Stirb langsam 4.0 [2007]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 12. Februar 2007
Genre: Action / Thriller

Originaltitel: Live Free or Die Hard
Laufzeit: 130 min.
Produktionsland: Großbritannien / USA
Produktionsjahr: 2007
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Len Wiseman
Musik: Marco Beltrami
Darsteller: Bruce Willis, Timothy Olyphant, Justin Long, Maggie Q, Cliff Curtis, Jonathan Sadowski, Andrew Friedman, Kevin Smith, Mary Elizabeth Winstead


Kurzinhalt:
Der Auftrag des inzwischen in die Jahre gekommenen Detective John McClane (Bruce Willis) ist denkbar einfach; er soll auf Bitten des FBI den Hacker Matt Farrell (Justin Long) nach Washington, D.C. bringen. Doch kaum ist der Polizist in der Wohnung des Jungen angekommen, wird das ungleiche Duo von einer unbekannten Truppe angegriffen, die den Hacker töten wollen.
Wie sich herausstellt ereilte dasselbe Schicksal in den letzten Tagen mehr als ein halbes Dutzend weitere, bekannte Hacker, die ohne es zu wissen eine terroristische Organisation unter der Leitung von Thomas Gabriel (Timothy Olyphant) unterstützten, der einen Anschlag auf die Infrastruktur der USA plant.
So nimmt Gabriel den Großstädten erst die Kontrolle über den Verkehr, dann die Stromzufuhr der Wallstreet und letztlich auch die der normalen Haushalte. Während sich McClane so gut es geht gegen die nach wie vor auf Farrell angesetzten Terroristen wehrt, sieht er sich auf Grund der weitreichenden Informationen Gabriels bald einer völlig neuen Bedrohung gegenüber – nicht nur, dass er die Selbständigkeit der USA als Geisel nimmt, er hat auch McClanes studierende Tochter Lucy (Mary Elizabeth Winstead) ausfindig gemacht ...


Kritik:
Wenn John McClane nach etwa der Hälfte des Filmes seinem schlagfertigen Mitstreiter Matt Farrell auf die Frage, weswegen er denn den "Helden-Job" übernimmt, obwohl es ihm nur Schwierigkeiten eingebracht hat, antwortet: "Weil es sonst niemand macht", weiß man als Zuschauer nicht so recht, ob die Macher das nun auf den Film allein beziehen wollen, oder aber auf das grundsätzliche Phänomen, dass den Actionhelden der 1980er und 90er Jahre niemand nachgefolgt ist.
In der Tat scheint es, als wären nur die alte Garde in der Reihe, die von ihnen geprägten Fußstapfen auch zu füllen, sei das nun Arnold Schwarzenegger, dessen dritter Auftritt als Terminator immer noch sehr erfolgreich war, oder Sylvester Stallone, der mit Rocky Balboa [2006] immerhin 16 Jahre nach seinem letzten Auftritt im Ring, noch ein letztes Mal (?) zuschlug. Die Behauptung, dass die klassischen Helden des Genres heute nicht mehr gefragt wären, ist angesichts des Erfolgs nicht richtig. Und nicht zuletzt Bruce Willis selbst beweist zwölf Jahre nach Stirb langsam - Jetzt erst recht [1995], dass er noch lange nicht zum alten Eisen gehört, und macht nach dem enttäuschenden Spider-Man 3 [2007] und dem dritten Teil der Fluch der Karibik [2003]-Reihe Hoffnung auf einen doch noch gelungenen Kino-Sommer.

