Honeymoon [2014]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 8. Mai 2016
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: The Homesman
Laufzeit: 87 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Leigh Janiak
Musik: Heather McIntosh
Darsteller: Rose Leslie, Harry Treadaway, Ben Huber, Hanna Brown, Henry Lawrence


Kurzinhalt:

Wenige Tage nach ihrer Hochzeit reisen Bea (Rose Leslie) und Paul (Harry Treadaway) für ihre Flitterwochen zu einer einsamen Hütte am See. Das Glück der beiden könnte nicht größer sein, auch wenn Beas Wiedersehen mit dem Jugendfreund Will (Ben Huber) und dessen Frau Annie (Hanna Brown) irgendwie seltsam verläuft. In der darauffolgenden Nacht ist Bea urplötzlich verschwunden. Paul findet sie, vollkommen verstört, mitten im Wald. Ab diesem Moment ist Bea irgendwie verändert. Ihre stete Weigerung, Paul zu erzählen, was vorgefallen ist, lässt die Situation immer weiter eskalieren ...


Kritik:
Der kleine und durchaus sehenswerte Independent-Horror-Film Honeymoon eignet sich trotz des Titels nicht unbedingt für Frischverheiratete. Die titelgebenden Flitterwochen verbringen die beiden Hauptfiguren, die beinahe den gesamten Film allein vor der Kamera zu sehen sind, in einer abgelegenen Hütte hinter der kanadischen Grenze. Das allein ist nicht beunruhigend, wohl aber, wie sich eine Person hier verändert. Würde man die Auflösung nicht schon sehr früh serviert bekommen, würde es länger mitreißen.

Mehr noch als jede andere Produktion steht und fällt ein Film, der ausschließlich zwei Figuren folgt, mit eben diesen Charakteren. Bea und Paul sind eingangs in einer Videobotschaft zu sehen, die sie bei ihrer Hochzeit aufgenommen haben. Wie erfrischend es ist, dass Honeymoon kein Found-Footage-Film ist, nicht hoffnungslos mit Handkameras verwackelt, kann man gar nicht genug betonen. Regisseurin Leigh Janiak stellt ihr Filmpaar als immer noch frischverliebt vor, so dass die ersten 20 Minuten beinahe ausschließlich aus Szenen bestehen, in denen man die Zuneigung der beiden vorgeführt bekommt.

Rose Leslie und Harry Treadaway entwickeln dabei eine gelungene Chemie, die auch auf das Publikum übergeht. Mancher Dialog wirkt zwar gerade deshalb vollkommen fehlplatziert, doch diese Momente machen beide schnell wieder wett. Die Stimmung kippt, als Bea in der zweiten Nacht spurlos verschwindet und Paul sie splitternackt mitten im Wald stehend findet. Danach bemerkt Paul, dass seine Frau irgendwie verändert ist. Manche Worte scheinen ihr nicht einzufallen, sie wirkt zerstreut und hat seltsame Verletzungen an ihren Schenkeln. Mehr sollte man über Honeymoon nicht verraten, um die Spannung nicht kaputt zu machen.

Was an Leigh Janiaks Regiedebüt schnell auffällt ist, wie sicher die Filmemacherin ein Gespür für Spannung entwickelt. Wenn Paul Bea nachts zu suchen beginnt, folgt sie ihm in langen Einstellungen, ohne Schnitt und erzeugt somit eine derart beunruhigende Atmosphäre, dass die Geräusche an der Seite, gerade außerhalb des Sichtfeldes umso beängstigender wirken. Meist auf natürliche Lichtquellen reduziert, setzt sie Licht und Schatten gekonnt ein und führt ihre Darsteller durch die sichtlich fordernden Szenen des letzten Drittels sicher hindurch.
Handwerklich ist Honeymoon ein beeindruckender, minimalistischer Film, der seinen Horror lange Zeit aus dem zieht, was man nicht sieht oder weiß, sondern nur befürchtet. Erst später dringt Janiak zum Kern vor und zeigt dabei Szenen, die weder für Männer, noch für Frauen einfach zu ertragen sind. Die Reaktionen von Leslie und Treadaway hierbei sind beeindruckend gespielt.

Auch dank der zurückhaltenden, atmosphärischen Musik von Heather McIntosh kriecht der unterschwellige Horror in alltägliche Momentaufnahmen, ehe die Geschichte im letzten Drittel eine ganz andere Richtung geht. Die Storyentscheidungen, die dabei getroffen werden, sind angesichts des Genres durchaus mutig, aber gerade in den Nachtszenen so lange bereits vorbereitet, dass die Erklärung nicht wirklich überrascht. Auch wird das Ende der Verbundenheit der beiden Figuren nur wenig gerecht. Sieht man darüber hinweg, ist Honeymoon ein eindrucksvoll umgesetzter, sehr gut gespielter kleiner Horrorfilm, der wieder einmal belegt, dass wenn einem an einem abgelegenen Ort geraten wird, man wäre in Gefahr und solle abreisen, es auch tun sollte.


Fazit:
Es dauert lange, ehe Paul endlich abreisen möchte. Als Außenstehender mag man sagen, zu lange. Dabei verhalten sich die Figuren angesichts der seltsamen Situation überraschend natürlich. Die alltäglichen Nicklichkeiten, die hier das Glück des jungen Paares vergiften, werden von den beiden stark spielenden Darstellern toll dargebracht. Sie sind ebenso eine Überraschung wie die handwerkliche Umsetzung durch Regisseurin Leigh Janiak, die mit einem tollen Szenenaufbau und einem Gespür für Spannung durch Optik und Ton glänzt.
Ihr Honeymoon greift dabei die Tugenden von kleinen Horrorfilmen auf, die durch ein sich steigerndes Gefühl der Unruhe überzeugen, anstatt durch plumpen Splatter zu ekeln. Für ein Publikum, das sich darauf einlässt, ist das durchaus sehenswert. Was die Auflösung angeht, sollte man allerdings aufgeschlossen bleiben, denn es geht in eine ganz andere Richtung als man womöglich vermutet.