The King's Speech [2010]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Februar 2011
Genre: Drama / Unterhaltung

Originaltitel: The King's Speech
Laufzeit: 118 min.
Produktionsland: Großbritannien / Australien / USA
Produktionsjahr: 2010
FSK-Freigabe: ohne Altersbeschränkung

Regie: Tom Hooper
Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Colin Firth, Geoffrey Rush, Helena Bonham Carter, Michael Gambon, Guy Pearce, Timothy Spall, Eve Best, Claire Bloom, Freya Wilson, Ramona Marquez, Derek Jacobi, Adrian Scarborough, Calum Gittins, Jennifer Ehle, Dominic Applewhite, Ben Wimsett


Kurzinhalt:
Eine internationale Radioansprache von Albert, Herzog von York (Colin Firth), gerät 1925 zu einer Katastrophe. Mit seinem Stottern ist Albert bloßgestellt und das Königshaus gedemütigt. Jahrelang versucht er zusammen mit seiner Frau Elizabeth (Helena Bonham Carter) verschiedene Therapiemöglichkeiten, die außer Enttäuschungen nichts bereithalten. Doch das Ende der Herrschaft von König George V (Michael Gambon) ist abzusehen. Nachfolger wird Alberts Bruder David (Guy Pearce), der mit seinen Liebschaften dem Ruf des Königshauses mehr schadet als nutzt.
Bei dem Sprachtherapeuten Lionel Logue (Geoffrey Rush) trifft Albert auf einen gänzlich anderen Ansatz, der ihm auch noch sehr missfällt. Immerhin verlangt Logue, dass sie sich wie gleichgestellt behandeln und erfragt viel über Alberts familiären Hintergrund. Doch ohne Logues Hilfe, mit Davids Unvermögen, seiner Rolle gerecht zu werden und mit der drohenden Kriegserklärung an Nazi-Deutschland, scheint es, kann Albert seiner Rolle als englischer König nicht gerecht werden, in der ihn alle sehen wollen, außer er sich selbst ...


Kritik:
Man muss vom britischen König George VI nichts gehört haben, um The King's Speech zu verstehen. Oder die Figur jenes Königs, der als Stotterer in einer Zeit, in der das Radio Einzug in viele Haushalte gehalten hatte, mit einer Einschränkung zu kämpfen hatte, die ihn vor schier unlösbare Aufgaben stellte. Interessiert man sich für den Film, hat man zumindest von der Geschichte gehört. Stellt sich George VI, Jahre vor seiner Krönung als Albert, Herzog von York und zweitältester Sohn des britischen Monarchen, vor ein Mikrophon, um die Abschlussrede für die Ausstellung des britischen Imperiums im Jahr 1925 zu halten, fühlt man mit ihm, ohne dass er ein Wort gesagt hätte. Die Ansprache endet in einem Fiasko. Sein Stottern überträgt sich über den Hörfunk zu einem Viertel der Weltbevölkerung und er wird in der Öffentlichkeit auf schmerzvolle Weise geprägt.
Es vergehen Jahre, in denen Albert zusammen mit seiner Frau Elizabeth von Therapeut zu Therapeut zieht, die allesamt fragwürdige und vor allem fruchtlose Methoden anwenden, um "Bertie" zu kurieren. Es ist dem pointenreichen und auf die Figuren zugeschnittenen Drehbuch von David Seidler zu verdanken, dass The King's Speech kein deprimierendes Drama ist, sondern ein ermunterndes Porträt, das die Belastung, welche das Stottern für den späteren König darstellt, zwar einfängt und veranschaulicht wie er darunter leidet, das aber trotzdem mit vielen lustigen Momenten aufwartet. Diese ziehen ihren Humor jedoch nicht aus dem Stottern. Im Gegenteil. Selten ist der Film so bedrückend und ernst wie wenn Albert mit sich selbst um jede Silbe ringt. Auf Empfehlung sucht Elizabeth den Sprachtherapeuten Lionel Logue auf, der spezielle Methoden besitzt, um seinen Patienten ein flüssiges Sprechen zu ermöglichen. Selbst als er erfährt, dass sein neuester Patient ein Adeliger ist, besteht er darauf, die Therapie in seinem eigenen Haus abzuhalten. Auch verzichtet er auf Nachnamen und verlangt, dass man sich mit Vornamen anredet. Statt mit reinen Muskelspielen, will Logue der eigentlichen Ursache auf den Grund gehen und diese liegt nicht anatomisch begründet.

