Atari: Game Over [2014]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 23. November 2014
Genre: Dokumentation

Originaltitel: Atari: Game Over
Laufzeit: 66 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2014
FSK-Freigabe: noch nicht bekannt

Regie: Zak Penn
Musik: Stephen Endelman
Personen: Howard Scott Warshaw, Joe Lewandowski, Nolan Bushnell, Manny Gerard, Seamus Blackley, Robert Rentschler, Mike Mika, Susie Galea, Andrew Reinhard, Raiford Guins, Ernest Cline


Kurzinhalt:

Lange vor der PlayStation oder Xbox bevölkerte die Spielekonsole Atari 2600 die Wohnzimmer. 1977 auf den Markt gebracht, kann man sie unumwunden als einer der Vorreiter heutiger PCs bezeichnen. Nur fünf Jahre später waren Videospiele ein Milliardengeschäft. Doch zwischen 1982 und 1985 brach der Absatz um 97% ein auf gerade einmal 100 Millionen Dollar. Was war passiert?
Seit langem halten sich hartnäckig Gerüchte, dass der künstlerische und kommerzielle Flop des Videospiels zu Steven Spielbergs E.T. - Der Außerirdische [1982], das zu Weihnachten desselben Jahres in die Läden kam, für den Untergang der Industrie allgemein und von Atari im speziellen verantwortlich sei. Filmemacher Penn macht sich auf, diesen Mythos zu ergründen angesichts einer beispiellosen Ausgrabung im Frühjahr 2014.


Kritik:
Atari: Game Over ist der erste Teil der Dokumentations-Reihe Signal to Noise, die sich um die Videospielindustrie drehen soll. Produziert wird sie (gewissermaßen an der Quelle) von den Microsoft Studios. Zak Penns Einblick in die Welt von Atari, einem der einst größten Produzenten von Videospielen der Welt, ist aber leider keine vollwertige Dokumentation, die sich mit der Firmengeschichte, die bis ins Jahr 1972 zurückreicht, auseinandersetzt. Sie mutet vielmehr wie ein Fanprojekt an, das sich mit der Ausgrabung eines der sagenumwobensten Videospiele aller Zeiten beschäftigt und verschenkt gerade deshalb viele Möglichkeiten.

Penn schwankt von Beginn an zwischen den zwei großen Punkten, die er in seinem nur knapp eine Stunde dauernden "Essay" behandeln möchte: Dem Aufstieg und Untergang der Firma Atari und dem Schicksal des Spiels E.T. the Extra-Terrestrial [1982]. Doch statt chronologisch vorzugehen, erzählt er beide Geschichten parallel, springt zwischen Vertretern der Industrie und dem für die Programmierung von E.T. verantwortlichen Howard Scott Warshaw hin und her. Personen wie Atari-Mitbegründer Nolan Bushnell könnten dabei interessante Einblicke in den Werdegang der Firma liefern, doch außer ein paar groben Kommentaren über die profitablen Aspekte der Branche, die im Nu zwei- und dreistellige Millionenbeträge umsetzte, gibt es wenig über die verschiedenen Systeme zu hören. Es werden die verschrobenen Spiele-Designer vorgestellt, die in den frühen Jahren die Firma prägten, doch was aus ihnen geworden ist, verschweigt Atari: Game Over.

Die Legende hält sich, dass Atari im September 1983 in Alamogordo, New Mexico LKW-Ladungen des E.T.-Spiels auf einer Mülldeponie vergraben ließ, da es wie Blei in den Läden lag, und damit die goldene Ära der Branche gleich mit. Im Jahr 2013 gab es ernsthafte Bestrebungen, diese Konsolen-Module wieder auszugraben, gegen den Widerstand von Umweltschützern und Lokalpolitikern. Entsprechend umfangreich waren die Vorbereitungen, die den Experten des Geländes, Joe Lewandowski, mit einschließen. Auch hier scheint Zak Penn anfangs interessierter, als er im Lauf seiner Berichterstattung beweist.

Je näher der Termin der Ausgrabung im April 2014 rückt, umso mehr Fans rücken in den Fokus von Atari: Game Over, auch wenn deren Expertise (abgesehen von einer Faszination für die Materie, die offensichtlich nach außen getragen wird) nicht ersichtlich wird.
Gleichzeitig beschäftigt sich die Dokumentation stärker mit Warshaw selbst, der 1982 für eine unlösbare Aufgabe gestellt wurde. Für die Entwicklung eines Spiels, wofür gewöhnlich mehrere Monate eingeplant waren, sollte er nur fünf Wochen Zeit bekommen. Dabei hatte man die Lizenz von E.T. für mehr als 20 Millionen Dollar eingekauft, welcher Druck auf den Schultern des jungen Mannes lastete, kann man somit erahnen.

Für ihn bricht Penn (der sich hier auch gern selbst in Szene zu setzen scheint) schließlich eine Lanze und man könnte gar so weit gehen zu behaupten, dass Atari: Game Over dazu dienen soll, seinen Ruf wiederherzustellen. Schließlich wurden ihm der Misserfolg des Spiels und der Untergang der Industrie zu jener Zeit angelastet. Warshaw musste sich danach ein neues Leben aufbauen. Die Feststellungen am Ende sind dabei keine wirkliche Überraschung und ob man der beinahe schon flammende Verteidigung des Regisseurs, dass E.T. kein schlechtes Spiel gewesen sei, wirklich folgen kann, muss jeder für sich entscheiden. Der kurzweilige Blick hinter die Kulissen dieser Firma und des Spiels ist dabei großteils amüsant – zumindest, wenn man mit der Materie selbst vertraut ist – doch einem außenstehenden Publikum bringt Atari: Game Over die Thematik nicht wirklich näher. Und auch die Faszination nicht, die inzwischen schon mehrere Generationen für diese nostalgischen Videospiele empfinden.


Fazit:
Geht es darum, aus den spärlichen Unterlagen von vor 30 Jahren zu schließen, wo die vermeintlich Millionen von Konsolenspiele vergraben worden sind, versucht sich Filmemacher Zak Penn an einem Doku-Krimi. Rückt er Fans und "Experten" in den Fokus, scheint Atari: Game Over wie eine Hommage an eben sie, die wohl sein Zielpublikum darstellen. Doch der oberflächliche Blick in die Firmengeschichte von Atari, die Programmierung von E.T. the Extra-Terrestrial und der Rückschlag nach der Veröffentlichung lassen viel vermissen.
Nicht nur, dass eine ausführliche Firmenchronik von Atari selbst interessant genug wäre, auch die öffentliche Meinung zum Spiel damals geht großteils unter. Führt die Dokumentation beide Themen zusammen, klingen seine Feststellungen nicht überzeugend, wohl aber inhaltlich überzeugt, als wollte sie ihre Meinung dem Zuschauer einhämmern, anstatt ihn selbst Schlüsse ziehen zu lassen. Für die viel gerühmten "Nerds" ist das höchstes einmal sehenswert, lässt aber mehr im Dunkeln als dass beleuchtet wird.