Enthüllung [1994]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. Juni 2004
Genre: Thriller / Science Fiction

Originaltitel: Disclosure
Laufzeit: 128 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1994
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Barry Levinson
Musik: Ennio Morricone
Darsteller: Michael Douglas, Demi Moore, Donald Sutherland, Caroline Goodall, Roma Maffia, Dylan Baker, Rosemary Forsyth, Dennis Miller, Suzie Plakson, Nicholas Sadler, Jacqueline Kim


Kurzinhalt:
Tom Sanders (Michael Douglas) ist Leiter der Entwicklungsabteilung der Computerfirma DigiCom und hofft auf eine Beförderung. Doch an seiner Stelle bekommt Meredith Johnson (Demi Moore) den Posten, mit der Tom vor seiner Heirat mit Susan (Caroline Goodall) eine Beziehung hatte.
Als seine Chefin zitiert Meredith den Familienvater am Abend in ihr Büro und versucht, ihn zu verführen, doch Sanders geht darauf nicht ein. Tags darauf bezichtigt Meredith ihn der sexuellen Belästigung, und Tom soll seinen Platz räumen. Doch der trotzt dem DigiCom-Vorsitzenden Bob Garvin (Donald Sutherland) und geht in die Offensive. Zusammen mit der Anwältin Catherine Alvarez (Roma Maffia) verklagt er Meredith wegen sexueller Belästigung.
DigiCom steht kurz vor einer Fusion und ein solcher Skandal würde Garvin überhaupt nicht gefallen. Doch hinter Merediths Komplott steckt mehr als es scheint; Sanders muss sowohl um seine Familie, als auch um seinen Job kämpfen.


Kritik:
Als § 10 des "Beschäftigungsschutzgesetzes" wurde 1994 das "Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz" erlassen, laut dem unter sexuelle Belästigung neben den ohnehin strafbaren Handlungen nach dem Sexualstrafrecht, auch "sonstige sexuelle Handlungen und Aufforderung zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie Zeigen und sichtbares Anbringen von pornographischen Darstellungen, die von den Betroffenen erkennbar abgelehnt werden" fallen.
Dabei ist sexuelle Belästigung keineswegs ein Novum, vermutlich ist es schon so alt, wie die Machtverhältnisse unter den Menschen selbst. Doch während man allgemein diese Belästigung nur gegen Frauen gerichtet versteht, geht Romanautor Michael Crichton, der zuvor mit seiner Vorlage des Science-Fiction-Films Jurassic Park [1993] für Aufsehen sorgte, einen ganz anderen Weg. In seiner Geschichte ist der Mann der unterdrückte, derjenige, der gedemütigt wird. So verwundert es nicht, dass einem viele Rollen im Film vertauscht vorkommen, denn auch wenn man heute in einer grundsätzlich aufgeklärten Zeit lebt, dass Männer von Frauen unterdrückt werden, möchte man sich doch gar nicht recht vorstellen – oder eingestehen. Doch neben dem damals wie heute äußerst brisanten Element, findet sich in Enthüllung auch das wieder, was Crichton ganz ohne Zweifel schon seit jeher interessiert hat: ein technisches Element, das Quäntchen Science Fiction, das sich durch beinahe alle seine Bücher zieht. In dem Fall ist es der Virtual Reality Room, der damals leider so fantastisch scheint wie heute, denn trotz 10 Jahre technischer Evolution ist man von einer derartigen Darstellung immer noch weit entfernt, was die ernste Komponente seiner Vorlage jedoch nicht schmälert.