Das liegt unter anderem – so ungewöhnlich das klingt – auch am Drehbuch von Mark Bomback, dessen eigentliche Story um die feindliche Übernahme der lebensnotwendigen Systeme der Infrastruktur Amerikas gerade in Zeiten der Diskussionen über Onlinedurchsuchungen und Internetkriminalität erschreckend reale Ansätze enthält. Gerade im Gegensatz zu dieser modernen und nicht wirklich greifbaren Bedrohung, scheint der alternde Cop McClane zuerst vollkommen fehlplaziert, übernimmt gleichzeitig aber auch die Rolle all derjenigen, die mit einer solch virtuellen, aber nichtsdestoweniger ernsten Gefahr nichts anfangen können.
Trotz vieler humoristischer Einlagen, cooler Sprüche und haarsträubender Actionsequenzen bleibt der Hintergrund des Skripts ernst und driftet damit keinesfalls in das überall präsente Komödienklischee ab. Interessant ist, dass Bomback tatsächlich die Zeit findet, seine Figuren etwas zu vertiefen, zu erzählen, was aus dem McClane geworden ist, der vor immerhin beinahe 20 Jahren eine Horde Terroristen in einem Hochhaus besiegte und dessen Heldenglanz seither völlig erloschen scheint. Auch Farrell, der an sich "nur" als Sprücheklopfer und Begleitung gedacht ist, bekommt einiges zu tun, bleibt dabei seiner Figur allerdings treu, ohne in überschwänglichem Maße heldenhaft über sich hinaus zu wachsen.
Dass auch in Stirb langsam 4.0 die Ereignisse des 11. September 2001 ihre Erwähnung finden, verwundert nicht, immerhin hat jener Tag nicht nur die Skyline von New York für immer verändert. Die Szene, in denen eben jene Angst, jene Beklemmung erneut spürbar wird, bringt Bomback auch gut zum Ausdruck und verdeutlicht mit seinem Drehbuch sehr eindrucksvoll, wie leicht die Menschen durch das was sie sehen manipulierbar sind.
So kann das Skript in der Tat halten, was es verspricht, auch wenn die Actionszenen stellenweise sehr konstruiert erscheinen und hanebüchene Momente enthalten. Dank der Figuren, der gelungenen Dialoge und des gar nicht abwegigen Hintergedankens, ist Mark Bombacks Drehbuch auch besser und einheitlicher geraten, als das zum dritten Teil der Reihe.

Die Darsteller tun ihr Übriges, um den Zeilen in der Vorlage Leben einzuhauchen, insbesondere Bruce Willis, der in den ersten Minuten in der Tat etwas gesetzter und ruhiger erscheint, aber nach seiner ersten Konfrontation mit den Schurken regelrecht aufblüht und eben jenes Flair versprüht, mit dem er John McClane zur Ikone des Genres geformt hat. Willis macht seine Sache gut, muss sich allerdings in den direkten Auseinandersetzungen mit den Terroristen erstaunlicherweise oft geschlagen geben.
An seiner Seite kämpft Justin Long, dem von seinem Partner glücklicherweise genügend Raum gegeben wird, um nicht unterzugehen, der aber merklich weniger zu tun hat. Dank der vielen witzigen Sprüche und der Natürlichkeit, mit der der erst 29jährige Schauspieler seine Rolle meistert, muss er sich hinter den übrigen Beteiligten allerdings nicht verstecken.
Ebenso wenig Timothy Olyphant und Maggie Q, die als Bösewichte zwar weder so charismatisch wirken wie Alan Rickman, noch so durchtrainiert gefährlich wie William Sadler, aber allein auf Grund ihres Wissens und der Möglichkeit, dieses Wissen skrupellos einzusetzen, bedrohlich wirken.
Während der Kurzauftritt von Kevin Smith gerade für Fans des eigenwilligen Regisseurs interessant ist, überrascht doch mehr der gelungene Auftritt von Mary Elizabeth Winstead, die als McClanes Tochter all jene Unverfrorenheit mitbringt, die Willis im ersten Film ausmachte.
Abgerundet wird der Cast unter anderem durch Cliff Curtis, der zwar sichtlich unterfordert wirkt, seine Rolle aber immerhin routiniert verkörpert.

Was Regisseur Len Wiseman bereits mit einem kleinen Budget anzustellen im Stande ist, bewies er unter anderem mit seinem Regieerstling Underworld [2003]. Hier hatte er es nicht nur mit einem bedeutend größeren Franchise zu tun, sondern gleichzeitig auch eine viel größere Spielwiese für sein doch sehr markantes Auge für treffende Bilder.
Dies umzusetzen gelingt ihm auch sehr gut, gleichwohl man sich weniger stark ausgeprägte Farbfilter gewünscht hätte. Nichtsdestoweniger überzeugt die Inszenierung vor allem dadurch, dass sie überraschend altmodisch geraten ist. Trotz einiger rasanter Kamerafahrten und einigen wenigen pointierten Zeitlupen, verzichten die Macher auf viele visuelle Spielereien, sondern nutzen die wenigen offensichtlichen Spezialeffekte, um das Gezeigte realistisch erscheinen zu lassen. So bekommt man aus der Vogelperspektive in einer der eindrucksvollsten Einstellungen zu sehen, wie sich der gleichzeitige Ausfall der Ampeln in einer Innenstadt auf den Verkehr auswirkt. Oder zum ersten Mal einen tatsächlich glaubhaften, stadtweiten Stromausfall, bei dem die Lichter der Autos auf den Straßen eben nicht ebenfalls dunkel werden, wie sonst üblich.
Wiseman und sein Team ringen der Geschichte viele einfallsreiche Blickwinkel und Bilder ab, garnieren die Optik mit wenigen, exzellent eingesetzten Zeitlupen und durchweg erstklassigen Spezialeffekten, die zwar nicht verheimlichen können, was (insbesondere beim Finale mit einem F-35 Kampfjet) völlig übertrieben ist, es aber zumindest echt aussehen lassen.

