Tränen der Sonne [2003]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. Februar 2004
Genre: Kriegsfilm / Action / Drama

Originaltitel: Tears of the Sun
Laufzeit: 121 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2003
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Antoine Fuqua
Musik: Hans Zimmer, Lisa Gerrard
Darsteller: Bruce Willis, Monica Bellucci, Cole Hauser, Eamonn Walker, Johnny Messner, Nick Chinlund, Charles Ingram, Paul Francis, Chad Smith, Tom Skerritt, Malick Bowens, Akosua Busia, Sammi Rotibi


Kurzinhalt:
In Nigeria ist erneut ein Bürgerkrieg ausgebrochen, die gesamte Präsidentenfamilie kam bei einem Attentat ums Leben. Unter Leitung der US-Navy werden Botschaftsangestellte evakuiert, Leiter des Teams ist Lieutenant Waters (Bruce Willis), der nochmals mit seinem Team über dem Dschungel abspringen muss, um die Ärztin Lena Kendricks (Monica Bellucci), einen Priester und zwei Nonnen aus dem Krisengebiet zu holen.
Doch Dr. Kendricks willigt nur ein, wenn so viele Menschen wie möglich aus der von ihr geleiteten Mission ebenfalls evakuiert werden. Knapp 30 Mann stark machen sich die Soldaten mit den Flüchtlingen auf den Weg zum Treffpunkt mit den Helikoptern. Doch die Rebellenarmee setzt alles daran, diese Gruppe abzufangen – auf ihrer Flucht vor den Rebellen geraten Waters und sein Team an die Schauplätze eines grausamen Bürgerkrieges.


Kritik:
Ab und an gibt es Reaktionen von Kritikern und Zuschauern auf der Welt, die man als Filmfan einfach nicht verstehen kann. Die Art und Weise, wie Tränen der Sonne überall auf dem Globus kollektiv in der Luft zerrissen und im Kino gemieden wurde, ist so eine.
Sicherlich kann Antoine Fuquas Regiearbeit nicht mit Anti-Kriegsdramen wie Platoon [1986] mithalten, doch er versucht sehr eindrucksvoll und auch packend, ein geschundenes Land, zerrissen durch Bürgerkrieg und Plündereien zu porträtieren und schickt den Zuschauer damit auf eine Reise in teilweise barbarische Grausamkeiten, die erschrecken und die berechtigte Frage nach dem "warum" aufwerfen.
Mit einer Fläche von über 900.000 Quadratkilometern und 150 Millionen Einwohnern ist Nigeria der am dichtesten besiedelte Staat Afrikas und zugleich der größte Erdölproduzent des Kontinents. Seit 1999 eine neue Verfassung in Kraft trat ist das Staatsoberhaupt ein auf vier Jahre gewählter Präsident.
Knapp dreiviertel der Landesfläche könnten für Ackerbau, Viehzucht und Forstwirtschaft genutzt werden und doch kann die Landwirtschaft Nigerias den Eigenbedarf nicht decken, dafür werden jährlich Unmengen an Kakao, Erdnüsse, Kautschuk, Kokosnüsse, Tabak und Baumwolle exportiert und der Wald als Brennholz abgeforstet. Haupthandelspartner Nigerias sind die USA, Großbritannien und Deutschland.
In den 1960er Jahren erschütterte ein blutiger Bürgerkrieg den Osten Nigerias, 1979 gewann S. Shagari die öffentlichen Wahlen als Staatspräsident, im Dezember 1983 verlor er durch einen Putsch sein Amt, ausgelöst durch Korruptionsvorwürfe; die Verfassung wurde ausgesetzt, Parteien verboten, der General, der an die Macht kam wurde nur zwei Jahre später durch einen erneuten Putsch beseitigt. General I. Bibangida versuchte anschließend eine zivile Herrschaft aufzubauen, gleichwohl er ständig mit Putschversuchen (unter anderem 1991) zu kämpfen hatte, die ihren Ursprung in kulturell-ethnischen Spannungen hatten. Im Juni 1993 wurden die Präsidentschaftswahlen abgebrochen und Babangidas gab sein Amt im August an eine Übergangsregierung ab. Im November kam daraufhin bei einem Militärputsch General S. Abacha an die Macht, der eine Diktatur einleitete und Regimegegner exekutieren ließ. Nach Massenhinrichtungen, beispielsweise in Lagos, wurde im November 1995 der Schriftsteller Ken Saro-Wiwa zum Tode verurteilt. Daraufhin geriet Nigeria in die internationale Isolation. Abacha starb 1998, sein Nachfolger General A. Abubakar ließ im Februar 1999 Parlamentswahlen organisieren, als Präsidentschaftssieger ging dabei Olusegun Obasanjo hervor, der 2003 im Amt bestätigt wurde. Trotz der englischen Amtssprache gibt es in Nigeria zig Stammesgruppen, die auch verschiedene Glaubensrichtungen vertreten – am meisten repräsentiert sind dabei Muslime und Christen (jeweils im Norden, beziehungsweise Süden des Landes); insgesamt werden über 250 Sprachen gesprochen.
Blutige Auseinandersetzungen sind auch heute im Landesinneren, wo die Infrastruktur nur mäßig oder gar nicht ausgebaut ist, keine Seltenheit.

