Hearts in Atlantis [2001]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 01. Mai 2005
Genre: Drama / Fantasy

Originaltitel: Hearts in Atlantis
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2001
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Scott Hicks
Musik: Mychael Danna
Darsteller: Anthony Hopkins, Anton Yelchin, Hope Davis, Mika Boorem, David Morse, Alan Tudyk, Tom Bower, Celia Weston, Adam LeFevre, Will Rothhaar, Timothy Reifsnyder, Deirdre O'Connell, Terry Beaver


Kurzinhalt:
Die Beerdigung seines Jugendfreundes Sully (Will Rothhaar) bringt den Romanautor Robert 'Bobby' Garfield (David Morse / Anton Yelchin) in seine Heimat zurück, wo er sich an seinen elften Geburtstag erinnert, an dem ein neuer Mieter in die Wohnung über der seiner Mutter eingezogen ist.
Während Elizabeth Garfield (Hope Davis) den neuen Mieter kaum registriert und sich nach dem Tod von Bobbys Vater auf ihre Arbeit konzentriert, findet der Junge schnell einen Draht zu dem etwas seltsamen Ted Brautigan (Anthony Hopkins). Der möchte Bobby sogar dafür bezahlen, wenn er ihm jeden Tag die Zeitung vorliest und auch in der Umgebung die Augen nach den "niederen Männern" offen hält, die ihn angeblich verfolgen.
Zu spät erkennt Bobby, dass hinter Teds Angst vor seinen Verfolgern viel mehr steckt. Dabei steht ihm zusammen mit seiner Freundin Carol (Mika Boorem) der letzte Sommer seiner Jugend bevor.


Kritik:
In den USA war Hearts in Atlantis so etwas wie eine kleine Premiere: es war der erste Kinofilm basierend auf einer Geschichte von Erfolgsautor Stephen King, der eine Freigabe geringer als "ab 17 Jahren" erhielt.
Dabei ist es immer wieder faszinierend, wie sehr es King in seinen Geschichten in die Zeit seiner Jugend zieht, und auch wenn in Scott Hicks Verfilmung keine genaue Jahreszahl gegeben ist, dass die zweite Zeitebene des Films in den 1960er spielt, ist offensichtlich. Dabei widmet sich der Autor einmal mehr einem ruhigen Thema mit ein wenig Mystery und Fantasy, aber auch wenn manch einer augenscheinlich an Stand by Me - Das Geheimnis eines Sommers [1986] oder Die Verurteilten [1994] denken möchte, an dieses Niveau reicht Hearts in Atlantis leider nie heran.

Hier die Schwachpunkte aufzuzählen ist mühselig, da es beinahe keinen Aspekt des Filmes gibt, der vollständig überzeugen kann. Dass Skriptautor William Goldman, der sowohl die Romanvorlage, als auch das Drehbuch zu Der Marathon Mann [1976] verfasste, und auch bereits Stephen Kings Misery [1990] für die Leinwand adaptierte, ohne Zweifel mit einem schwer verfilmbaren Werk aus der Feder des Autors zu kämpfen hatte, ist offensichtlich.
So gibt sich nicht nur die Story selbst sehr schleppend, insbesondere die Beziehung unter den verschiedenen Figuren bleibt dem Zuschauer meist vorenthalten. Es gibt keinerlei Andeutungen, wie lange die drei Freunde bereits befreundet sind – was dann auch nicht erklärt, weswegen nach 40 Jahren der erwachsene Bobby Garfield von Sullys Tod so mitgenommen sein soll, immerhin spielt Sully im Film nur eine untergeordnete Nebenrolle – und auch die Feindseligkeit zwischen den dreien und dem nur zwei Mal auftretenden Harry Doolin wird nicht näher beleuchtet. Doch das hierbei wichtigste Defizit ist in der Beziehung zwischen Ted und Bobby zu sehen, denn weder Bobbys Reaktionen, noch Teds Affinität gegenüber dem jungen Halbwaisen wird wirklich behandelt. Zwar muss man als Zuseher davon ausgehen, dass Bobby in Ted einen Ersatzvater sieht, deutlich wird das aber nicht.
So erweckt die Geschichte nicht nur hier ständig das Gefühl, als wäre sie rigoros zusammen gekürzt, weder Teds Fähigkeit, die zu lange im Unklaren gelassen wird, noch die plötzlichen Szenenwechsel, die abgekürzten Dialoge oder die nur halbgar erscheinende Rahmenhandlung machen einen durchdachten Eindruck. So ist auch am Schluss nicht wirklich klar, was die tiefergehende Aussage von Hearts in Atlantis sein soll – vieles lässt sich hinein interpretieren, wenig ergibt dabei aber einen tieferen Sinn, und Kenner der Vorlage werden die immerhin drei (!) anderen Zeitebenen vermissen, welche die übrigen Figuren näher beleuchten, aber bereits manchen Lesern des Romans auf Grund der unpassend erscheinenden Verquickung der Schrecken des Vietnam-Krieges mit Kings Parallel-Universum-Reihe Der dunkle Turm übel aufgestoßen sind.
So mäandriert die Geschichte in Goldmans Skript orientierungslos umher, bringt weder das menschliche Drama, noch den übersinnlichen Aspekt zur Geltung und präsentiert dabei Figuren, die sich auf Grund der fehlenden Tiefe völlig unverständlich verhalten. Ein paar gute Charaktermomente können bei der Vorlage auch nichts Entscheidendes mehr bewegen.

