Der Herr der Ringe – Die zwei Türme [2002]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Lars Adrian  |   Hinzugefügt am 22. Dezember 2002
Genre: Fantasy

Originaltitel: The Lord of the Rings: The Two Towers
Laufzeit: 172 min.
Produktionsland: Neuseeland / USA
Produktionsjahr: 2002
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Peter Jackson
Musik: Howard Shore
Darsteller: Viggo Mortensen, Orlando Bloom, John Rhys-Davies, Sean Astin, Elijah Wood, Andy Serkis, Dominic Monaghan, Billy Boyd, Ian McKellen, Christopher Lee, Bernard Hill, Miranda Otto, David Wenham, Karl Urban, Brad Dourif, Craig Parker, Liv Tyler, Hugo Weaving, Cate Blanchett
 

Kurzinhalt:
Die Handlung setzt an einem der mitreißendsten Ereignisse aus Der Herr der Ringe – Die Gefährten [2001] wieder an: Gandalf der Graue (Ian McKellen), von dem Balrog in den bodenlosen Abgrund der Höhlen von Moria gezogen, liefert sich im Fallen mit dem bösen Geist einen erbitterten Kampf, aus dem Gandalf letzten Endes nicht nur als Sieger, sondern auch als neuer Weißer Zauberer hervorgeht.
Die Hobbits Frodo Beutlin (Elijah Wood) und sein treuer Gefährte Samweis Gamdschie (Sean Astin) befinden sich auf dem Weg nach Mordor, dem Reich des Dunklen körperlosen Herrschers Sauron, dessen Allsehendes Auge über dem Turm Barad-dûr Ausschau nach dem Ring der Macht hält, den Frodo im Schicksalsberg zerstören muss. Doch sie werden von dem sonderbaren Geschöpf Gollum (Andy Serkis) verfolgt, der einst selbst in Besitz des Ringes war und nur noch von einem Gedanken angetrieben wird: Seinen "Schatz" zurückzuerlangen!
Aragorn (Viggo Mortensen), Elbe Legolas (Orlando Bloom) und Zwerg Gimli (John Rhys-Davies) sind unterdessen einer Gruppe von Uruk-hai auf der Spur, die die beiden Hobbits Merry (Dominic Monaghan) und Pippin (Billy Boyd) verschleppt haben und zu ihrem Herrn, dem bösen Zauberer Saruman (Christopher Lee), nach Isengart zum Turm Orthanc bringen sollen.
Als die Orks im Königreich Rohan von einer Truppe Eorlingas unter der Führung von Éomer (Karl Urban) angegriffen werden, können Pippin und Merry in den geheimnisvollen Wald Fangorn flüchten. Dort begegnen sie dem seltsamen Baumwesen Baumbart (Stimme: John Rhys-Davies), einem Ent, die zu den ältesten Geschöpfen Mittelerdes zählen.
Auf der Suche nach den entführten Hobbits treffen Aragorn und seine beiden Gefährten auf den veränderten Gandalf, der mit ihnen nach Edoras zu Théoden (Bernard Hill), dem König von Rohan, reitet, um das Volk der Rohirrim in ihrem Krieg gegen die Ork-Armeen Isengarts zu unterstützen. Doch Théodens Gedanken wurden über lange Zeit hinweg von seinem zwielichtigen Berater Gríma Schlangenzunge (Brad Dourif) vergiftet, und es kostet Gandalf viele Mühen, Théoden von seiner Schwäche zu heilen und Schlangenzunge aus Rohan zu vertreiben.
Frodo und Sam werden mittlerweile von Faramir (David Wenham), dem Bruder des im vorhergehenden Film von Orks getöteten Boromir (Sean Bean), aufgegriffen. Faramir ist den Hobbits nicht unbedingt freundlich gesonnen und würde den Ring der Macht trotz der Gefahr gerne dafür einsetzen, das Reich von Gondor gegenüber Sauron zu stärken.
Allerdings bleibt auch Saruman nicht untätig. Er rüstet seine Orks zu Tausenden, um auf Geheiß Saurons die Welt der Menschen zu vernichten.
Théoden zieht sich mit seinem Volk und den neuen Freunden in die Hornburg bei Helms Klamm zurück. Dort kommt es zur alles entscheidenden Schlacht zwischen Orks und den Menschen, während sich Saruman in Isengart vollkommen unerwarteten Gegnern stellen muss.


