Donnie Darko [2001]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 31. Juli 2005
Genre: Unterhaltung / Drama / Science Fiction

Originaltitel: Donnie Darko
Laufzeit: 107 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2001
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Richard Kelly
Musik: Michael Andrews
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Holmes Osborne, Maggie Gyllenhaal, Daveigh Chase, Mary McDonnell, James Duval, Patrick Swayze, Jolene Purdy, Beth Grant, Jena Malone, David Moreland, Noah Wyle, Drew Barrymore, Patience Cleveland, Katharine Ross


Kurzinhalt:
Auf den ersten Blick ist Donnie Darko (Jake Gyllenhaal) ein ganz gewöhnlicher Teenager, doch da sind sowohl seine Familie, als auch seine Psychiaterin Dr. Thurman (Katharine Ross) anderer Meinung; als der introvertierte Donnie seine Medikamente absetzt, beginnen erneut Halluzinationen, die sich in dem bedrohlich wirkenden, manngroßen Hasen Frank äußern, der Donnie mitteilt, dass in weniger als 29 Tagen die Welt untergehen wird.
Doch während Donnie schlafwandelnd Frank folgt, wird sein Zimmer von einer vom Himmel fallenden Flugzeugturbine zerstört – in den folgenden Wochen lernt der schüchterne Donnie die neue Schülerin Gretchen Ross (Jena Malone) kennen, und sieht sich immer wieder der Verschlossenheit seiner Umgebung gebenüber. Gleichzeit erscheint ihm immer häufiger Frank, der ihn zwingt, Häuser und Monumente zu verwüsten, wobei die Taten immer willkürlicher und gefährlicher werden ...


Kritik:
Wie ein Kult entsteht, ist in aller Regel schwer nachvollziehbar; im Falle von Donnie Darko ist es ansich kaum möglich, denn die sechs Millionen Dollar teure Independent-Produktion wäre um ein Haar nicht in die amerikanischen Kinos gekommen (hierzulande feierte der Film von einigen Festivals abgesehen nur auf Video/DVD Premiere), und lief dort in 58 Kinos, wo er insgesamt etwas mehr als eine Million Dollar wieder einnahm – trotz der geringen Kopienanzahl ist dies kein Erfolg.
Auch in Amerika war der Film vor seiner Kinoveröffentlichung bereits auf Festivals gezeigt worden, dort allerdings in einer knapp 50 Minuten längeren Fassung; erst als das Spielfilmdebut von Regisseur Richard Kelly im Heimvideobereich veröffentlicht wurde, begann der Erfolg des Films sich abzuzeichnen. Dort avancierte der Tripp in den Kopf des haluzinierenden Donnie schnell zum Geheimtipp und wurde schnell so erfolgreich, dass die amerikanische Verleihfirma den Regisseur bat, einen "Director's Cut" zu veröffentlichen; dieser geht etwas länger als zwei Stunden und soll angeblich mehr Licht auf einige Aspekte des Films werfen, ob dieser dadurch verständlicher wird, sei dahingestellt.

Abgesehen von zwei Kurzfilmen, die Richard Kelly nicht nur inszenierte, sondern auch schrieb, stellt Donnie Darko für ihn sowohl das Spielfilmregiedebut, als auch sein erstes, abendfüllendes Skript dar; was ihm dabei ohne Zweifel äußerst gut gelingt, ist dem Zuschauer eine Fülle an Informationen und Gedanken mit auf den Weg zu geben, die sich allerdings nur beim aufmerksamen Ansehen des Films stellen werden.
Dabei stellt das Drehbuch neben äußerst philosophischen Fragen (wie was alles nicht aufgedeckt würde, wenn man dem Schicksal seinen Lauf lässt) auch äußerst beunruhigende, die allesamt mit Donnies imaginärem Freund Frank zu tun haben. Hier wird auch das gefährliche Potential der Einbildungen der ansich sympathischen Hauptfigur deutlich, denn was Kelly leider nicht deutlich werden lässt, ist ob Donnie, da er weiß, dass Frank nur eine imaginäre Figur ist, sich Franks Befehlen nicht entziehen könnte. So vermittelt das Drehbuch unterbewusst den Gedanken, dass Donnie diese Taten trotz alledem hätte verüben wollen – und so eine Figur als Sympathieträger in den Mittelpunkt zu stellen ist überaus bedenklich.
Wodurch sich die Vorlage, abgesehen von einer vollkommen unvorhersehbaren Handlung, ebenfalls auszeichnet ist die Vielzahl an interessanten, weil hintergründigen Dialogen, die viel mehr Tiefe beweisen, als man auf den ersten Blick vermuten würde; einzeilige Sprüche, die einen als Zuschauer zudem unvorbereitet treffen, sind ebenso häufig zu finden – abgerundet wird das Ganze allerdings von einer Diskussion über die Schlumpf-Hierarchie, die ebenso einfallsreich wie bemerkenswert geraten ist ... Quentin Tarantino hätte das nicht besser machen können.
Wie durchgängig die Story letztlich ist, muss jeder Zuschauer für sich entscheiden, und in gewissem Maße ergibt die Auflösung auch einen Sinn, gleichwohl sie dem in Hollywood häufig propagierten "kein Schicksal"-Philosophien gänzlich zuwider läuft.