Dass die Darsteller verständlicherweise vor einem Problem stehen, wenn ihnen das Skript nichts entscheidendes bietet, womit sie arbeiten können, versteht sich von selbst, und so gibt es lediglich einige wenige Akteure, die versuchen, aus ihren Szenen das beste heraus zu holen.
Anthony Hopkins überzeugt als mysteriöser Untermieter der Familie Garfield, auch wenn er nicht wirklich etwas zu tun hat und mimisch selten gefordert ist. Doch allein seine Präsenz entschädigt für die äußerst fade und doch dann wieder extrem lebhafte Mimik von Anton Yelchin, der mit der Rolle des jungen Bobby schlichtweg überfordert scheint.
Da hilft es auch nichts, dass er für seine Darbietung mit dem Young Artist Award ausgezeichnet wurde, zu sehen wie er mimisch von einer lähmenden Passivität zu einer emotionsgeladenen Traurigkeit mit Tränengarantie schwankt, ohne dass für eines von beiden ein wirklicher Grund gegeben ist, ist zu aufdringlich, zu hölzern und zu erzwungen. Man hat das Gefühl, als wusste weder der junge Darsteller, noch der Regisseur, wie die Figur des Bobby sich verhalten soll.
Eine gute Darstellung liefert hingegen Mika Boorem, die zwar als Carol Gerber nicht stark gefordert ist, aber doch gegen Ende ein paar gute Szenen hat. Wirklich sehr gut spielt Hope Davis, deren Stimmungsschwankungen natürlich dargebracht werden und die bereits in Arlington Road [1999] bewies, dass sie einer anspruchsvollen Rolle gewachsen ist.
Erwähnenswert ist außerdem David Morse, dem als erwachsenem Bobby Garfield eine Subtilität gelingt, die allen übrigen Darstellern leider fehlt. Gerade gegen Schluss des Films hinterlässt er einen ausgesprochen guten Eindruck und man hätte sich gewünscht, dass er im Film mehr zu tun gehabt hätte.
Die übrige Besetzung kommt zwar (mit Ausnahme eines interessanten Kurzauftrittes von Alan Tudyk) nicht recht zum Zug, kann aber überzeugen, sodass Hearts in Atlantis zumindest mit soliden Akteuren aufwarten kann.

Die Inszenierung von Regisseur Scott Hicks, der wenige Jahre zuvor für Shine - Der Weg ans Licht [1996] immerhin für den Oscar nominiert worden war, mutet zwar auf den ersten Blick routiniert an, kann aber auf Grund einiger unverständlicher Entscheidungen ebenfalls nicht überzeugen.
Einerseits macht der unscharfe Weichzeichner bei den Bildern einen störenden und dem 1960er Jahren nicht angemessenen Eindruck, viel schwerer wiegen jedoch die Perspektiven, die Hicks für sein Drama auswählt. So werden gerade im ersten Drittel des Films Dialoge zumeist aus der Distanz gezeigt, so dass man diejenige Person, die spricht, nicht sieht – auch kommt es vor, dass die ersten Worte des Satzes in die Kamera gesprochen, der weitere Verlauf des Dialogs aber mit Fokus auf den Zuhörer gezeigt wird.
Dies ändert sich zwar im Lauf des Films, doch die weit distanzierten Aufnahmen bleiben weiterhin erhalten. Der Regisseur greift häufig zu Totalen und Weitwinkelaufnahmen, wobei der Abstand zu den Figuren störend wirkt, man gar keine Beziehung zu ihnen aufbauen kann. Auch beim Abschied zwischen Carol und Bobby ist dies der Fall, der sogar durch einen wehenden Vorhang gezeigt wird – selbst beim ersten Kuss geht Hicks auf Abstand und verlässt sich nicht auf die Professionalität seiner Darsteller, um die Emotionen zu zeigen.
Er beraubt das Drama seiner Intimität und hält sich damit auch die Zuschauer auf Distanz. Die Bilder selbst sind dabei nicht unoriginell oder schlecht eingefangen, nur passen sie nicht zum Thema des Films.