Kritik:
Regisseur Peter Jackson und sein Team hatten es in mehrfacher Hinsicht mit Der Herr der Ringe – Die zwei Türme nicht leicht:
Zum einen lastete schon aufgrund des riesigen Erfolgs des ersten Teils, Die Gefährten, ein ungeheurer Druck auf den Filmemachern, die Zuschauer (dabei insbesondere die Fans des ersten Films und der Bücher) und Kritiker gleichermaßen mit diesem zweiten Abschnitt der insgesamt drei Filme nicht zu enttäuschen.
Zweitens gelten die Bücher drei und vier des Fantasy-Werks Der Herr der Ringe von J.R.R. Tolkien – bei den meisten Lesern als Band 2: Die zwei Türme, bekannt – als die am Schwierigsten zu verfilmenden, weil sie inhaltlich sehr komplex sind, mehrere Handlungsstränge enthalten, die nicht unbedingt in direktem Zusammenhang stehen, und von der ganzen Thematik her deutlich düsterer angelegt sind, wie man auch schon an der umfangreichen Inhaltsangabe erkennen kann.
Außerdem bietet eben diese Geschichte enorme technische Herausforderungen, die zum Teil weit über bisher Gezeigtes hinausgehen.
Dazu gesellen sich die zu erwartenden Schwierigkeiten, den mittleren Film einer (wahren) Trilogie zu liefern, der als Bindeglied zwischen dem Anfang und dem Ende der gesamten Geschichte dienen muss.

Beim Ansehen von Der Herr der Ringe – Die zwei Türme hatte ich das Gefühl, dass gerade die Drehbuchautoren mit dieser Last ein wenig zu kämpfen hatten. Das ist etwas erstaunlich, denn sowohl das Schreiben der Skripts, als auch die Dreharbeiten für alle drei Teile haben in einem Stück stattgefunden und im Vorgänger ist von Problemen diesbezüglich nichts zu erkennen.

Die Rezension eines Herr der Ringe-Filmes muss – soweit möglich – auf zwei Ebenen erfolgen: Es sind die beiden Fragen zu beantworten, ob es sich um einen guten Film handelt, der auch ohne Kenntnis der Bücher funktioniert, und ob die Adaption der literarischen Vorlage gelungen ist.
Die Messlatte, die sich die Macher mit Die Gefährten gesetzt haben, ist dabei allerdings äußerst hoch, denn dort war das Ergebnis in Bezug auf beide Fragen schlicht perfekt. Dieses hochgesteckte Ziel zu erreichen, dürfte sehr schwer sein.

Der Einstieg in Die zwei Türme erfolgt zunächst etwas hart und unvermittelt. Einen Rückblick oder Prolog hinsichtlich der Geschehnisse des ersten Teils gibt es nicht, und es wird davon ausgegangen, dass der Zuschauer sowohl mit der großen Anzahl von Namen, den Charakteren und den Beziehungen derselben untereinander, als auch den früheren Ereignissen vertraut ist.
Da auf einige neue Szenen – wie zum Beispiel Galadriels Geschenke – der Special Extended Edition von Der Herr der Ringe – Die Gefährten Bezug genommen wird, kann ich eigentlich nur die Empfehlung aussprechen, sich kurz vor dem Kinobesuch diese gegenüber der Kino-Fassung um eine halbe Stunde (sinnvoll) verlängerte Version auf Video oder DVD anzuschauen.
Für diejenigen, die weder den vorhergehenden Film gesehen, noch die Buchvorlage gelesen haben, dürfte sich Die zwei Türme als ebenso sperrig, wie verwirrend präsentieren.

