Der Fuchs und das Mädchen [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 01. Juli 2010
Genre: Unterhaltung

Originaltitel: Le renard et l'enfant
Laufzeit: 92 min.
Produktionsland: Frankreich
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Luc Jacquet
Musik: Evgueni Galperine, Alice Lewis, David Reyes
Darsteller: Bertille Noël-Bruneau, Isabelle Carré, Thomas Laliberté, Esther Schweins (deutsche Erzählerin)


Kurzinhalt:
An einem Herbstmorgen entdeckt das Mädchen (Bertille Noël-Bruneau) am Wegrand einen Fuchs, der sie nicht bemerkt hat. Sie nähert sich dem scheuen Tier, fasziniert von der Anmut des Geschöpfes. Doch er flieht. Da setzt sich das Mädchen in den Kopf, den Fuchs wieder zu sehen und zu zähmen. Monate vergehen, ehe sie sich dem Tier erneut nähern kann und es beginnt für sie ein Abenteuer, das sie an der Seite des Fuchses tief in den Wald führt. In verborgenen Höhlen entdeckt sie eine Welt der Tiere und der Natur, die sie nie zuvor vermutet hatte.
Doch ihre Freundschaft mit dem Fuchs kann nur so lange bestehen, wie sie ihre Grenzen erkennt. Es ist ein schmaler Grat zwischen lieben und besitzen ...


Kritik:
In einer Zeit, in der sich oftmals eine Konversation zwischen zwei Menschen auf 160 Zeichen beschränkt, in der Touristen im Urlaub so viele Stationen abarbeiten, dass sie ihre Ferien erst im Nachhinein auf den Fotos erleben und Kinder die Natur mit einem Freizeitpark verwechseln, lädt Filmemacher Luc Jacquet ein, sich auf eine Welt zurückzubesinnen, die direkt vor unserer Haustüre wartet, und die wir meistens übersehen. Brachte er in seiner bilderbuchschönen Dokumentation Die Reise der Pinguine [2005] die Frack tragenden Pinguine auf die große Leinwand und verhalf ihrer gemeinschaftlichen Anstrengung zu internationaler Bekanntheit, widmet er sich hier einer Freundschaft, die ebenso abenteuerlustig wie fantasievoll geraten ist.
Die namenlose Erzählerin berichtet von einem Erlebnis ihrer Kindheit, als sie in den grünen, lebensfrohen und doch irgendwie unheimlichen Wäldern vor ihrem Haus einen Fuchs beobachtete, und sich aufmachte ihn zu zähmen. Nach vielen Monaten gelingt es ihr sogar, sich mit dem Tier vertraut zu machen und schließt Freundschaft mit dem scheuen Räuber. Erst als sie den Fuchs einzwängen möchte, ihm ein Halsband umlegt und ihn dazu bringen möchte, sich ihren Wünschen zu fügen, muss sie eine Lektion lernen, die viele Erwachsene wieder vergessen zu haben scheinen.

Glücklicherweise sprechen die Tiere in Der Fuchs und das Mädchen nicht, auch gibt sich die junge Abenteurerin nicht klüger als ein junges Mädchen sein sollte. Ihre Geschichte ist eine, die sich viele Kinder irgendwann einmal vorgestellt haben und sei es, als sie sich nur ausmalten, wie es wäre von Zuhause auszubrechen. Welche Abenteuer man mit einem wilden Tier erleben könnte, welche geheimen Schätze man entdecken würde. Luc Jacquet erzählt ein modernes Märchen. Modern nicht, weil es moderne Elemente enthält, abgesehen von einer Taschenlampe und einem Auto könnte Der Fuchs und das Mädchen ebenso vor 100 Jahren spielen, oder erst letzte Woche. Es ist vielmehr modern, weil es eine Aussage trifft, die man früher so nicht treffen musste. Jacquet lenkt den Blick auf eine Welt, die direkt vor unserer Haustüre liegt, entdeckt den Wald mit seinen vielfältigen Tieren und Tierarten durch die staunenden Augen eines Kindes neu, ohne dabei jedes Tier namentlich vorzustellen. Es ist durchaus traurig, wenn man selbst zugeben muss, nicht jedes gezeigte Tier beim Namen nennen zu können. Der Film nutzt die Möglichkeiten, um ein Interesse daran zu wecken, was in den heimischen Wäldern für unbekannte Schätze lauern, die nicht in Geldwert aufzuwiegen sind, sondern in Begeisterung. Das Mädchen steht urplötzlich einem alten Bären gegenüber, oder muss sich gegen ein Rudel Wölfe behaupten. Auch wird sie in die Schranken gewiesen, wenn sie eine Nacht im Freien übernachten muss und mit den unbekannten Geräuschen und Lebenszeichen im Dunkeln konfrontiert wird. Ihr wird so Respekt abverlangt vor einer Welt, die wir zwar betreten dürfen, die wir aber nicht beherrschen. Wenn wir das versuchen, endet es meist in einer Tragödie, was das Mädchen auch hier begreifen muss.

Der Fuchs und das Mädchen ist wunderschön fotografiert und schafft es sowohl durch die leuchtenden Farben, wie auch die lebendige Klangkulisse, die unberührte Natur wirklich werden zu lassen. Was der Film sein möchte, wird nie versteckt, und gerade weil groß aufgebaute, hektische Actioneinlagen fehlen, bezieht der Film seine Wirkung aus den neuen Erlebnissen und Abenteuern, die das Mädchen im Wald erlebt. Die Filmemacher unterstreichen bei dem Märchen mehrmals, was sie damit aussagen wollen und das ist durchaus legitim. Erwachsene Zuschauer werden sich womöglich fragen, wo ihr Entdeckersinn aus Kindertagen geblieben ist, während die jungen hoffentlich ein Interesse geweckt bekommen, sich die Tiere nicht im Zoo anzusehen, sondern dort, wo sie herkommen. Dafür braucht es aber Geduld, statt ein voll gestopftes Tagesprogramm, und auch ein Fotoapparat ist fehl am Platz, da Erinnerungen doch viel weniger schnell verblassen. Auch ein ständiger Redefluss ist nicht vonnöten, kann man doch am besten zuhören und verstehen, wenn man die Eindrücke auf sich wirken lässt.


Fazit:
Es scheint wie eine unmögliche Freundschaft zwischen dem Fuchs und dem Mädchen, doch sie funktioniert. Solange zumindest, wie der Fuchs in der Natur zuhause ist. Sobald sein Leben aus der Balance gerät, gestört wird durch einen Menschen, der in besten Absichten etwas vereinnahmen will, was nur in Freiheit wirklich gedeihen kann, schlägt die lebensbejahende Geschichte um. Regisseur Luc Jacquets in wundervollen Bildern eingefangenes Märchen Der Fuchs und das Mädchen bringt auf eine unterhaltsame, abenteuervolle Weise den jungen Zusehern die Natur vor unserer Haustüre als wahrhaft bemerkenswert dar.
Die zerbrechliche Freundschaft symbolisiert dabei das zarte Band, das zwischen uns und der Welt um uns herum existiert. Wenn wir zu fest zupacken, werden wir es zerstören, und haben es viel zu oft. Die Aussage der Filmemacher ist eindeutig, aber so schön erzählt und stimmig, dass sich Zuseher aller Altersgruppen darin verlieren. Mitunter vielleicht aus anderen Gründen, aber die nachdenklich stimmende Wirkung ist dieselbe.