Virtuality - Killer im System [2009]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 31. Dezember 2010
Genre: Science Fiction / Drama

Originaltitel: Virtuality
Laufzeit: 87 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2009
FSK-Freigabe: -

Regie: Peter Berg
Musik: Lisa Coleman, Wendy Melvoin
Darsteller: Nikolaj Coster-Waldau, Kerry Bishé, Joy Bryant, Jose Pablo Cantillo, Ritchie Coster, James D'Arcy, Clea DuVall, Gene Farber, Sienna Guillory, Erik Jensen, Nelson Lee, Omar Metwally, Jimmi Simpson, Timothy Webber, Kari Wahlgren


Kurzinhalt:
Die Crew der Phaeton besteht aus zwölf außergewöhnlichen Männern und Frauen, die in einer 10jährigen Mission zu einem nahe gelegenen Sonnensystem aufbrechen sollen. In der Nähe von Neptun kommen sie an den Punkt, da Commander Frank Pike (Nikolaj Coster-Waldau) entscheiden muss, ob die Mission fortgesetzt oder abgebrochen wird. Danach gibt es kein Zurück.
Die Anspannung unter den Crewmitgliedern ist ohnehin groß, zumal der Alltag an Bord des riesigen Raumschiffes als Fernsehsendung zur Erde übertragen und von Milliarden Zuschauern gesehen wird. Einzig in der Virtuellen Realität, einem lebensnahen, interaktiven Computersystem, finden die Crewmitglieder ihre Ruhe. Bis auf Grund eines Fehlers eine fremde Figur (Jimmi Simpson) in ihren Zufluchtsorten auftaucht und sie angreift. Während der Psychologe Dr. Fallon (James D'Arcy) empfiehlt, das Virtuelle Modul aus Sicherheitsgründen zu deaktivieren, wird die Sorge groß, wie die Crew ohne Zufluchtsmöglichkeit die Mission überstehen soll. Dann trifft von Bordarzt Meyer (Omar Metwally) eine weitere Hiobsbotschaft ein, die Pikes Entscheidung nicht einfacher macht.
Als wenig später ein folgenschweres Unglück geschieht, scheint es, als würde die Mission sabotiert, oder ist es ein weiteres Zeichen dafür, dass der Schiffscomputer Jean (Kari Wahlgren) einen Defekt hat ...


Kritik:
Wer würde gerne für 10 Jahre in einem Big Brother-Container wohnen wollen? Was aber, wenn man dafür zu den Sternen reisen darf? Wenn man der erste Mensch sein darf, der ein anderes Sonnensystem besucht? Die zwölfköpfige Crew der Phaeton ist auf dem Weg ins Sternensystem Epsilon Eridani. Dort sollen sie erdähnliche Planeten untersuchen und feststellen, ob wir alleine sind im Universum. Vor allem aber sollen sie den Menschen auf der Erde Hoffnung geben. Denn während Stürme und Naturkatastrophen die Heimat verwüsten, wird kostbarer Wohnraum immer knapper – und begehrter. Etwa ein halbes Jahr nach dem Start der Mission in dem riesigen, wohnbaren Raumschiff, kommt die Crew beim Neptun an den Punkt ohne Wiederkehr. Wenn sie weitermachen, müssen sie ihre Mission beenden, jetzt können sie immer noch abbrechen. Die Spannungen sind nach wie vor sehr groß und auch Commander Pike (gut gespielt von Nikolaj Coster-Waldau) scheint nicht mehr ganz er selbst zu sein. Als Zuflucht für die Crew gibt es eine täuschend echte, virtuelle Realität, die mittels einer speziellen Brille genossen werden kann. Hierhin ziehen sich die Mitglieder zurück, um sich zu erholen, Sport zu treiben oder gar ihre Familie zu besuchen. Doch dann weist das System urplötzlich einen Fehler auf, eine Figur, die nicht vorgesehen war, verschafft sich Zutritt und greift die Crewmitglieder an. Nur wenn sie die Mission fortsetzen sollen, wie sollten sie ohne die virtuelle Zuflucht bei Verstand bleiben?
Die Ausgangslage ist bei Virtuality nicht neu. Genauer gesagt scheint sie sogar aus mehreren Quellen zusammen gesetzt zu sein. Nichtsdestoweniger ist das Setting auf Grund des realistischen Hintergrundes interessant und die zwölf sehr unterschiedlichen Figuren bieten auch viele Möglichkeiten für interessante Entwicklungen. Es werden Fragen aufgeworfen, wie sich eine solche Langzeitmission auf die Beteiligten auswirkt, die trotz der Größe des Schiffes dennoch auf engstem Raum zusammen arbeiten müssen. Oder ob ein Seitensprung im Virtuellen Raum auch als Ehebruch gilt. Von den Auswirkungen eines sexuellen Angriffs in der Virtualität und dessen Auswirkungen auf das Opfer in der wirklichen Welt ganz zu schweigen. Ronald D. Moore (Battlestar Galactica [2004-2009]), der das Drehbuch zusammen mit Michael Taylor verfasste, gibt dem Genre hier erneut einen etwas anderen Dreh und lockt die Zuschauer statt mit hirnlosen und mittelmäßig getricksten Actionsequenzen mit einer ruhigen, auf die Figuren zugeschnittenen Erzählung.