Trotzdem erscheint im Nachhinein betrachtet gerade dieser unmittelbare Beginn des Filmes als durchaus geeignet: Auf diese Weise wird der Zuschauer sofort wieder in das Geschehen hineingezogen, obwohl vielleicht das Überraschungsmoment aus dem ersten Film fehlt. Schon nach kurzer Zeit fühlt man sich bei dem erneuten Besuch in Mittelerde heimisch und den vertrauten Personen verbunden.
Dies ist auch äußerst notwendig, denn der Film legt im ersten Drittel ein großes Tempo vor: Drei Handlungsstränge (mit Gandalf und Saruman in Isengart, sogar fünf), mehrere Schauplatzwechsel und eine ganze Reihe neuer Charaktere verlangen vom Kinobesucher, dass er mitdenkt und keine Sekunde unaufmerksam ist.
Aufgrund der zahlreichen Sprünge zwischen den drei Gruppen der ehemaligen Gefährten – Aragorn, Legolas und Gimli als erste Gruppe, Merry und Pippin als zweite, und Frodo, Sam und Gollum in der dritten – wirkt dieser Abschnitt des Filmes etwas zäh, da zwar eine Menge geschieht, dies jedoch nicht unbedingt in direktem Zusammenhang steht, und es nur wenige richtige Höhepunkte, wie zum Beispiel die Begegnung mit Gollum, Gandalf oder dem Ent Baumbart, gibt.
Den Drehbuchautoren kann man hierbei keinen großen Vorwurf machen, da die Grundelemente der Handlung direkt aus J.R.R. Tolkiens Bücher stammen, und sich die Adaption sogar bemüht, manche Abschnitte für die Verfilmung dramaturgisch mitreißender zu gestalten, als in der Vorlage beschrieben.
So gleicht Théodens "Heilung" von Grima Schlangenzunges bösen Einflüsterungen eher einem Exorzismus in geistiger und körperlicher Hinsicht, denn bloßer Überzeugungskraft mit Worten.
Oder Baumbart ist aktiv bei der Befreiung von Merry und Pippin tätig.
Auch Faramir ist im Gegensatz zum Buch längst nicht so edelmütig, sondern nimmt Frodo und Sam erst einmal gefangen, um zu sehen, ob sie ihm von Nutzen sein können. Faramir war für mich dadurch ein sehr interessanter Charakter. Seine Entwicklung wird sicherlich im dritten Teil, Die Rückkehr des Königs, weiter vorangetrieben.
Obwohl manche Verfechter einer werkgetreuen Romanverfilmung sicherlich hin und wieder Probleme mit solchen Änderungen haben dürften, fand ich die meisten davon nicht nur gelungen, sondern auch sinnvoll.
Ein Film entfaltet sich auf ganz andere Weise, als ein Buch. Was in geschriebener Form noch funktioniert – wie Andeutungen und vage Beschreibungen, die zum großen Teil der Phantasie der Leser überlassen werden –, kann auf Zelluloid oft ermüdend und langweilig sein, denn hier sind die Bilder und eine offenkundigere Dramaturgie das Medium, den Kinobesucher gefangen zu nehmen.

Darüber hinaus haben die Drehbuchschreiber, wie schon in Die Gefährten, eine ganze Reihe neuer Szenen und Dialoge verfasst, die ihren Ursprung nicht in Tolkiens Vorlage hatten.

Einige davon passen gut in das Gesamtkonzept und verleihen dem Film zusätzliche Spannung und Atmosphäre.
So ist der Angriff der auf Wargen (riesige wolfsähnliche Kreaturen) reitenden Orks eine atemberaubende hervorragend gefilmte Action-Sequenz und einer der Höhepunkte in der Mitte des Filmes.
Ebenfalls eine klasse Idee war es, Elbe Haldir (Craig Parker), der in der Special Extended Edition von Die Gefährten eine größere Beteiligung hatte, in einem Schlüsselmoment wieder mit einzubinden.
Auch die kurzen Szenen mit Galadriel (Cate Blanchett) in Lothlórien, Elrond (Hugo Weaving) und Arwen (Liv Tyler) in Bruchtal, und die Abreise der Elben zu den Grauen Anfurten, um von dort aus in den Westen zu fahren und Mittelerde zu verlassen, sind sehr gut gelungen, tragen entscheidend zur melancholisch-traurigen Stimmung bei und geben den beiden ersten Teilen der Trilogie einen schönen inneren Zusammenhalt.

