No Escape [2015]
Wertung: |
Kritik von Lars Adrian |
Hinzugefügt am 29. Juni 2016
Genre: Thriller / DramaOriginaltitel: No Escape
Laufzeit: 103 Min.
Produktionsland: USA / Thailand
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren
Regie: John Erick Dowdle
Musik: Marco Beltrami, Buck Sanders
Darsteller: Owen Wilson, Lake Bell, Sterling Jerins, Claire Geare, Pierce Brosnan, Sahajak Boonthanakit
Kurzinhalt:
Jack Dwyer (Owen Wilson) reist mit seiner Frau Annie (Lake Bell) und seinen beiden Töchtern Lucy (Sterling Jerins) und Briegel (Claire Geare) in ein südostasiatisches Land. Das Unternehmen, für das er tätig ist, hat kürzlich einen Vertrag mit der dortigen Regierung über den Bau eines Wasserwerks abgeschlossen, den Jack leiten soll.
Kurz nach der Ankunft führen schwerbewaffnete Rebellen einen Staatsstreich durch. Sie ermorden den Premierminister und töten zahlreiche sich im Land aufhaltende Ausländer.
Während der Bürgerkrieg immer mehr Opfer fordert und sich das Chaos unaufhaltsam weiter ausbreitet, versucht Jack verzweifelt, sich und seine Familie in Sicherheit zu bringen. Dabei kommen ihm der erfahrene Brite Hammond (Pierce Brosnan) und dessen einheimischer Partner „Kenny“ (Sahajak Boonthanakit) zu Hilfe.
Kritik:
In No Escape unternehmen die Filmemacher große Anstrengungen, dass der Zuschauer den Ort des Geschehens nicht auf einen real existierenden Staat beziehen kann: Einerseits soll sich das ungenannte südostasiatische Land an der Grenze zu Vietnam befinden, womit nur Kambodscha, Laos und China in Betracht kämen, andererseits wurde der Film großteils in Thailand gedreht (Chiang Mai und Lampang). Manche Schriftzeichen sind Khmer, andere hingegen Thailändisch, und die Sprache der einheimischen Bevölkerung besteht meist aus Dialekten aus dem Norden Thailands.
Kennern der Region wird indes schnell klar, dass Vieles dafür spricht, dass in der Tat Thailand gemeint sein dürfte, weshalb es umso mehr erstaunt, dass die Produktion trotz der sehr restriktiven Auslegung von Meinungsfreiheit des Landes tatsächlich vor Ort drehen durfte.
Thailand erlebte in den letzten Jahrzehnten innenpolitisch zahlreiche Turbulenzen. 1992 übernahm nach langer Zeit eine Zivilregierung die Macht, die eine stabile Demokratisierung durchsetzen wollte. Bei den Wahlen 2001 und 2005 gewann der Industrielle Thaksin Shinawatra mit einer komfortablen Mehrheit. Durch mehrere Maßnahmen verbesserte seine Partei die Lebensverhältnisse insbesondere für die arme Landbevölkerung, was ihm große Popularität im Volk einbrachte, zugleich aber die reichen Eliten Thailands, die von Militär und Königsfamilie unterstützt werden, auf den Plan rief. 2006 putschte die Militärregierung erneut und setzte eine einjährige Übergangsregierung ein. Bei den folgenden Wahlen 2007 und 2011 gewannen dennoch die Unterstützer Thaksins, doch das Land wurde immer wieder von blutigen Unruhen erschüttert, die im Mai 2014 letztlich dazu führten, dass das Militär einmal mehr die Gewalt an sich riss und seitdem ohne demokratische Legitimierung regiert.
Vor diesem Hintergrund schrieb Regisseur John Erick Dowdle zusammen mit seinem Bruder Drew das Drehbuch zu dem Film, der bereits 2012 in Produktion ging und zu dem die Dreharbeiten dann im Oktober 2013 in Thailand begannen. All dies geschah also zu einer Zeit, in der Thailand noch eine vom Volk gewählte Regierung hatte, die eine Drehgenehmigung deshalb erteilte, weil die fiktiven Unruhen in No Escape von Gegnern des Premierministers in Gang gesetzt werden.