Auf große Schauspielernamen konnte sich die Independent-Produktion zwar nicht verlassen, doch dafür glänzt der ungewöhnliche Film mit einer Vielzahl talentierter, wenn auch weniger bekannter Mimen; allen voran Jake Gyllenhaal, der aus einer Künstlerfamilie stammt, und dessen Schwester hier im Film auch als seine Schwester zu sehen ist. Gyllenhaal gelingt der Drahtseilakt zwischen introvertiertem Teenager und teuflischen Instrument seiner eigenen Phantasien sehr gut, durch sein sympathisches Auftreten und seine ruhige Mimik trägt er den Film auch souverän. Seither war der zum Drehzeitpunkt erst zwanzigjährige Jungdarsteller in vielen Produktionen zu sehen, die bekannteste gleichsam auch das genaue Gegenteil von Donnie Darko: The Day After Tomorrow [2004].
Auch die restlichen Mitglieder der Familie Darko sind gut besetzt, allen voran mit Mary McDonnell (bekannt aus Der mit dem Wolf tanzt [1990] und neu in der Science Fiction-Serie Battlestar Galactica [seit 2003]) und Holmes Osborne, die beide überzeugende Arbeit leisten und auch die Szenen mit Jake Gyllenhaal zur Geltung bringen.
Von der übrigen Besetzung fällt zweifelsohne Patrick Swayze auf, der hier in die Schuhe einer gänzlich ungwohnten Figur schlüpfen darf, ebenso wie Katharine Ross und Noah Wyle, der aber wie Drew Barrymore nur eine kleine Rolle hat (letztere fungierte hier auch als Produzentin).
In Erinnerung bleiben auch David Moreland und Beth Grant, die das Spießbürgertum gekonnt zum Ausdruck bringen, und Jena Malone, die zwar nicht viel zu tun hat, aber eine solide Darbietung liefert.
Die übrige Besetzung ist stimmig ausgewählt und passt sehr gut zum vielschichtigen und charakterstarken Main-Cast.

Inszenatorisch wartet Donnie Darko dank des surrealen Settings mit einer Vielzahl gekonnter und ungewöhnlicher Perspektiven und interessanter Schnittfolgen auf, die von Kameramann Steven B. Poster in teils malerische, teils beängstigende Bilder getaucht werden; auch wenn Poster schon seit vielen Jahren in Film und Fernsehen bekannt ist, seine vielleicht bekannteste Arbeit stellt das Musik-Video "Like a Prayer" von Madonna dar.
Interessanterweise wird auf den Einsatz von Farbfiltern großteils verzichtet, dafür schmückt Regisseur Kelly den Film mit einigen sehr ungewöhnlichen, weil unauffälligen und ansich nicht unnatürlich erscheinenden Effekten, die die ungewöhnliche Handlung seines Films aber sehr gut unterstreichen. Mit einem Gespür für ausgefallene Blickwinkel, dezent und passend eingesetzten Zeitlupen und dank der geschickten, und ebenso bisweilen Furcht einflößenden Schnittarbeit von Cutter Eric Strand (Lethal Weapon 4 - Zwei Profis räumen auf [1998]), ist allen Beteiligten ein handwerklich sehr gut und vor allem innovativ umgesetzter Film gelungen, der sich nur schwer in eine Kategorie zwängen lässt.
Durch die dichte und bedrückende Atmosphäre fällt auch die ansich nur mit wenigen Spannungsmomenten gespickte Laufzeit von nicht ganz zwei Stunden kaum auf.