Allerdings wirken nicht alle der zusätzlichen Passagen so durchdacht und stimmig, wie die bereits genannten.
Während sich in Die Gefährten Rückblenden und Szenen zwischen Arwen und Aragorn wunderbar in die Geschichte eingefügt haben und den Charakteren einen interessante Hintergrund gaben, hatte ich in Die zwei Türme bei den Erinnerungen Aragorns an Arwen das Gefühl, als wären sie irgendwie erzwungen und gekünstelt, auch wenn es immer wieder eine Freude ist, Liv Tyler als Elbin auf der Leinwand zu sehen.
Möglicherweise sollte so der innere Konflikt Aragorns herausgestellt werden, der trotz seiner bedingungslosen Liebe zu Arwen beginnt, Gefühle für Éowyn (Miranda Otto), der Schwester Éomers und Nichte König Théodens von Rohan, zu empfinden. Da aber gerade Éowyn nur eine sehr kleine Rolle hat und das bedeutendste Gespräch zwischen ihr und Aragorn durch eine der genannten Rückblenden mit Arwen unterbrochen wird, erscheint diese gesamte Nebenhandlung eher überflüssig und für den weiteren Fortgang der Geschichte irrelevant. Hier wird zusätzlich Tempo aus dem Film genommen, und das in einem Moment, in der er ohnehin etwas Leerlauf hatte.
Nicht ganz überzeugen können außerdem der Sturz Aragorns nach dem Kampf mit den Wargen, seine Vision von Arwen und seine folgende wundersame Wiederauferstehung, da das Ganze inhaltlich völlig unnötig ist und keine weiteren Folgen hat.
Vielleicht hätte Jackson mit seinen drei Co-Autoren – zu Fran Walsh und Philippa Boyens aus Die Gefährten gesellte sich noch Stephen Sinclair – diese Szenen ganz herauslassen, oder weitere mit Éowyn und Aragorn dazunehmen sollen. Eventuell wird vieles davon aber auch erst in der erweiterten Video- und DVD-Fassung von Die zwei Türme deutlich, die angeblich kurz vor der Kino-Premiere von Die Rückkehr des Königs herauskommen soll.

Auf kaum etwas waren viele Fans so gespannt, wie auf Baumbart und die Ents. Und in der Tat: Die baumähnlichen Geschöpfe zählen zu den optischen und tricktechnischen Highlights des Films. Sie können vollends überzeugen und es macht sehr viel Spaß, sie richtig in Aktion zu sehen. Im englischen Original wird Baumbart von John Rhys-Davies gesprochen, der auch den Zwerg Gimli spielt.
Ein wenig schade ist jedoch, dass Baumbart in einem Großteil des Filmes nur mit Merry und Pippin auf dem Weg zum Entthing ist. Wenn einige Szenen zum Beispiel in seiner Wohnstätte, der Laube Quellhall, gedreht worden wären, hätte man auf viele der doch recht offensichtlichen Blue-/Green-Screens – was aber zweifellos nicht besser umzusetzen war – verzichten können und einen vielversprechenden Ort zu sehen bekommen.

Sehr gut hat mir die Umsetzung der beiden Pferde Schattenfell von Gandalf und Brego von Aragorn gefallen. Für Kenner der Bücher gibt es hier einen hohen Wiederkennungswert, der viel Spaß macht.