Colin Firth ist bereits seit mehr als einem Vierteljahrhundert im Filmgeschäft. Es scheint, als wäre dies die Rolle seines Lebens. Mit wenigen Worten bringt er allein durch seine Mimik zum Ausdruck, wie sich Albert quält und in welche Furcht ihn die Demütigung versetzt, sobald er vor Menschen sprechen soll. Es spielt hierbei keine Rolle, ob dies eine Radioansprache vor Millionen ist, oder seine beiden Töchter oder gar sein Vater, König George V. Seit seiner Kindheit fällt es ihm schwer, zu sprechen. Selbstgespräche jedoch oder Schimpfwörter kommen ihm leicht über die Lippen, was auch seine Wutausbrüche mit sich bringen. Nur ob das Stottern von der Wut rührt, oder umgekehrt, darüber ist er sich selbst nicht im Klaren. Firth verleiht dem zukünftigen König eine Vielschichtigkeit, die zwar nicht weiter geklärt, aber genügend angedeutet wird, dass man sich als Zuseher ein stimmiges Bild über ihn, seine Jugend und sein Aufwachsen mit seinem Bruder David machen kann. Als George V stirbt und die Krone an David, genannt König Edward VIII übergeht, sieht man Bertie seine Erleichterung an, dass diese Verantwortung und wichtiger noch, die öffentliche Demütigung durch sein Stottern, ihm erspart bleiben. Und es bleiben auch Zweifel, ob David dem Amt gewachsen ist, kümmerte er sich doch meist um sich selbst.
Auch wenn niemand in der Lage scheint, diese Umstände anzusprechen, Lionel nimmt kein Blatt vor den Mund. Durch ihn erhält Albert Einblick in die Gedanken des Volkes und vielleicht auch in Alberts eigene. Inwieweit sich beide beeinflussen ist nicht ersichtlich, aber dass es zu Konflikten führt, ist abzusehen. Geoffrey Rush mimt den Therapeuten Logue mit einer Aufrichtigkeit und einer Unbefangenheit, dass es eine Freude ist, ihm zuzusehen. Als jemand, der sich mit seiner Situation und der seiner Familie abgefunden hat und glücklich ist mit dem, was er besitzt, ist er das Gegenteil von Albert, der nicht nur unglücklich in seiner Haut scheint, sondern auch nie äußern kann, was ihm zum Glück fehlt. Die beinahe beiläufige Überraschung Lionels angesichts des ersten Dankes, das ihm von König George VI ausgesprochen wird, könnte man beinahe übersehen, wenn man nicht aufmerksam genug hinsieht.

The King's Speech ist ein hervorragend gespielter und in ebenso gelungene Bilder eingefangener Film. Helena Bonham Carter, Michael Gambon, Guy Pearce und Timothy Spall unterstützen Rush und Firth, die gemeinsam eine Dynamik entwickeln, die in jedem Moment mitreißt. Regisseur Tom Hooper zeichnet ein authentisches Porträt jener Zeit und der Figur König Georges VI, der zu seiner Rolle im Landesgeschehen gedrängt werden musste, anstatt die Herausforderungen zu akzeptieren. Das ist inspirierend und wichtig, mitunter bewegend, aber auch witzig. Es ist ein Drama, das einen hoffnungsvoll entlässt.


Fazit:
In vielen zotenreichen Filmen werden stotternde Figuren zur Belustigung des Publikums hergenommen. Regisseur Tom Hooper zeigt die sprachliche Einschränkung seines Protagonisten als psychische Belastung, die ihm sogar körperliche Schmerzen verursacht, wenn Albert/George VI verkrampft beim Versuch, die Worte, die ihm auf der Zunge liegen auszusprechen. Colin Firth bringt dies auf eine bewegende Art und Weise zum Ausdruck, so dass man nicht umhin kann, mit ihm mitzuleiden.
The King's Speech widmet sich weniger jener Zeit im Allgemeinen denn der Figur des Königs im Speziellen. Man erfährt Details der Zusammenhänge im Hintergrund, bekommt die Selbstzweifel und die Bürden jenes Amtes mitgeteilt. Das ist dank der Darsteller und der geschliffenen Dialoge packend und lehrreich. Es macht Mut und führt einem eindrucksvoll vor Augen, dass die größten Würdenträger in ihre Ämter nicht gewählt werden, sondern sich dazu berufen fühlen sollten. Und dass man sich den Herausforderungen des Lebens stellen und sich nicht vor ihnen verstecken sollte. Ein erstklassiges Werk!