Silver Linings [2012]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 11. Juni 2013
Genre: Unterhaltung / Drama / Liebesfilm

Originaltitel: Silver Linings Playbook
Laufzeit: 122 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2012
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: David O. Russell
Musik: Danny Elfman
Darsteller: Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Robert De Niro, Jacki Weaver, Anupam Kher, John Ortiz, Julia Stiles, Brea Bee, Chris Tucker, Shea Whigham, Paul Herman, Dash Mihok, Matthew Russell, Cheryl Williams, Patrick McDade


Kurzinhalt:
Dass er abgenommen hat, bemerken seine Bekannten und Verwandten an Pat (Bradley Cooper) zuerst, nachdem ihn seine Mutter Dolores (Jennifer Lawrence) nach acht Monaten aus der Psychiatrie geholt hat. Seine Persönlichkeit, an der er während der Zeit eigentlich hätte arbeiten sollen, hat sich indes kaum verändert. Immer noch träumt er davon, sich mit seiner Frau Nikki (Brea Bee) zu versöhnen, deren Liebhaber er krankenhausreif geprügelt hatte und weswegen er überhaupt erst in die geschlossene Anstalt kam. Die Wutausbrüche sind zwar weniger geworden, aber immer noch lässt sich Pat sehr leicht aus der Fassung bringen, wie ihm der Psychiater Dr. Cliff Patel (Anupam Kher) nahelegt. Pats Vater Pat Sr. (Robert De Niro) leidet ebenso unter einem unbeherrschbaren Temperament, weswegen er im Stadion seines Lieblingsvereins Hausverbot hat.
Als Pat zu einem Abendessen bei Ronnie (John Ortiz) und dessen Frau Veronica (Julia Stiles) eingeladen wird, lernt er Tiffany (Jennifer Lawrence) kennen. Sie ist ebenfalls ausgesprochen deutlich und nimmt kein Blatt vor den Mund. Vor allem scheint sie in ihrer Sprunghaftigkeit Pat ähnlicher, als er es sich eingestehen mag. Als sie ihm anbietet, Nikki einen Brief zukommen zu lassen, obwohl Pat der Kontakt per Gerichtsbeschluss verboten ist, verlangt sie als Gegenleistung, dass er mit ihr für einen Tanzwettbewerb trainiert. Während der Übungsstunden kommen sie sich schließlich näher, auch wenn sich Pat immer noch an seine Ehe klammert ...


Kritik:
Silver Linings erzählt von Pat und Tiffany, die beide nicht das sind, was man gemeinhin als ganz normal bezeichnen würde. Beide sind aufbrausend und ungewöhnlich direkt. Was einem zur Balance fehlt, könnte der/die andere mit sich bringen, wenn sie denn zueinander finden. Das preisgekrönte Komödiendrama lebt von seinen ausgezeichneten Darstellern, wohingegen die Geschichte keinerlei Überraschungen bietet.

Sie beginnt damit, dass Pat nach mehr als einem halben Jahr Aufenthalt in der Psychiatrie in die Obhut seiner Eltern Dolores und Pat Sr. entlassen wird. Dorthin kam er, nachdem er den Liebhaber seiner Frau Nikki tätlich angegriffen hatte und aus einem seltsamen Grund hängt er der Illusion nach, dass er mit Nikki dennoch wieder glücklich sein kann. Auch eine einstweilige Verfügung kann ihn von dem Gedanken nicht abbringen. Mit seiner Persönlichkeit ist Pat in der Familie nicht allein, sein Vater hat sein Leben auf die Footballmannschaft der Philadelphia Eagles ausgerichtet und ist der festen Überzeugung, dass sie nur gewinnen können, wenn sein Sohn mit ihm die Spiele ansieht und die Fernbedienungen in einer bestimmten Weise ausgerichtet sind. Ins Stadion darf er nach einem Hausverbot nicht mehr.
Auch Pats weitere Bekanntschaft besitzt ihre Eigenarten; Ronnie und Veronica sind beispielsweise darum bemüht, jeden von ihrem Wohlstand zu überzeugen, auch wenn sie nicht wirklich glücklich sind und es so auch nicht zu werden scheinen. Selbst der beherrschte Psychologe Dr. Patel verwandelt sich bei einem Footballspiel in einen zügellosen Fan.
Der Spiegel, den uns Silver Linings vorhält, um uns zu zeigen, dass wir alle unsere Neurosen und Besonderheiten besitzen, ist sehr offensichtlich, aber nicht weniger treffend. Doch erst der Auftritt von Tiffany hebt den Film über das hinaus, was Genrekollegen bereits gezeigt haben.