So setzen die Autoren von Tränen der Sonne zwar ein fiktives Szenario in Nigeria an, doch die Stimmung in diesem seit Jahrhunderten zerfurchten Land könnte leider in der Tat von einem Tag auf den anderen umschlagen.
Das Skript lässt sich dabei erfreulicherweise sehr viel Zeit, die Geschichte ruhig zu erzählen, nach einigen einleitenden Bildern zu Unruhen in Nigeria wird der Zuschauer mit Lietenant Waters Team ins kalte Wasser geworfen. Was hier am meisten auffällt ist die fehlende Charakterisierung der Hauptfigur, denn abgesehen von seinem grimmigen Blick und einem durchaus verständlichen Sinneswandel in der Mitte des Films bekommt Bruce Willis hier keine Hintergrundgeschichte zugeschrieben. Über sein bisheriges Tun und seine Einstellung zu dem Konflikt erfährt man lange Zeit überhaupt nichts.
Besser bedient ist hier Monica Bellucci, die zumindest ansatzweise eine Vergangenheit in die Wiege gelegt bekommt – zwar wäre auch bei ihrem Charakter mehr erfreulich gewesen, um ihre Reaktionen verstehen zu können reicht es aber allemal.
Extrem blass bleiben leider die Bösewichte des Films, deren eigentliche Motive gar erst in einer Deleted Scene auf der DVD aufgeklärt werden. Zwar wird bald deutlich, weswegen der US-Trupp so hartnäckig verfolgt wird, der eigentliche Grund für die Unruhen, nämlich der leider nie erloschene und vielleicht gerade deshalb so absurde Glaubenskrieg, bleibt dem Zuschauer jedoch verborgen. Zwar macht diese Erklärung bis heute nicht deutlich, weswegen sich das afrikanische Volk in vielen Teilen des Landes in beinahe schon regelmäßigen Abständen auf bestialische Weise massakriert, für die meisten Zuschauer wäre diese kurze Erklärung, die man auch an anderer Stelle hätte einbauen können, wichtig gewesen.
Das restliche Drehbuch versteht es gut, spannende Situationen einzuleiten und erschreckt mit einem bisweilen schon zu realen Bild von geplünderten und gebrandschatzten Dörfern im Herzen Nigerias. Zwar zeigen die Macher hier nichts, was in einem Bürgerkriegsgebiet nicht traurigerweise gang und gäbe ist, dies in einer derart grafischen Darstellung zu sehen ist aber sicher nicht für jeden Magen geeignet und gehört schon gar nicht in die Hände von Jugendlichen.
Die leichten Seitenhiebe auf die amerikanische Politik der Nichteinmischung fallen zwar beinahe nicht auf, zeigen aber, dass die Macher sind der teils abstrusen Verhandlungspolitik der Diplomaten wohl bewusst sind und heben damit das Skript deutlich über ein pathosbesudeltes Werbevideo der US-Armee hinaus.
Ein Manko bleibt allerdings das Finale, bei dem es so aussieht, als hätte für Waters' versammeltes Team die letzte Minute geschlagen. Möglicherweise war so ein Schluss auch geplant, ehe er für das Publikum umgeschnitten wurde – es hätte dem Film definitiv einen anderen, reiferen Touch verliehen.