Der Höhepunkt des Filmes ist, wie vielfach angekündigt, die Schlacht um die Hornburg bei der Schlucht von Helms Klamm im letzten Drittel des Filmes, bei der die Vernichtung der Menschen eingeleitet werden soll.
In rein technischer Hinsicht gibt es hier sicherlich nicht viel zu bemängeln. Wenn Tausende von Orks auf die Hornburg einstürmen, Leitern den Wall entlang hochstemmen oder ein Loch in ihn sprengen, sind die Bilder grandios und die Bedrohung fast mit Händen greifbar. Jackson weiß, wie er modernste Tricktechnik und Kamera einsetzen kann, um Massenszenen zu zeigen, die in diesem Ausmaß und so real bisher noch nie auf der Leinwand zu sehen waren.
Die Brutalität hält sich glücklicherweise aufgrund des recht dunklen Schauplatzes und der schnellen Schnitte in Grenzen.
Bisweilen leidet unter dem Inszenierungsstil aber auch die Übersicht. Da man nicht immer weiß, was genau geschieht und vor allem warum, wirkt die Schlacht ein wenig unstrukturiert, episodenhaft und längst nicht so klaustrophobisch beängstigend, wie die Moria-Sequenz mit dem Höhlentroll in Die Gefährten.
Außerdem werden die Kampfszenen häufig durch Gespräche zwischen Merry, Pippin und Baumbart unterbrochen, worunter die Dynamik leidet. Eine Montage, die nur aus der Schlacht um Helms Klamm und dem Kampf in Isengart besteht, wäre hier sinnvoller gewesen, da dadurch die Action nicht "ausgebremst" worden wäre.
Das größte Manko während der Schlacht ist allerdings der an vielen Stellen fehlplatziert eingebrachte Humor, meist durch Zwerg Gimli. Irgendwie hat Jackson offensichtlich auf halbem Weg sein Vertrauen in den Ernst der Geschichte verloren. So beschwert sich Gimli beim Anmarsch der Orks mehrmals darüber, dass er aufgrund seiner geringeren Größe nichts erkennen kann, was für sich allein betrachtet ganz lustig ist. Wie Legolas und Gimli im Kampf die erlegten Orks miteinander konkurrierend mitzählen, mag im Buch ebenfalls eine nette Idee sein. Im Film ist all dies dagegen der Spannung abträglich, denn plötzlich verlieren die Orks an Bedrohlichkeit; der Zuschauer ist amüsiert, wo er eigentlich angesichts der Masse an Feinden besser sprachlos und schockiert wäre.
Einzig die kleine "Wurf-Einlage" in Anspielung auf den Vorgänger ist wirklich angemessen witzig.
Inhaltlich überflüssig finde ich in diesem Zusammenhang auch den dritten Kampfschauplatz, Osgiliath im Königreich Gondor, mit Faramir, Frodo, Sam und Gollum. Der ganze – in der Vorlage zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht vorhandene – Abschnitt wirkt wie der zwanghafte Versuch, Frodo und seine anderen beiden Gefährten in eine Actionsequenz einzubinden, was zudem unnötig von den beiden Hauptschauplätzen Helms Klamm und Isengart ablenkt, auch wenn die auf drachenähnlichen Wesen fliegenden Nazgûl (die ehemaligen Schwarzen Reiter aus Teil eins) bemerkenswert sind.
Die Schlacht um Helms Klamm ist ohne Frage ein filmisches Meisterstück. Trotzdem gibt es daran einiges, das mich nicht unerheblich stört.