Für Komponist Michael Andrews stellt Donnie Darko ebenfalls das bis dahin größte Projekt dar, über seine Untermalung der stimmungsvollen Bilder kann man allerdings nicht viel sagen; seine atmosphärischen Klänge tragen sicher einen Großteil zur bedrohlichen Stimmung bei, und dank einiger unterschiedlicher Themen beweist der Score auch seine Vielseitigkeit, aber zum Hören ohne den Film eignet er sich kaum.
Ebenso gelungen ist die Auswahl gesungener Lieder, die passend zur Zeit des Films aus den späten 1980er Jahren stammen und bisweilen eher unfreiwillig in den Film übernommen wurden; für zahlreiche Lieder konnten die Lizenzfragen nicht geklärt werden, weswegen beispielsweise auf das Stück "Notorius" von Duran Duran ausgewichen werden musste.
Das größte Lob darf man Andrews allerdings für seine Neuinterpretation des Tears for Fears Klassikers "Mad World" zusprechen, das von Gary Jules gesungen wird und am Ende des Films zu hören ist. Nicht nur, dass der Song gekonnt den Ton des Films einfängt, zurecht erklomm der Song auch zahlreiche Hitlisten nach Veröffentlichung des Films.

Immer wieder kommt es vor – zumeist im Kino –, dass man Menschen ungewollt zuhört, die über den Sinn eines Films sprechen, da sie dessen Handlung nicht verstehen; wem dies wie leider geschehen, bei Independence Day [1996] geschieht, der muss zweifelsohne feststellen, dass diejenigen Zuschauer, die bei Roland Emmerichs großteils sinnfreier Zerstörungsorgie an ihre geistigen Grenzen gelangen, ihr Unverständnis lieber für sich behalten sollten – wenn sie denn darauf aus sind, ernst genommen zu werden.
Andererseits ist es keine Schande und auch überhaupt nicht verwunderlich, wenn man am Ende von Donnie Darko kapituliert und sich eingesteht, die Absichten von Regisseur Richard Kelly nicht wirklich verstanden zu haben. Sicher ist, dass gerade im Rückblick der Science Fiction-Anteil deutlich höher war, als zunächst angenommen, und wenn man sich die Paradoxe Situation vor Augen führt, die der Riesenhase Frank erst verursacht und dann wieder ausgebügelt hat, dann bleibt nur die Schlussfolgerung übrig, dass die Zukunft doch vorherbestimmt ist, und Donnie das Raum-Zeit-Kontinuum so sehr gestört hat, dass es drohte, die Erde zu zerstören ... aber das sind nur Theorie, recht fantastische, zugegebenermaßen, aber nichts desto weniger Theorien, die der Regisseur mit seinem Film auch ermutigen wollte.
Er selbst gestand, dass es vielerlei Interpretationsmöglichkeiten für Donnie Darko gebe, und auch wenn der immerhin 20 Minuten längere Director's Cut angeblich eine durchgängigere Story erzählen soll, mehr Licht wird angeblich trotzdem nicht ins Dunkel geworfen; so bleibt am Schluss bei all denjenigen Zusehern, die den Film wirklich gut fanden, eine Frage übrig: Wieso?


Fazit:
Mit einer Drehzeit von nur 28 Tagen gelingt Regisseur Richard Kelly hier ein inhaltlich äußerst interessantes, handwerklich sehr gut und vor allem einfallsreich umgesetztes Experiment, das in dem Genre sicher seines gleichen sucht. Welche Kernaussage sich allerdings hinter Donnie Darko versteckt, darüber schweigen sich die Macher aus – vermutlich, weil sie es selbst nicht wissen.
Doch wenn es einem Film gelingt, den Zuschauer zum Nachdenken zu animieren, dann ist dies nicht nur eine Kompliment an die Produzenten, sondern auch ein gutes Zeichen dafür, dass auch heute noch immer wieder solche Filme das Licht der Welt erblicken. Vielleicht ist es genau die Unberechenbarkeit der geschilderten Erlebnisse von Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal, die den Film erst in den Kultstatus erhoben haben.
Handwerklich innovativ umgesetzt bietet Kellys Film viele Interpretationsmöglichkeiten und diejenigen Zuschauer, die sich auf etwas unvorhersehbares einlassen, werden dabei auch nicht enttäuscht – nicht zuletzt dank der sehr guten Darstellerleistungen und der bedrohlich-bedrückenden Atmosphäre.