Drehbuchautor Paul Attanasio, der auch Crichtons Roman Sphere - Die Macht aus dem All [1998] adaptierte, gelang hier eine wirklich gute Mischung aus den beiden Elementen, der Technik und dem realitätsbezogenen Dramaelement, das einen Familienvater in einer ausweglosen Situation zeigt. Dabei steht eine überaus sympathische Figur im Vordergrund, deren weiße Fassade dann aber zu bröckeln beginnt.
Die Art und Weise, wie die Charaktere eingeführt werden ist äußerst gut gelöst, alle Figuren bekommen ihre einzelnen Momente zugeschrieben und dürfen bisweilen auch in kleinen Monologen und One-Linern auf sich aufmerksam machen. Mit Tom Sanders mitzufühlen ist schon deshalb recht einfach, weil man ihn in der Opferrolle gesehen hat, es geht also nicht darum, den Zuschauer auf die Folter zu spannen, ob er Meredith nun genötigt hat, oder nicht, sondern vielmehr, wie (und ob) es ihm gelingt, ihr Netz aus Lügen und Intrigen zu durchbrechen. An seiner Seite steht Susan, die vielleicht farbloseste Figur im Film, weil nie so recht klar wird, weswegen sie so handelt, wie sie es tut. Ihr Ärger verfliegt zu schnell, ebenso hastig kommt ihre Entscheidung, zu ihrem Gatten zu stehen zum Vorschein.
Mit Meredith Johnson schrieben Crichton und Attanasio eine der hinterhältigsten und bösartigsten Filmbösewichtinnen, die man seit langem gesehen hat. Zu sehen wie sie ihre Intrigen spinnt und sich anschließend auch noch im Recht sieht, treibt einem die Zornesröte auf die Stirn. Leider zu kurz kommt hingegen Bob Garvin, der zwar von Donald Sutherland sehr gut gespielt wird, aber kaum etwas zu tun hat.
Die Geschichte ist, der Vorlage entsprechend mit vielen überraschenden Wendungen gespickt und nimmt im letzten Drittel gar eine ganz andere Richtung, als man es erwartet hätte – eines bleibt dabei aber im Unklaren: die Motivation, weswegen Sanders all das angetan werden soll. Es wird nicht richtig deutlich, ob es sich wirklich nur um einen persönlichen Rachefeldzug handelt, oder ob mehr dahinter steckt.
Doch dank der pointierten, zum Teil sehr bösartigen Dialoge, der spannenden Erzählweise und der natürlichen Charaktere verzeiht man einen solchen Ausrutscher gern. Das Skript von Enthüllung gehört zweifelsohne zu den besseren Crichton-Adaptionen, und ist dabei ebenso brisant wie spannend geraten.

Dass man als Zuschauer mit Sanders mitfühlt liegt zu einem großen Teil verständlicherweise auch an Michael Douglas, der hier wie gewohnt eine engagierte Darbietung abliefert. Als Familienvater und Teamleiter überzeugt er ebenso, wie als in die Ecke getriebener Mann, der seine persönliche Zukunft bedroht sieht. Seine Handlungen sind stets nachvollziehbar, und dank der guten Mimik, mit der Douglas auch die ironischen Szenen meistert, sowie der hervorragend präsentierten Dialoge, findet man auch sehr schnell Zugang zu ihm. Ohne ihn hätte man sich den Film kaum vorstellen können.
Aber auch Demi Moore ist in der Rolle der intriganten Karrierefrau exzellent besetzt. Ihr verruchtes Auftreten überrascht dabei zu Beginn ebenso, wie ihr fast schon schulmädchenhaftes Erscheinen vor dem Vergleichsgericht. Donald Sutherland ist vor allem dann am besten, wenn er die Beherrschung zu verlieren droht, doch leider bekommt man ihn zu selten zu sehen. Die Rolle steht ihm zweifellos.
Caroline Goodall kommt als geprellte Ehefrau ebenfalls zu kurz, und doch baut sie in den wenigen Szenen eine Verbindung zum Zuschauer auf, die für ihre Glaubwürdigkeit unbedingt notwendig war. Dagegen wirkt die bissige Anwältin, gespielt von Roma Maffia, fast schon farblos. Zwar trägt Maffia die spitzen Dialoge gekonnt vor und gehört zweifelsohne zu den Sympathieträgern des Films, ihr Charakter bleibt dennoch am konturlosesten.
Die Besetzung passt auf jeden Fall gut in die Rollen, auch Dylan Baker, der hier aber weit weniger leisten muss, als in Thirteen Days [2000], so dass keine Wünsche offen bleiben.

Inszenatorisch beweist Barry Levinson einmal mehr außerordentliches Talent, wenn es um Optik geht. Mit interessanten Kameraeinstellungen, die die Szenerie aus ungewohnten Blickwinkeln zeigen, einem gekonnten Ausnutzen der Kulissen (besonders im gläsernen Bürogebäude) und den interessanten Kamerafahrten, gelingt ihm ein überaus erfrischender und spannender Erzählrhythmus, der zum Ende hin in den Szenen entsprechend an Tempo zunimmt.
Die Dialoge wirken nie überhastet oder gehetzt, die Szenen immer ausgenutzt und auch die computergenerierten Bilder im Virtual Reality Room bewegen sich auf demselben hohen Niveau.
Levinson, der später auch Sphere inszenierte, bewies schon mit Good Morning, Vietnam [1987] und Rain Man [1988], dass er Dramen unterhaltsam und doch spannend inszenieren kann, insofern verwundert es nicht, dass er auch in Enthüllung die Spannungsschraube konstant anzieht.