Was das Drehbuch von Hauptcharakter Bruce Willis aber leider nicht verlangt ist die Fülle seines mimischen Repertoires. Zwar darf er in manchen Situationen seine Gesichtsmuskeln spielen lassen und insbesondere zum Finale hin legt er sich ins Zeug, davor allerdings wirkt Willis bisweilen zu abgebrüht und zu ruhig. Das mag zwar seiner Filmfigur mit jahrelanger militärischer Erfahrung entsprechen, erscheint aber bisweilen zu kühl, als dass man als Zuschauer eine Verbindung zu ihm aufbauen könnte.
Anders hingegen die impulsive und emotionale Monica Bellucci, die hier von Angst über Wut und verzweifelte Trauer einiges zum Ausdruck bringt. Insgesamt spielt sie sehr gut und auch eindringlich, vergleicht man ihre Darstellung beispielsweise mit den Matrix [1999]-Fortsetzungen im selben Jahr, liegen da wahrlich Welten dazwischen.
Der Rest von Waters Team ist ebenfalls gut besetzt, kommt im Film aber kaum zum Zug, mit Ausnahme vielleicht von Eamonn Walker, der eine gute Darbietung abliefert. Tom Skerritts Rolle ist beinahe schon verschwindend gering, doch auch er meistert seine Zeit vor der Kamera mit Leichtigkeit.
Deutlich mehr gefordert sind da die eigentlichen Nebendarsteller, die nigerianischen Flüchtlinge, besonders hervorzuheben zweifelsohne Akosua Busia als Belluccis Mitarbeiterin und Sammi Rotibi, die beide eine hervorragende Darstellung zeigen.

Auf die Inszenierung von Antoine Fuqua konnte man in der Tat gespannt sein, machte er sich früher ebenfalls einen Namen als Videoclip-Regisseur. Doch anders als sein Kollege Michael Bay (Pearl Harbor [2001]) gelingt ihm hier das Kunststück einer spannenden aber ruhigen Handschrift sehr gut, auch wenn zwei, drei Szenenaneinanderreihungen einen etwas verworrenen Eindruck hinterlassen.
Kamera und Schnitt sind hervorragend eingesetzt und ziehen in den actionreichen Szenen das Tempo auch genügend an, ohne aber bei den spannungsgeladenen Sequenzen Hektik zu vermitteln. Stattdessen genießt der Film einen langen Aufbau, ehe er die Schrecken des Krieges zwar schonungslos, aber dennoch nicht pietätlos in Szene setzt.
Fuqua kann man hier nur gratulieren, seine Regie erweist sich als besonnener und besser, als es ihm viele zugetraut hätten. Er findet auch immer wieder Zeit, die wirklich atemberaubende Landschaft einzufangen und dieser Schönheit dann die Grausamkeiten der Menschen gegenüber zu stellen, die anderen Menschen in dem Gebiet so unvorstellbare Qualen zufügen.
Doch scheint ein Abschnitt von wenigen Minuten vor dem Finale leider zu fehlen, der auch nicht in den Deleted Scenes enthalten ist. Es werden die US-Truppen von den Rebellen den ganzen Film über verfolgt, bevor sie ihnen in den letzten 15 Minuten urplötzlich den Weg abschneiden. Wie die gesamte Armee der Rebellen unbemerkt an Waters vorbei kam, wird nicht geklärt.