Bedauerlicherweise verschenkt das Skript gerade im Hinblick auf die politischen und gesellschaftlichen Elemente seiner Geschichte viel Potential. Statt klar Stellung gegen einen militärischen Staatsumsturz zu beziehen, kratzen die Autoren lediglich an der Oberfläche und lassen die Gewalt von einer kriminellen Bande von Rebellen ausgehen, die bei ihren Taten jegliche Menschlichkeit oder Skrupel, selbst gegenüber Frauen und Kindern, vermissen lassen. Auch wenn der Film im letzten Drittel in einem einzigen Dialog kurz verdeutlichen will, dass das Unheil eigentlich durch das Profitdenken westlicher Konzerne und Staaten verursacht wurde, und die Rebellen nur ihr Land und ihre Familien beschützen wollen, bleiben sie zu eindimensional und ihre Handlungen zu barbarisch, als dass man mehr in ihnen sehen könnte als hassenswerte Monster.
Dowdle wurde unter anderem durch die Horrorfilme Quarantäne [2008] und Devil – Fahrstuhl zur Hölle [2010] bekannt. Auch das Szenario von No Escape erinnert in der Struktur entfernt an vertraute Zombie-Muster, in der eine Gruppe von Menschen zum Überleben vor einer großen Zahl an übermächtigen Gegnern fliehen muss. In dieser Materie fühlt sich der Regisseur offenbar deutlich wohler. In Bezug auf den Spannungsaufbau und die Ausarbeitung der eingestreuten Action-Momente gibt der Film gerade unter Berücksichtigung des recht geringen Budgets von rund fünf Millionen US-Dollar wenig Anlass für Kritik. Die lebensbedrohliche Situation durch den Bürgerkrieg ist permanent greifbar und sauber inszeniert. Dank der sympathischen Besetzung fiebert man in jeder Sekunde mit der Familie mit. Die Beschränkung auf die Perspektive der Dwyers sorgt für mehr Authentizität, als es der übliche Hollywood-Explosionsbombast könnte.
Der sonst auf Komödien abonnierte Owen Wilson (Shang-High Noon [2000], Nachts im Museum [2006]) überzeugt in einer seiner seltenen dramatischen Rollen auf ganzer Linie und bildet mit Lake Bell (Freundschaft Plus [2011]) ein glaubwürdiges Paar. Als ihre Töchter gefallen Sterling Jerins und Claire Geare besonders durch eine ungekünstelte Natürlichkeit.
Im Vorfeld warb der Film ausgiebig mit Ex-Bond Pierce Brosnan. Auch wenn Brosnans Rolle zugegebenermaßen für Familie Dwyer von essentieller Bedeutung ist, rechtfertigt die bloße Dauer seiner Auftritte dies indes kaum. Brosnan ist ein charmanter Draufgänger wie eh und je und Hammond als Figur lässt sich mit einem Augenzwinkern durchaus als Epilog zu 007 verstehen. Wenn Hammond aber gegen Ende urplötzlich in der Story wiederauftaucht, ist das alles andere als realistisch, sondern nur dem unausgegorenen Drehbuch geschuldet und der Tatsache, dass das Publikum Brosnan einfach noch einmal sehen will.
Obwohl No Escape in mehreren Ländern im Kino lief und dort insgesamt im Vergleich zu seinen geringen Produktionskosten respektable 54 Millionen US-Dollar einspielte, entschied sich der deutsche Verleih, trotz namhafter Stars auf eine Kinoauswertung zu verzichten und den Film nur für das Heimkino zu veröffentlichen.
Sieht man sich das Ergebnis an, lassen sich die Beweggründe hierfür nachvollziehen. Trotz des exotischen Schauplatzes und der teils schweißtreibenden Flucht gelingt es Dowdle nicht, sein Werk über den Durchschnitt zu heben. Die mangelhafte, weil undifferenzierte Charakterisierung der einheimischen Bevölkerung ist dabei das größte Ärgernis.
Fazit:
No Escape ist ohne Frage ein spannender Film vor einem grundsätzlich interessanten Hintergrund, der gerade in unseren Breiten eher wenig bekannt ist. Leider ist die Geschichte zu einfach gestrickt und die Antagonisten bleiben trotz Grausamkeiten austauschbar und farblos.
Owen Wilson, Lake Bell und Pierce Brosnan helfen mit ihrer sympathischen Darstellung etwas über diese Schwächen hinweg, so dass unter dem Strich noch ein solider Thriller übrig bleibt.