Dies wäre dem Regisseur noch besser gelungen, würde Komponist Ennio Morricone nicht mit aller Wucht versuchen, den Spannungsaufbau mit seiner Musik wieder zu vernichten.
Kenner des Altmeisters mögen sich da fragen, was ein mehrfach oscarnominierter Musiker, der mit seiner unvergesslichen Musik für Spiel mir das Lied vom Tod [1968] Filmgeschichte schrieb, denn bei einem Projekt wie diesem falsch machen kann; nun, eine ganze Menge. Vielleicht liegt es ja daran, dass der inzwischen 76 Jahre alte Komponist in seiner Karriere an über 500 (!) Projekten mitgewirkt hat, aber auch wenn ihm für Enthüllung einige zweifelsohne sehr melodiöse Themen gelungen sind, im Film passt leider so gut wie kein Motiv wirklich zu den gezeigten Bildern. Entweder dümpelt die Musik lustlos vor sich hin, oder aber es zirpen Synthesizerklänge aus den Boxen, dass einem die Haare zu Berge stehen. Und eben weil sich angenehm orchestrale Themen so wie Synthesizermelodien eingefunden haben, klingt ihr Zusammenspiel so gekünstelt, fast schon abstoßend nach 70er- und 80er-Jahre Trash-Filmen. Kein Wunder, dass der Soundtrack nur kurze Zeit verfügbar war, und heute nur noch Restbestände durch die Läden geistern.
Für sich genommen sind die Themen nicht wirklich schlecht, nur als Soundtrack zum Film wirkt der Score in den meisten Szenen kontraproduktiv, und bleibt nur dadurch im Gedächtnis, dass er durchweg unpassend ist.

Doch bleibt einem nach den unterhaltsamen zwei Stunden weit mehr im Gedächtnis, als eine unterdurchschnittliche musikalische Untermalung; dass der Film den in den USA ab 17 Jahren freigegeben war, verwundert nicht, doch auch die Freigabe ab 12 Jahren kann man nicht so recht nachvollziehen. Die Dialoge und die Thematik hätten für sich genommen eine höhere Einstufung gerechtfertigt, auch wenn man von den sexuellen Handlungen nichts zu sehen bekommt.
Und doch spielt der Film mit Sex, ebenso wie seine Protagonistin Sex als Machtinstrument einsetzt. Was wie ein männliches Klischee klingt, wird hier ins Gegenteil verkehrt und gegen die meist dominanten Männer eingesetzt. Einen solchen Knick haben viele Leser des Buches und Zuschauer nicht erwartet, man braucht sich also nicht wundern, dass kurz nach Erscheinen des Buches in den USA die ersten Klagen gegen weibliche Vorgesetzte folgten. Dabei zeigt Enthüllung aber auch, dass die Machtrollen ohne weiteres getauscht werden können, da es nicht auf das Geschlecht ankommt, sondern auf den individuellen Charakter, den die Macht korrumpiert. Und das tut sie fast immer – bei manchen braucht es eben mehr, als bei anderen.


Fazit:
Mit seiner überaus spannenden Inszenierung gelang Barry Levinson ein interessantes Portrait, das ein Klischee unserer Zeit auf den Kopf stellt und dabei die eigentliche Diskriminierung gleich mit. Ob Frauen nun von Männern unterdrückt und ausgebeutet werden, oder anders herum, sollte keine Rolle spielen – es ist immer Unrecht.
Mit Enthüllung entfachte Autor Crichton ein kleines Feuer im prüden Amerika und dem Film gelang ein ähnlicher Effekt. Dabei kommt die Story bei weitem nicht so moralschwanger daher, wie sie sich anhört, stattdessen versteckt sich darin ein intelligenter und bisweilen amüsanter Thriller, den man (abgesehen von dem Virtual Reality-Element und der unpassenden Musik) schon als zeitlos bezeichnen könnte.
Die gut aufgelegten Darsteller und das pointierte Drehbuch tragen der einfallsreichen Geschichte Rechnung und belohnen das Publikum mit einem Film, der deutlich besser ist als sein Ruf.