Für ihre Darbietung wurde Jennifer Lawrence unter anderem mit dem Oscar ausgezeichnet und sieht man ihre Wandlungsfähigkeit allein während ihrer Auftritte, erkennt man auch warum. Erzählt Tiffany vom Verlust ihres Mannes, sehen wir den Verlust in ihren Augen, berichtet sie Pat von den Affären, die sie im Anschluss hatte, erscheint ihr Blick vollkommen leer. Sie schwankt nicht zwischen manischen und depressiven Phasen, sondern eingangs nur zwischen Depression und Gleichgültigkeit. Die Freude kehrt erst in ihr Leben zurück, nachdem sie Pat dazu gebracht hat, mit ihr für einen Tanzwettbewerb zu trainieren. Etwas, das sie mit ihrem Mann nie geschafft hat. Dass sie beide am Ende daran teilnehmen ist der Genrekonvention Hollywoods geschuldet. Allerdings verkörpert ihr Tanz auf gelungene Weise ihr wechselhaftes Temperament, wohingegen die Bewertung, die sie dafür bekommen, den abstrusen Leistungswahn vorführt. Wenigstens hier sind Pat und Tiffany endlich normal.

So unterhaltsam Silver Linings ist und so prickelnd die Chemie der beiden Hauptfiguren, die Story selbst entwickelt sich in vollkommen absehbaren Bahnen. Die Charaktere von Pat und Tiffany entfalten zwar Seiten, die nur selten zum Vorschein kommen und sogar Pats Vater, eine von Robert De Niros besten Rollen der letzten Zeit, erlebt eine kleine Entwicklung. Doch dafür wird seine Mutter, dezent verkörpert von Jacki Weaver, kaum beachtet und Figuren wie Chris Tuckers Danny scheinen vollkommen unnötig, da sie weder zum Film, noch zu den Charakteren etwas beisteuern. Julia Stiles' Veronica und John Ortiz' Ronnie sind ebenso unterfordert, wie die Figuren nebensächlich. Wer hier auf einen wichtigen Moment hofft, wartet vergeblich.
Mit zwei Stunden ist der Film darüber hinaus recht lang und die Frage bleibt, ob man die Geschichte nicht hätte kompakter erzählen können. Das auch, da es kaum Momente gibt, die wirklich packen, beziehungsweise keine der an sich verhängnisvollen Handlungen von Pat oder Tiffany für einen von beiden eine dauerhafte Konsequenz entwickelt. Zumindest in dem Bezug gestaltet das Drehbuch die beiden Figuren hollywoodtypisch "normal".


Fazit:
Wer legt eigentlich fest, was normal ist? Und welches Recht haben sie dazu? Sieht man sich die Hobbys und Eigenheiten engster Freunde oder gar der eigenen Familie an und würde sie einmal objektiv betrachten, sind wir dann nicht alle ein wenig meschugge? Silver Linings rückt zwei Figuren in den Mittelpunkt, die nach dem ungeschriebenen, sozialen Regelwerk nicht gesellschaftsfähig sind. Doch statt sie zu akzeptieren, werden sie ausgegrenzt. Pat zuerst mit dem Vertrauensbruch durch seine Ehefrau, anschließend durch die Einweisung in die geschlossene Anstalt. Es wird versucht, ihn und Tiffany mit Medikamenten zu ändern, dabei ergänzen sie sich so gut, dass das gar nicht mehr notwendig ist und auch Gewaltausbrüche nicht mehr auftreten.
Sie beide in Gestalt von Bradley Cooper und Jennifer Lawrence in jeweils abwechslungsreichen und fordernden Rollen aufeinandertreffen zu sehen, macht den Reiz des Films aus. So gut sie spielen und so leichtfüßig der Film erzählt ist, mit so wenig Nachdruck zwingt er einen auch, sich mit den eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen, wenn es um gesellschaftliche Akzeptanz von denjenigen geht, die einfach ein bisschen anders sind. Es fehlen die unbequemen Dialoge oder Momente, bei denen einem als Zuseher unwohl wird, die aber wichtig sind. In dem Bezug scheint das Skript so wenig nachtragend wie Pat und Tiffany, die erstaunlich wenig in der Vergangenheit leben, sondern stattdessen auf das jetzt und danach hinarbeiten. Zusammen mit den Darstellern macht diese positive Aussage Silver Linings sehenswert.