Gedacht war, dass Virtuality ein neues Serienformat werden würde. Zusammen mit den hochkarätigen Darstellern (darunter Clea DuVall und James D'Arcy) wäre es kein billiges Projekt geworden und hätte vermutlich auch nicht mehr als ein paar Jahre überlebt. Schade ist es dennoch, dass es bei dem Pilotfilm geblieben ist, dem es auch am Ende gelingt, mit einigen unerwarteten Wendungen zu verblüffen und den Zuschauer über die Hintergründe nachdenken zu lassen. Vielleicht wäre es eine bessere Idee gewesen, Hauptcharakter Pike angesichts der Entwicklungen des Films von Grund auf sympathisch darzustellen. Womöglich wäre es auch packender gewesen, der Verlauf der Mission wäre offensichtlich sabotiert worden, statt es so verlaufen zu lassen, wie es der Fall war. An Regisseur Peter Berg (Operation: Kingdom [2007]) liegt es nicht, dass der Fernsehsender Fox die Serie nicht aufgegriffen hat, er kleidet den TV-Film in sehr gute, wohl ausgesuchte Bilder, die sowohl den Reality-TV-Charakter unterstreichen, als auch die geladene Atmosphäre der Crew untereinander einfangen. Die Darstellerleistungen bewegen sich durchweg auf einem überdurchschnittlichen und im Falle von Kerry Bishé und Omar Metwally sogar sehr guten Niveau und Science Fiction-Fans wird es freuen, dass das Design der Phaeton realistisch gelungen ist.
Interessenten werden einige Ideen finden, die sich aus Virtuality mitnehmen lassen. Allen voran, wie man selbst reagieren würde, auf 10 Jahre in einem fliegenden Gefängnis eingeschlossen. Und wozu einen selbst die virtuelle Welt ermutigen würde zu tun oder zu erleben. Denn zu wissen, dass einen niemanden beobachtet, wenn man sonst 24 Stunden lang gefilmt wird, bedeutet doch eine ungeheure Freiheit. Und verleitet gleichzeitig zu den schlimmsten Fantasien.


Fazit:
Über die letztliche Aussage von Virtuality und was die Autoren mit den letzten Minuten andeuten wollten, darf sich ein jeder Zuschauer selbst Gedanken machen. Bis es soweit ist, unterhält das eher ruhige Drama Zuschauer, die sich mit langsamer erzählter Science Fiction anfreunden können. Die Figuren stehen im Mittelpunkt von Peter Bergs TV-Film, der gleichzeitig auslotet, wie sich Zwischenmenschliche Beziehungen in einer solch extremen Situation verhalten. Verschärft wird dies, als ihnen die einzige Zufluchtmöglichkeit der virtuellen Realität genommen wird.
Überzeugend gespielt, tadellos gefilmt und ebenso professionell getrickst, überzeugt Virtuality mehr als viele andere Projekte, die dennoch in Serie gingen. So bleibt man als Zuseher zumindest angehalten, sich selbst die offenen Fragen zu beantworten. Auch das sorgt durchaus für Spannung.