The King - Mit Elvis durch Amerika [2017]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 5. April 2018
Genre: Dokumentation

Originaltitel: Promised Land
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: Deutschland / USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Eugene Jarecki
Musik: Antony Genn, Robert Miller, Martin Slattery
Personen: Ethan Hawke, Ashton Kutcher, Alec Baldwin, Chuck D, Mike Myers, Dan Rather, James Carville, Emmylou Harris, Public Enemy, Lana Del Ray, The Handsome Family, Emi Sunshine and the Rain, John Hiatt, M. Ward, Immortal Technique, Loveful Heights


Hintergrund:

Beinahe vier Jahrzehnte nach seinem Tod ist der Mythos von Elvis Aaron Presley ungebrochen. Zeit seines Lebens insbesondere von weiblichen Fans bewundert, wird der King des Rock and Roll bis heute rund um den Globus verehrt. Regisseur Eugene Jarecki macht sich im Jahr eines schicksalshaften und beispiellosen Präsidentschaftswahlkampfes in den USA in Elvis Presleys eigenem Rolls Royce quer durch Nordamerika auf, das Land und die Menschen, die darin wohnen zu erleben. Sein Road-Trip führt ihn durch die Südstaaten und von New York bis nach Las Vegas, den Wegstationen des King folgend und mit teils prominenten Mitreisenden. Dabei findet er Parallelen im Aufstieg und Fall des legendären Rock and Roll Musikers mit dem Wandel der amerikanischen Gesellschaft an sich. Denn so wie Elvis selbst Opfer seines Erfolges wurde, wandelte sich das Land der Freiheit und der Demokratie zu einer 24-stündigen Realityshow, in der Geld wichtiger ist als die Menschen …


Kritik:
In seiner ungewöhnlichen Dokumentation The King - Mit Elvis durch Amerika versucht Filmemacher Eugene Jarecki, sich dem Mythos Elvis Presley, etwas mehr als 40 Jahre nach dessen Tod, zu nähern. Dafür besucht er Stationen aus dessen Leben, spricht mit Zeitzeugen sowie Weggefährten. Er lädt Musiker und Stars ein, in Elvis‘ 1963er Rolls Royce Platz zu nehmen, in dem er seinen Road-Trip durch das meist ländlich geprägte Amerika unternimmt. Herausgekommen ist ein durchaus sehenswertes Porträt – mehr eines Landes als das einer Person.

Den Anfang macht Jarecki passenderweise nicht in der Stadt, die heute mit dem King des Rock and Roll am meisten in Verbindung gebracht wird – Memphis, Tennessee –, sondern in seiner Geburtsstadt Tupelo, Mississippi. Von dort folgt er der Karriere des jungen Mannes, beschränkt sich allerdings auf den musikalischen Aspekt. Über seine weiteren Facetten, seinen Werdegang zuvor oder abseits des Showbusiness schweigt sich die Dokumentation aus.
Dafür erfährt man mehr über die frühe Karriere des King, der einer Musikrichtung, die von der farbigen Bevölkerung geprägt und gelebt wurde, ein weißes Gesicht gab, das sich der breiten Öffentlichkeit besser verkaufen ließ. Kaum jemand steht bis heute noch für den Innbegriff des Amerikanischen Traums so sehr wie Elvis Presley, der zu Lebzeiten zu einer überlebensgroßen Ikone wurde. The King - Mit Elvis durch Amerika zeichnet ein Bild dieses Weges, mit vielen Archivaufnahmen, die mitunter private Einblicke in die Gedankenwelt des King geben.

Dabei verklärt der Dokumentarfilmer den Mythos erfreulicherweise nicht, sondern lässt auch Kritiker zu Wort kommen, die überwiegend der afroamerikanischen Bevölkerung entstammen. Denn während Elvis‘ Interpretation einer von den Farbigen etablierten Musik ihn berühmt machte, bezog er nie Stellung zu ihrem Kampf um Gleichberechtigung oder gab gar etwas an sie zurück. Im Gegensatz zur Verkörperung des „American Dream“ glichen die 1950er-Jahre, in denen die Karriere des Musikers alle Rekorde sprengte, den diskriminierten Farbigen eher einem Alptraum, wie ein Interviewpartner anmerkt.
Es ist ein erster dunkler Fleck auf dem sonst strahlend schimmernden Kostüm des King, der ebenso viele Schattenseiten besaß. Denen widmet sich die Dokumentation ebenfalls und sie bilden einen gewichtigen Gegenpol zum ersten Drittel, in dem der Einfluss des Musikers bis in die heutige Zeit im Fokus steht. Zum Schluss findet sich schließlich der Abstieg der Ikone im Mittelpunkt, über den Mike Myers hier zu Recht sagt, dass er zu einer tragischen Figur wurde. Das nicht erst, als er mehr oder weniger erfolgreich jahrelang als Schauspieler auftrat.