Das Beeindruckendste in Die zwei Türme und sicherlich der Gesprächsstoff für die nächsten Monate, ist jedoch die Kreatur Gollum.
Gollum hieß einst Sméagol und war ein Hobbit. Durch Zufall gelangte er in den Besitz des Ringes der Macht, der seine Persönlichkeit veränderte und ihn unnatürlich lange Zeit leben ließ. Seit Bilbo, Frodos Onkel, den von Gollum verlorenen Ring gefunden hat, kennt Gollum nur noch das Ziel, seinen Schatz zurückzuerobern, koste es, was es wolle.
Gollum wird (im Englischen) von Andy Serkis gesprochen, der während der Dreharbeiten auch die einzelnen Szenen in einem speziellen Anzug und per Motion-Capturing gespielt hat. Die Gestalt Gollums, sein Gesicht, seine Mimik und Gestik entstanden jedoch komplett am Computer, natürlich unter Einbeziehung der von Serkis gelieferten Bewegungen vor Ort, geschaffen von der Neuseeländischen Spezial-Effekte-Firma Weta Digital.
Das Ergebnis lässt einen die so kläglich gescheiterten Versuche aus dem Hause Industrial Light & Magic (Jar Jar Binks, E.T. in der Wiederaufführung zum 20-jährigen Jubiläum und Yoda in Star Wars: Episode II – Angriff der Klonkrieger [2002]) mit einem mitleidigen Lächeln vergessen. Sogar der gar nicht mal schlechte Dobby aus Harry Potter und die Kammer des Schreckens [2002] kann da bei weitem nicht mithalten.
Gollum ist das erste digitale Wesen, das eine oscarreife Darstellung liefert. Wenn sich der hinterhältige Gollum im Zwiegespräch mit der anderen Hälfte seiner Persönlichkeit, dem guten Sméagol, befindet, sieht man die vollkommen überzeugende Charakterisierung eines innerlich zerrissenen Geschöpfs, das ebenso bemitleidenswert, wie gefährlich ist.
In nur wenigen Momenten erkennt man seine CGI-Herkunft. Nach Gollums erster Begegnung mit Frodo und Sam muss man sich zwar ein wenig daran gewöhnen – schon aufgrund seines sonderbaren Aussehens, das allerdings vollkommen mit der Beschreibung aus dem Buch übereinstimmt –, was auch daran liegt, dass man schon im Vorfeld darüber informiert wurde, dass Gollum computergeneriert ist. Doch nach ein paar Minuten hat man Gollum komplett als reale Person wie Frodo und Sam akzeptiert.
Und wenn mich ein ansich künstliches Wesen in einigen Szenen zu Tränen rührt und oder bei mir eine Gänsehaut verursacht, kann dies nur als riesiges Kompliment an die Filmemacher gelten.

Insgesamt übertreffen die Spezial- und Make-Up-Effekte sogar die durch Die Gefährten ohnehin schon hochgesteckte Qualität.
Ob es sich nun um einen Balrog, Orks, Warge, Ents, die Stadt Edoras, die Hornburg, Isengart, Osgiliath oder die fliegenden Nazgûl handelt, einmal mehr verstehen es Peter Jackson und sein fähiges Team großartig, die ideale Kombination aus realen Schauplätzen und Bauten, Modell-Arbeit, Masken, toller Ausstattung beziehungsweise Kostümen und Computer-Unterstützung einzusetzen, um die maximale Wirkung zu erzielen und eine Phantasiewelt zum Leben zu erwecken. Da verzeiht der Zuschauer gerne, dass er manchmal Blue-Screens oder Computer-Effekte doch erkennt.
Der Herr der Ringe – Die zwei Türme legt die Messlatte für Spezial-Effekte sowohl in qualitativer, wie auch quantitativer Hinsicht, noch ein Stück höher, und beweist eindrucksvoll, wie mittelmäßig Lucas' Star Wars: Episode II auch in technischer Hinsicht war.

Die Besetzung ist, wie schon im ersten Teil, bis in die Nebenrollen hinein hervorragend gewählt. Aufgrund der großen Anzahl möchte ich nur auf die wichtigsten eingehen.
Orlando Bloom, der interessanterweise für die Rolle des Faramir vorgesprochen hatte, John Rhys-DaviesDominic Monaghan und Billy Boyd spielen souverän, wobei die beiden letzteren etwas ernster sein dürfen als im vorhergehenden Film, was der Geschichte durchaus zugute kommt.
Ein wenig schwächer erscheint Elijah Wood, was zweifellos auch dem deutlich geringeren Anteil im Film liegt, und durch den ausdrucksstarken Sean Astin und vor allem der brilianten Stimme und Körpersprache von Andy Serkis als Gollum wettgemacht wird.
Ian McKellen und Christopher Lee haben gegenüber Die Gefährten deutlich kleinere Parts, die sie aber selbstverständlich sehr gut ausfüllen.
Lee wird darüber hinaus durch Brad Dourif ergänzt, der Schlangenzunge so treffend schmierig und doppelzüngig verkörpert.
Auch die Neuzugänge, wie Karl Urban (Éomer) und David Wenham (Faramir), können überzeugen, wobei Bernard Lee als König Théoden und Miranda Otto als Éowyn den größten Eindruck bei mir hinterlassen haben.
Die einzige richtige Haupt-Rolle hat aber zweifellos der charismatische Viggo Mortensen inne, der die Idealbesetzung von Aragorn ist. Er stellt den Erben Isildurs so mutig und entschlossen, aber auch besonnen und würdevoll dar, dass man als Kinobesucher vertrauensvoll mit ihm in den Kampf ziehen würde.