Die 70 Millionen Dollar Produktionskosten machen sich sowohl in den Bauten, den Drehorten auf Hawaii, wie auch bei den Spezialeffekten bemerkbar, die einen wirklich sehr guten Eindruck machen und durch ihre Unauffälligkeit überzeugen. Hervorragend, wenngleich auch erschreckend sind die Maskenarbeiten, die man bei den Flüchtlingsopfern zu sehen bekommt.
Zwar sind es nicht so viele wie beispielsweise bei Black Hawk Down [2001], dafür gehen sie bisweilen noch einen Schritt weiter.

Die musikalische Begleitung von Hans Zimmer und Lisa Gerrard gehört ebenfalls zu einem der Highlights des Films. Mit ihrem ruhigen und atmosphärischen Score gelingt ihnen eine hervorragende Klangkulisse, die zwar an manchen Stellen an Black Hawk Down oder bei Zimmer an Der schmale Grat [1998] erinnert, aber dennoch Originalität bietet, um überzeugen zu können.
Die Verschmelzung mit afrikanischen Gesängen und rhythmischen Trommeln ist ihnen besonders bei den spannenden Stellen sehr gut gelungen.
So eignet sich der Soundtrack auch zum Hören, ohne den Film dabei zu sehen, Regenwälder und fantastische Landschaften kann man sich dabei schon bildhaft vorstellen.

Aus finanzieller Hinsicht war Tears of the Sun, so der Originaltitel, leider kein Erfolg, weltweit spielte der Film nur knapp seine Kosten wieder ein – die Vorbereitung der Beteiligten war dabei alles andere als einfach: die Darsteller um Bruce Willis' Navy S.E.A.L.S.-Team mussten wie er auch zwei Wochen in einem Camp ein Training über sich ergehen lassen. Zudem mussten sich die Darsteller während der Hauptdreharbeiten auch außerhalb der Kamera mit ihren Filmnamen ansprechen, um ihre Zusammenarbeit vor der Kamera glaubhafter zu gestalten.
Eigentlich war das Drehbuch in Grundzügen als Teil der Stirb langsam [1988]-Reihe gedacht gewesen, das Studio Fox hatte sich auch schon den Titel reservieren lassen – Fuqua durfte ihn erst benützen, nachdem Bruce Willis sich bei Fox vertraglich für einen vierten Stirb langsam-Film verpflichtete.
Überschattet wurden die Dreharbeiten von einem Unfall Ende Oktober 2002, als ein Stuntman aus vier Kilometern Höhe mit einem Fallschirm absprang und am Strand laden sollte – tatsächlich landete er knapp 250 Meter draußen im Meer und ertrank.

Insgesamt überrascht Tränen der Sonne sehr positiv mit einer sehr guten Inszenierung, guten Darstellerleistungen und einem heiklen Thema, das auch mit der entsprechenden Sensibilität vorgeführt wird, ohne abzustumpfen oder überzogen Actionszenen am laufenden Band zu präsentieren.
Stattdessen verlässt sich der Film auf einen ruhigen Spannungsaufbau und eine beklemmende Atmosphäre.
Wieso er gerade aus diesen Gründen von der Kritik zerpflückt wurde, wird wohl auf ewig ein Rätsel bleiben. Wer außerdem allen ernstes behauptet, der Film trage seinen Titel, weil es ständig regnen würde, der hat leider überhaupt nichts verstanden.


Fazit:
Antoine Fuqua versuchte mit diesem Hollywood-Film erfolgreich, den Zuschauern einen beinahe unbemerkten Konflikt nahe zu bringen, der täglich im Herzen Afrikas tobt und dort Männer, Frauen und Kinder das Leben kostet.
Vor einer malerischen Kulisse bekommt der Zuschauer Grausamkeiten gezeigt, die teilweise bis an den Rand des Erträglichen gehen. Dabei verlassen sich die Macher auf ihre subtile und beängstigende Atmosphäre, anstatt den Zuschauer mit einem dummdämlichen Actionbombast zu erschlagen. Dafür sollten sie gelobt und nicht mit Abwesenheit gestraft werden.
Tränen der Sonne ist zwar kein Anti-Kriegsfilm-Meisterwerk, aber dennoch sehenswert und erschreckend zugleich. Dank der guten Regie und den Darstellern deutlich besser als sein Ruf.