Komponist Mychael Danna, dem beim Drama Der Eissturm [1997] ein sehr zurückhaltender, aber passender Soundtrack gelang, musste für seine äußerst fremdartigen und fehlplatzierten Scores zu 8mm - Acht Millimeter [1999] und Hulk [2003] viel Kritik einstecken, dass ihm das Drama eher liegt, beweist er bei Hearts in Atlantis.
Seine Musik wartet mit einem sehr leisen, persönlichen Thema auf, ist gut gelungen und wird im Film auch entsprechend abgewandelt. Und doch werden seine Kompositionen häufig wiederholt eingespielt, sodass man sich des Gefühls nicht erwehren kann, man hätte die Sequenz bereits gesehen (was durch die inhaltlichen Schwächen noch verstärkt wird). Dennoch ist sein Score gut gelungen und passt auch gut zur Stimmung des Films.
Das Highlight sind hingegen ohne Zweifel die unzähligen Songs aus den 60er Jahren, die im Film zu hören sind und die Zeit der Geschichte spürbar werden lassen. Dass nicht einmal ein Bruchteil davon auf der Soundtrack-CD enthalten ist, ist tragisch. So viele Klassiker und Ohrwürmer (gerade passend für den Sommer) hat man jedoch selten gehört – Fans werden aus dem Schwelgen kaum heraus kommen.

Mit Der Musterschüler [1998] und The Green Mile [1999] feierten zwei außergewöhnlich gute Stephen King-Verfilmungen Ende der 90er Jahren ihren Einstand im Kino, dass ausgerechnet der erste Film im neuen Jahrtausend so enttäuscht ist bedauerlich, doch war dies nur Wegbereiter auf den ebenfalls von Goldman adaptierten Dreamcatcher [2003], der einen noch schwächeren Eindruck hinterlässt.
Dabei ist Hearts in Atlantis nicht schlecht, nur unentschlossen und ohne Führung. Denn während die Geschichte mit ihrem mystischen Ansatz gefällt und auch die Rahmenhandlung zunächst interessiert, verlaufen sich diese Ansätze in einem unausgegorenen Skript, das weder eine Dramaturgie zustande bringt, noch glaubhafte Figuren zum Leben erweckt.
Die unterkühlte Regie von Scott Hicks besiegelt hier nur, was das Drehbuch bereits gründlich vorbereitet hat.


Fazit:
Bei Scott Hicks Schnee, der auf Zedern fällt [1999] wurde sein Kameramann für den Oscar nominiert – doch leider griff er für Hearts in Atlantis zu einem anderen Spezialisten für die Optik. Diesem gelingt es, mit seinen viel zu distanzierten Bildern das Drama in zu großer Entfernung zum Zuschauer abspielen zu lassen, sodass man dem Geschehen unberührt beiwohnt.
Doch damit nicht genug driftet die Grundgeschichte ohne Höhepunkte oder ein genaues Ziel in den 100 Minuten umher, vermag zwar anfangs zu interessieren, aber nie mitzureißen. Nimmt man noch die beiden uninspirierten Darstellerleistungen der Hauptakteure hinzu ergibt das einen ermüdenden Mix, dem die Produktion auch nicht durch die mysteriöse Atmosphäre entkommen kann.
Darum pendelt sich die Stephen King-Verfilmung auf einem äußerst durchschnittlichen Niveau ein und enttäuscht nicht nur all jene, die ein charakterbetontes Drama im Stile von Dolores [1995] oder Stand by Me erwartet haben.