Peter Jacksons Inszenierung und Schauspielführung ist erwartungsgemäß hervorragend.
Neuseeland bietet erneut die phantastischen Landschaften für die Märchenwelt Mittelerde und dessen ist sich Jackson sehr wohl bewusst. Kamera und Schnitt kosten jeden Moment davon aus. Lange Einstellungen und innovative Kamerafahrten nehmen den Zuschauer gefangen, der sich an den Bildern gar nicht satt sehen kann, und auch nicht will!
Erstaunlicherweise sind Aufnahmen, die im Studio entstanden sind – wie zum Beispiel der Wald Fangorn –,  nur sehr selten als solche zu erkennen.
Dazu kommt eine ausgewogene Tonabmischung, bei der man mitten in das Geschehen hineinversetzt wird, ohne dass es aufdringlich ist.

Howard Shore kann mit der Musik nahtlos an seinen brillianten Score von Der Herr der Ringe – Die Gefährten anknüpfen. Gekonnt verwebt er bekannte und neue Stücke zu einem unabhängigen und dem Film angepassten stimmungsvollen Ganzen.
Insbesondere das zum Teil mit einer Violine gespielte Thema der Rohirrim ist sehr getragen und würdevoll.
In den Action-Sequenzen ist die Musik mitreißend und nie zu aufdringlich.
Der erneute Einsatz von Chor und Solisten machen den Score unverwechselbar und einmalig.
Gewöhnungsbedürftig, aber ebenfalls sehr gut gelungen, ist das Stück "Gollum's Song", das beim Abspann von Emiliana Torrini vorgetragen wird. Text, Melodie und Stimme, die ein wenig an Björk erinnert, verdeutlichen wunderbar den vielschichtigen Charakter Gollums.

Die Filmemacher haben sich sehr viel Arbeit und Mühe mit der Ausstattung, den Waffen und vielen kleinen Details gegeben, um Mittelerde Realität werden zu lassen. Und dies zahlt sich für die Kinobesucher auch tatsächlich aus.
So wurde zum Beispiel das Set von Helms Klamm und der Hornburg in siebenmonatiger Arbeit in Neuseeland aufgebaut.
Oder die Kampfschreie der Orks wurden bei einem Cricket-Spiel aufgezeichnet, bei dem Jackson selbst 25.000 Fans anleitete.

Die deutsche Synchronisation des Filmes ist im Großen und Ganzen in Ordnung.
Jedoch wirken die Sprecher von Frodo, Sam und Gollum nachwievor lustlos und unpassend.
Wer die Möglichkeit hat, sollte sich deshalb schon allein wegen Andy Serkis' genialer Gollum-Interpretation die englische Original-Fassung anschauen.

Alles in allem kann Die zwei Türme sowohl als Film beziehungsweise Fortsetzung, als auch als Buchadaption gefallen, obwohl er eine gänzlich andere, weil bedrückendere Atmosphäre als der freundlichere, harmonischere, irgendwie schönere und leichter zugängliche erste Teil bietet.
Der Zuschauer braucht jedoch einige Tage Zeit, um die Bildgewalt und unzähligen gewonnen Eindrücke zu verarbeiten und zu verinnerlichen. Deshalb kann sich ein zweiter Kinobesuch in ein paar Wochen als sehr sinnvoll erweisen, damit man sein Hauptaugenmerk auf die Geschichte selbst lenken kann.

