Avengers: Infinity War [2018]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. April 2018
Genre: Action / Fantasy / Thriller

Originaltitel: Avengers: Infinity War
Laufzeit: 156 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Anthony Russo, Joe Russo
Musik: Alan Silvestri
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Hemsworth, Chris Evans, Benedict Cumberbatch, Scarlett Johansson, Mark Ruffalo, Tom Holland, Elizabeth Olsen, Josh Brolin, Paul Bettany, Chadwick Boseman, Chris Pratt, Zoe Saldana, Dave Bautista, Pom Klementieff, Vin Diesel, Benicio Del Toro, Bradley Cooper, Gwyneth Paltrow, Don Cheadle, Anthony Mackie


Kurzinhalt:

Auf seinem Kreuzzug, das Universum ins Gleichgewicht zu bringen, ist das mächtige Wesen Thanos (Josh Brolin) bereit, die Hälfte der Geschöpfe darin zu vernichten. Hierfür benötigt er – ungeachtet seiner ihm ergebenen Armee und einer Feuerkraft, der sich nichts und niemand in den Weg stellen kann – die sechs Infinity-Steine, die ihm eine unvorstellbare Macht verleihen. Seit langer Zeit auf der Suche nach ihnen, fegt er Thor (Chris Hemsworth) und dessen Schiff aus dem Weltall und macht sich auf den Weg zur Erde, wo sowohl Doctor Strange (Benedict Cumberbatch) als auch Vision (Paul Bettany) je einen Stein besitzen. Als Thanos’ Truppen auf der Erde erscheinen, stellt sich Tony Stark (Robert Downey Jr.) als Iron Man ihnen zusammen mit Strange und Spider-Man (Tom Holland) in den Weg. Aber wenn es gelingen soll, den schier allmächtigen Thanos zu besiegen und das Universum vor seinem zerstörerischen Plan zu retten, müssen alle Avengers, die sich zum Teil um Captain America (Chris Evans) abgespalten und versammelt haben, zusammenkommen. Dabei sind sie auch auf die Hilfe der „Guardians of the Galaxy“ um Peter Quill (Chris Pratt) angewiesen, der Thanos’ Tochter Gamora (Zoe Saldana) ein unerfüllbares Versprechen geben muss …


Kritik:
Wie bei den bisherigen Avengers-Filmen zuvor – und zugegebenermaßen beinahe allen „normalen“ Superhelden-Abenteuern – steht bei Avengers: Infinity War nichts Geringeres als das Schicksal der Erde bzw. des ganzes Universums auf dem Spiel. Das jüngste Treffen der größten Comic-Ikonen soll dabei das atemberaubendste von allen sein und stellt den Höhepunkt eines Jahrzehnts an Geschichtenerzählen aus dem Hause Marvel dar, vorbereitet durch ein engmaschig verwobenes Netz aus einzelstehenden Filmen und gemeinsamen Abenteuern. Der Anspruch ist entsprechend hoch, wohl nur übertroffen von den Erwartungen des Publikums. Umso erstaunlicher ist, wie scheinbar mühelos den Regisseuren Anthony und Joe Russo hier das Kunststück gelingt, die Zuschauerinnen und Zuschauer nach unzähligen Stunden in diesem „Marvel Cinematic Universe“ (MCU) und angesichts einer schier unüberschaubaren Anzahl an Figuren, trotz allem zu überraschen.

Dass der lange angekündigte Auftritt des größten Schurken des MCU, Thanos, dessen Präsenz immer wieder angedeutet und von dem regelmäßig gesprochen wurde, die Welt der Avengers-Truppe aus den Angeln heben würde, war dabei abzusehen. Betrachtet man allein den Auftakt-Teaser, der mit einem Kampf zwischen Thanos, dessen mächtigen Kriegern, sowie Thor, Hulk und Loki beginnt, dann fragt man sich allerdings, wie es noch schlimmer kommen soll. Bereits die ersten 20 Minuten des mehr als zweieinhalb Stunden dauernden Action-Spektakels sind aufwändiger, als manche Hollywood-Produktionen über ihre gesamte Laufzeit. Und sie verdeutlichen eines: Es kann und wird noch deutlich schlimmer für die beliebten Helden werden.

Nach dem ebenso überraschend wie gelungen leichtfüßigen Thor: Tag der Entscheidung [2017] findet die Story einen tödlichen Ernst, der Infinity War bis zum Schluss begleiten wird. Dennoch gelingt es dem Skript, mit vielen absurden Momenten und schnippischen Dialogen, eine Balance zwischen Ernst und Humor zu finden, wie bereits die frühe Sequenz zwischen Tony Stark und Doctor Strange zeigt. Eine Frage, die Fans durchaus beschäftigt hat ist, wie die Filmemacher die weit versprengte Gruppe der Avengers, die nun um eben Strange und auch die Guardians of the Galaxy angewachsen ist, zusammenführen würden. Die Art wie dies geschieht, verknüpft auf gelungene wie komplexe Weise zehn Jahre an MCU-Historie, dass wer hier nicht sattelfest ist, das Gezeigte vielleicht akzeptiert, aber nicht verstehen wird.

