Amtszeit vor. Dabei offenbart der Papst Einblicke in seine Ängste und Befürchtungen, aber auch seine Überzeugungen und Hoffnungen. Mit Aufnahmen aus den Archiven des Vatikans beschreibt der Dokumentarfilmer, weshalb dieser Papst, der sich unmittelbar an politische Führer rund um den Globus wendet, ein Mannes seines Wortes ist.
Kritik:
Als der in Argentinien geborene Jorge Mario Bergoglio im Jahr 2013 zum 266. Papst gewählt wurde, schien für die katholische Kirche ein neues Zeitalter anzubrechen. Nicht nur, dass er der erste Papst war, der den Namen Franziskus wählte, nach dem Heiligen Franz von Assisi, er war der erste Papst der südlichen Hemisphäre und der erste vom amerikanischen Kontinent. In der Dokumentation Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes lässt Filmemacher Wim Wenders das Oberhaupt des katholischen Christentums zu Wort kommen und stellt seine teils nicht nur für Machthaber auf der Welt, sondern auch für die eigenen Glaubensbrüder und -schwestern unbequemen Ansichten vor. Dabei fängt er zwar die Ausstrahlung dieses als fortschrittlich geltenden Papstes ein, doch an einer tatsächlichen Dokumentation über die Person scheint er nicht interessiert.
Angeregt und unterstützt durch den Vatikan selbst, fängt Regisseur Wenders den Papst in insgesamt vier Interviews an unterschiedlichen Orten des Vatikans ein. Statt sich mit dem Dokumentarfilmer als Gesprächspartner zu unterhalten, richtet sich der Papst unmittelbar und auf Augenhöhe an die Kamera und somit das Publikum selbst. Ohne dass ihm Fragen gestellt werden, erzählt er von seinen Ansichten, Sorgen und Überzeugungen zu den unterschiedlichsten Themen. Untermauert und strukturiert wird dies durch Aufnahmen aus den Archiven des Vatikans, die den Papst bei seinen vielen Reisen rund um den Globus begleiten. Um die Bedeutung der Namenswahl des Papstes zu verdeutlichen, zeigt Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes zusätzlich nachgespielte Szenen, wie sie aus dem Leben Franz von Assisi überliefert sind.
Hört man diesen Mann von seinen Idealen, Vorstellungen, Wünschen und Hoffnungen wie auch Ängsten sprechen, dann offenbart er eine nahbare Faszination. Dass er unvermittelt zur Kamera spricht, verstärkt den Eindruck, als würde er sich direkt an einen selbst wenden, auf eine persönliche Art und Weise. Das unverfälschte und greifbare Auftreten offenbart ein Charisma, das unabhängig des eigenen Glaubens wirkt und fesselt. Seine Aussagen, dass Jesus Christus nicht in einer reichen Kirche zuhause sein kann, dass „Armut […] im Zentrum des Evangeliums“ steht, sind überaus mutig. Als ein Papst, der in den brasilianischen Favelas, den Armenvierteln, zu den Menschen dort spricht, der Gefangenen die Füße wäscht, hebt er sich von seinen Vorgängern merklich ab und wirkt umso mehr wie ein Mann des Volkes.
Die Bilder, die Regisseur Wenders von der angeleuchteten Fassade des Petersdoms bei der „Laudato Si“ des Papstes zum Klimawandel oder aus den vielen kunstvollen Hallen des Vatikans präsentiert, sind unbeschreiblich und atemberaubend. Aber sie täuschen nur bedingt darüber hinweg, dass die Dokumentation vollkommen vermissen lässt ist, wie aus Jorge Mario Bergoglio Papst Franziskus wurde – nicht bezogen auf seinen „beruflichen“ Werdegang, sondern seine persönliche Entwicklung. Auch fehlen Einblicke, wie – und ob überhaupt – es ihm gelingt, seine Ideale alltäglich zu leben. Immerhin spricht er davon, dass eine Welt, die Frauen mit ihren grundlegend unterschiedlichen Visionen zu denen der Männer nicht mitgestalten, sich nicht weiterentwickeln kann und damit auch Frauen in Führungspositionen benötigt werden. Aber dass ausgerechnet in der katholischen Kirche selbst Frauen von allen tragenden Ämtern kategorisch ausgeschlossen werden, wird nicht thematisiert. Ungeachtet der direkten Ansprache durch die Erzählungen von Papst Franziskus unmittelbar in die Kamera, entsteht kein Dialog und es gibt keine kritischen Nachfragen. Dadurch erweckt Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes streckenweise den Eindruck einer Werbesendung, ohne berechtigte Kritik, die für eine Veränderung notwendig wäre, überhaupt zu äußern.
Viele Wegstationen der erst fünfjährigen Amtszeit des Papstes auf dem Heiligen Stuhl werden gezeigt, die verdeutlichen, dass dies auch ein politischer Papst ist, der sich bewusst und mit überlegten (und nicht immer beliebten) Äußerungen einmischt. Das zu sehen ist durchaus interessant, aber nicht bedeutend aufschlussreicher als bisherige Berichte über Papst Franziskus. Laut Filmemacher Wim Wenders war die erste Fassung der Dokumentation mit den Interviews bedeutend länger. Hiervon mehr zu sehen, wäre auch interessanter als die unnötigen, nachgespielten Szenen aus dem Leben Franz von Assisis. Dass die Titel gebende Person im Zentrum von Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes steht, wird schnell deutlich. Nur hat man danach nicht wirklich das Gefühl, mehr über ihn zu wissen, als durch seine öffentlichen Äußerungen im Vorfeld.
Fazit:
Sieht man die überaus passive Kongregation der Bischöfe dem existentielle Fragen aufwerfenden Papst gegenübersitzen, dann stellt sich die Frage, wie viel allein die Bemerkungen und Worte dieses einzelnen Mannes bewirken können. Antworten auf die Fragen, wie und wie weit er die Kirche tatsächlich vorangebracht hat, bleibt Regisseur Wim Wenders bedauerlicherweise schuldig. Laut ihm ist Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes kein Film über, sondern mit ihm, was erklärt, weshalb man über den beruflichen oder persönlichen Werdegang jenes Mannes kaum etwas erfährt. Allerdings wäre ein Blick auf diese öffentliche Figur mit Interviews anderer über ihn ebenso interessant, wie ausschließlich seine Gedanken zu hören. Wie er tatsächlich ein „Mann seines Wortes“ ist, seine Äußerungen also persönlich umsetzt, dazu gewährt der Film erstaunlich wenige Einblicke und eignet sich als Porträt daher nur bedingt. Das bedeutet nicht, dass die Ansichten und Überzeugungen von Jorge Mario Bergoglio nicht wie eine leuchtende Fackel in einer dunklen Welt strahlen. Aber sie brechen mehr das enge Korsett egozentrischer Glaubensansichten auf, als dass sie Außenstehende dazu bekehren. Wer auf neue Einblicke hofft, wird also enttäuscht werden, aber das schmälert nicht die Faszination, die dieser Papst als Leitfigur ausstrahlt und der hier greifbarer als je zuvor erscheint.