In technischer Hinsicht – insbesondere Gollum – setzt dieser zweite Teil erneut Maßstäbe und es dürfte den Machern schwer fallen, diesen Standard mit Die Rückkehr des Königs zu übertreffen. Ich hoffe inständig, dass ihre hervorragende Arbeit im März 2003 mit Oscars für Kamera, Schnitt, Spezial-Effekte, Make-Up, Ausstattung, Kostüme, Ton, Ton-Effekt-Schnitt, Musik und Song gewürdigt wird.
Den Oscar für das beste Drehbuch hat Die zwei Türme allerdings – im Gegensatz zu Die Gefährten – nicht verdient. Dafür gibt es einfach einige unnötige Änderungen an der Vorlage zuviel, und die Dramaturgie ist hin und wieder etwas holprig.

Außerdem hatte ich das Gefühl, dass das Autorenteam dem Mainstreamgeschmack mehr Zugeständnisse machen wollte:
Zum einen gab es in Teil eins keinen erzwungenen Humor.
Darüber hinaus haben die Tricktechniker offensichtlich an Saurons Auge ein bisschen gefeilt. Um die Ränder herum erscheinen jetzt kleine Blitze, wie von elektrischen Entladungen. Zugegebenermaßen hat mir die frühere Version aus dem ersten Teil besser gefallen, da die neue ziemlich effekthascherisch wirkt, und das hat der Film eigentlich nicht nötig.
Und zum anderen konzentriert sich Die zwei Türme in erster Linie auf die actionreiche Geschichte Aragorns und des Volkes von Rohan, wohingegen die vier Hobbits und Gollum eine eher untergeordnete Rolle spielen. In den Büchern ist die Gewichtung gerade anders herum. Das interessante Element ist dort eben, dass das Schicksal von Mittelerde in den Händen der Kleinsten liegt.
Die Verlagerung hin zu mehr Action hat die Folge, dass der Zuschauer längst nicht so emotional bewegt vom dem Schicksal der einzelnen Charaktere ist, wie noch in Die Gefährten. In den meisten Szenen vermag es nur Gollum, das Herz des Kinobesuchers zu erwärmen.
Es wäre jedoch möglich, dass die Hobbits in Die Rückkehr des Königs mehr in den Mittelpunkt rücken, wodurch es dann wieder ausgeglichen wäre. Aber dies erfahren die Zuschauer erst in einem Jahr, worauf zu warten, sich mit Sicherheit lohnt.


Fazit:
Peter Jackson hat mit Der Herr der Ringe – Die zwei Türme ohne Zweifel einen sehr guten Film und eine gelungene Fortsetzung geschaffen, die durch ihre düstere Atmosphäre jedoch andere Akzente setzt.
Aufgrund von kleineren dramaturgischen Schwächen und der Tatsache, dass sich die Adaption teilweise deutlich von der literarischen Vorlage entfernt, erreicht das Fantasy-Epos – zumindest in dieser Kino-Fassung – jedoch nicht ganz die außergewöhnliche Klasse seines Vorgängers Die Gefährten, der die Gratwanderung zwischen anspruchsvoller Massentauglichkeit und im Kern werkgetreuer Romanverfilmung so bravurös gemeistert hat. Insofern ist der Film ein kleine Enttäuschung, denn zur Perfektion hätte wirklich nicht viel gefehlt und die Mängel wären problemlos vermeidbar gewesen.
Trotzdem ist Die zwei Türme das Kinoereignis des Jahres und nicht nur für Fans oder wegen der bahnbrechenden Spezial-Effekte ein absolutes Muss, das einem die lange Wartezeit bis zum dritten Abschnitt der Reise, Die Rückkehr des Königs im Dezember 2003, umso schmerzlicher erscheinen lässt.
Und wer weiß, vielleicht zeigt sich erst dann – wenn man alle drei Filme (in den erweiterten Fassungen) als ein komplettes Werk sehen kann – die wahre Größe Jacksons Vision von Mittelerde.