Dass Avengers: Infinity War auf Grund der Anzahl an Figuren keine Zeit bleibt, ihren Werdegang nochmals vorzustellen, ist verständlich, immerhin werden die Avengers ständig in die Defensive gedrängt und müssen sich verteidigen. Der Comic-Film ist insoweit eine Aneinanderreihung fulminanter Action-Sequenzen, deren Übergänge sich nur einem in dem Universum versierten Publikum vollends erschließen werden. Das ist zwar mit halsbrecherischem Tempo erzählt, was aber bereits bei der Konfrontation mit Scarlet Witch und Vision gegen Thanos’ Schergen auffällt ist, dass das Drehbuch die Zivilisten aus der Gleichung nimmt. Ehe die Story ohnehin einen Weg findet, die menschlichen Verluste (vorerst) auf ein Minimum zu begrenzen, zeigt der Film eine Welt, in der alles kaputt gehen kann, aber niemand unbeteiligtes verletzt wird.

Dass die Figuren der Guardians einen bedeutend größeren Teil der Geschichte einnehmen, als man zunächst erwarten würde, ist dabei nur folgerichtig, wenn man bedenkt, dass Thanos Gamoras Vater ist. Das Drehbuch bemüht sich merklich, den „neuen“ Figuren, wie auch Doctor Strange, Zeit einzuräumen und mit Charaktermomenten dafür zu sorgen, dass sie alle Teil der Avengers-Familie werden und sie nicht auszuschließen.
Handwerklich ist das durchweg erstklassig umgesetzt und auch die Action-Höhepunkte sind mitreißend inszeniert. Erst beim Finale fallen die Regisseure Anthony und Joe Russo in den bereits aus The First Avenger: Civil War [2016] bekannten hektischen Schnitt zurück, der jedoch nicht so stark ins Gewicht fällt. Die Trickeffekte sind grandios und das nicht nur angesichts der schieren Menge.

Es gelingt Avengers: Infinity War unerwartet gut, die Unzahl an Charakteren zur Geltung kommen zu lassen und ihnen auch etwas zu tun zu geben. So vergehen die zweieinhalb Stunden beinahe wie im Flug, schlicht, weil so viel an so vielen Fronten geschieht, selbst wenn die Story immer nach demselben Schema abläuft: Die jeweiligen Avengers kommen irgendwo an, dann treffen Thanos oder seine Truppen ein und es beginnt ein Kampf.
Thanos’ Story, der das Universum in eine Balance bringen möchte, weil es auf Grund der Überbevölkerung und der erschöpften Ressourcen ansonsten dem Untergang geweiht ist, indem er die Hälfte der Wesen darin vernichtet, hat zwar durchaus Parallelen zu den Problemen unserer kleinen Welt, doch ist Infinity War im Gegensatz zu Black Panther [2018] kein merklich politischer Film.

Avengers: Infinity War ist ein insbesondere für Fans und Kenner der Marvel-Comic-Reihe mitreißend erzähltes, perfekt gemachtes und groß angelegtes Superhelden-Abenteuer. Ungeachtet des Einspielergebnisses, das sicherlich alle bisherigen Einträge des MCU in den Schatten stellen wird, sei eine Prophezeiung gewagt: Kaum jemand, der hier als Zuschauer mitgefiebert und mitgelitten hat, wird sich die Fortsetzung der Geschichte nicht am ersten Wochenende anschauen wollen, wenn sie in einem Jahr auf der großen Leinwand zu sehen sein wird. Dafür ist die Anspannung am Ende schlicht zu groß. Denn es geht um mehr als „nur“ die Zukunft des Universums – es geht um das Schicksal dieser Figuren und ihren schier aussichtslosen Kampf ums Überleben. Dass dies im Zentrum einer packenden Story stehen sollte, haben die Macher richtigerweise erkannt und sie machen das Beste daraus.


Fazit:
Wer den Avengers sowohl in ihren einzelnen als auch gemeinsamen Abenteuern bislang gefolgt ist, muss hier mitansehen, wie es um die Helden des MCU von Minute zu Minute schlimmer bestellt ist, bis man sich zu Recht fragt, wie Thanos denn noch aufgehalten werden soll. Es zahlt sich für die Filmemacher um Produzent Kevin Feige aus, so viel Zeit in diese Charaktere investiert zu haben, da gerade deshalb ihr Schicksal hier interessiert, selbst wenn es sich blitzschnell entscheidet. Sogar die weniger prominenten Figuren erhalten hier ihren Auftritt und werden wichtig, ebenso wie viele Orte und Planeten, die bereits einmal vorgestellt worden waren. Ungeachtet der beeindruckend eingefangenen Zerstörung und der persönlichen, schmerzvollen Verluste, findet Infinity War viele lockere, humorvolle Momente, die aber nicht den Ernst untergraben, oder vergessen lassen, was hier auf dem Spiel steht. Je näher das Finale rückt, umso größer werden die Schlachten und das Inferno, auch wenn man das mitunter kaum für möglich halten mag. Die Bilder und Perspektiven sind schlicht hervorragend und der Film für Fans mitreißend erzählt, trotz seiner Laufzeit. Dabei gibt es Momente und Storywendungen, die so unerwartet kommen, dass selbst das Publikum, das die Helden für gewöhnlich anfeuert und jubelt, hier ehrfürchtig verstummt und die Luft anhält. Heitern die meisten Marvel-Filme die Zuseherinnen und Zuseher zumindest am Ende auf, werden nicht wenige Fans geschockt während des Abspanns sitzen bleiben, in der Hoffnung auf einen Ausblick, ein Licht am Ende des Tunnels mit einer Szene nach den Credits. Ob sich das Warten lohnt, müssen sie aber selbst herausfinden.

Ist Avengers: Infinity War das größte Superhelden-Spektakel aller Zeiten? Nun ja, es ist zumindest das größte bis jetzt. Wohin die Reise von hier aus geht, ist völlig offen. Nur weniger wird sicherlich nicht auf dem Spiel stehen.