Doch wie bereits gesagt, ist The King - Mit Elvis durch Amerika mehr als eine Dokumentation über Elvis Presley. Es ist gleichermaßen eine Bestandsaufnahme des Zustands der amerikanischen Gesellschaft im Allgemeinen. Nicht nur, dass Regisseur Eugene Jarecki immer wieder die Frage stellt, inwieweit sich die Situation im Land hinsichtlich Armut, Rassentrennung und der Ungleichbehandlung von Weißen und Farbigen sowie arm und reich verändert hat. Er beschreibt am Wandel der Karriere des King des Rock and Roll, wie sich das Image und das Lebensgefühl in den USA verändert haben, wo das Versprechen, man könne alle erreichen, wenn man nur hart genug dafür arbeite, für viele inzwischen wie eine hohle Phrase klingt. Der Wahlkampf im Sommer/Herbst 2016, der während der Aufnahmen stattfand, bietet hierfür einen ebenso passenden wie ernüchternden Hintergrund.
Die Aufnahmen sowohl der Städte als auch der ländlichen Gegenden bringen die Klassenunterschiede dabei treffend auf den Punkt. Es finden sich hier mehr als nur grandiose Bilder der weiten, unberührten Landschaften. Es sind Porträts der Natur, der Städte selbst, mit einem Fokus auf den ärmeren Regionen, und der Personen, die der Filmemacher chauffiert.

Darunter sind verständlicherweise viele Musiker, die von Elvis, seiner Musik, dem Talent oder dem Charisma inspiriert wurden. Aber auch Schauspieler wie Ethan Hawke oder Alec Baldwin. Während ersterer zumindest Anekdoten aus dem Leben des King beisteuert, beschränken sich Baldwins Beiträge auf den Zustand der amerikanischen Gesellschaft. Deshalb sind sie nicht weniger richtig oder gültig, aber sie scheinen nicht so recht zum Thema passen zu wollen. Manche Passagiere, darunter auch Musiker, die nichts über ihre Verbindung zu Elvis Presley verraten, wirken daher mehr wie Füllmaterial statt als notwendiger und essentieller Bestandteil der Dokumentation.


Fazit:
Den Aufstieg und Fall des King des Rock and Roll komprimiert dargestellt zu bekommen, ist auch dank der vielen Parallelen zu unserer heutigen Zeit überaus interessant und sogar erhellend. Eugene Jareckis Herangehensweise ist ungewöhnlich und glorifiziert Elvis Presley nicht, ohne ihn jedoch gleichzeitig vollständig zu entmystifizieren. Dass dieser zur politischen Situation in den Sechzigerjahren, als Berühmtheiten wie Marlon Brando oder Muhammad Ali ihren Einfluss nutzten, um auf die wahren Hintergründe des Vietnamkrieges aufmerksam zu machen, überhaupt keine Position bezog, obwohl ihn seine Zeit beim Militär stark geprägt hatte, gibt durchaus zu denken. Doch merkt man The King - Mit Elvis durch Amerika an, dass dies keine Dokumentation über die Person Elvis Presley, sondern den Mythos des King ist. So erfährt man über den privaten Menschen, den Ehemann und Vater leider so gut wie nichts. Und auch wenn dem Dokumentarfilmer die Parallelen zum Stand der amerikanischen Gesellschaft meistens gelingen, manche Verweise wirken arg erzwungen. Ebenso wie einige Interviewpartner bzw. -partnerinnen eher auf Grund ihrer eigenen Bekanntheit eingeladen scheinen denn angesichts dessen, was sie an Informationen zu Presley beisteuern können. Dabei wären weitere Einblicke von Zeitzeugen durchaus wünschenswert gewesen.
Wen der überaus politische Ansatz nicht stört, findet hier dennoch eine gelungene, oftmals punktgenau Analogie zwischen dem Mythos des King und dem Zustand der Vereinigten Staaten sowie des amerikanischen Traums im Ganzen. Als Biografie eignet sich das allerdings nur bedingt.