Ein fester Bestandteil der bisherigen Stirb langsam-Filme war unter anderem die Musik aus der Feder des im November 2003 überraschend verstorbenen Michael Kamen. Auch wenn er kein Thema für die Reihe schrieb, wie es John Williams beispielsweise bei den Indiana Jones-Filmen tat, so hat er die Reihe doch durch einige Melodien und ihre Instrumentierung geprägt und damit einen Wiedererkennungswert geschaffen, den es auch im vierten Teil zu erhalten galt.
Marco Beltrami, der bereits bei Terminator 3 – Rebellion der Maschinen [2003] als neuer Komponist eine bekannte Filmreihe ergänzte, schafft hier den Balanceakt zwischen der Kamen-treuen Umsetzung und seiner eigenen Themen. Fans dürfen sich auf dezent angespielte, bekannte Leitmotive freuen, während die Auswahl an Instrumenten ebenso Beltramis Spektrum widerspiegelt, wie das der bisherigen Stirb langsam-Reihe.
Auch diesem Score fehlt ein wenig der rote Faden, wenn man es genau nimmt, gleichwohl der Komponist immer wieder ähnliche Themen anklingen lässt. Und doch passt er in das Universum der Filmreihe sehr gut, verbindet bekannte Elemente mit neuen Ideen und bleibt damit den Kompositionen Kamens treu. Zu den gezeigten Bildern eignet sich der Soundtrack allerdings besser, als zum eigenständigen Hören – hier wiederholen sich die Stücke einfach zu oft.

Lange noch, bevor Stirb langsam 4.0 in den Kinos anlief waren die Fans insbesondere in den USA mehr als nur besorgt. Nicht nur, dass viel Zeit seit dem letzten Teil vergangen war und auch hinter der Kamera eine Vielzahl neuer Beteiligter dabei waren, die vom Studio anvisierte Altersfreigabe für ein jugendliches Publikum ab 13 Jahren drohte, Live Free or Die Hard (so der Originaltitel) zum Kinderfilm verkommen zu lassen.
Tatsächlich sind die Zeiten, in denen man die Schusswechsel in Zeitlupe und in aller Ausführlichkeit gezeigt bekommt, vorbei; der Gewaltgrad wurde, was die Darstellung angeht, zurückgefahren; die Masse an waffenstarrender Auseinandersetzungen oder die schiere Zahl der aus dem Verkehr gezogenen Terroristen allerdings nicht. Die deutsche Freigabe ab 16 Jahren ist insofern durchaus berechtigt und Regisseur Len Wiseman, der sich der Studioentscheidung für eine entschärfte Filmversion beugen musste, nimmt dem Film auch das Gewalt verherrlichende Flair und macht ihn trotz der ernsten Thematik leichter zugänglich. Dass John McClane hier unter die Nichtraucher gegangen ist, war eine Entscheidung von Bruce Willis, der sein privates Laster im Film nicht heroisieren wollte – einzig die Kraftausdrücke fehlen dem vierten Teil der Actionreihe.
Deutsche Zuschauer dürfen sich nach der falschen Synchronstimme im letzten Teil wieder auf den richtigen Sprecher freuen, doch scheint der inzwischen 62jährige Manfred Lehmann entweder ebenfalls zwanzig Jahre älter als bei Stirb langsam [1988], oder aber nicht sonderlich motiviert. Tragisch ist das insofern, als dass John McClanes Stimme selbst die schwächste in der deutschen Version darstellt.
Nichtsdestotrotz bleibt der neueste Einstand in der Terroristenhatz spannend und unterhaltsam, allzeit hervorragend gemacht und trotz des ernsten Hintergrunds immer mit genügend Selbstironie und Humor gewürzt, dass man kaum meinen könnte, es wäre schon so lange her gewesen, dass man das legendäre "Yippee Ki Yay" im Kino gehört hatte.


Fazit:
Es dauerte zwölf Jahre, ehe Bruce Willis wieder in diejenige Rolle schlüpfte, mit der er 1988 weltweit über Nacht zum Superstar wurde. Als John McClane hat er in Stirb langsam Filmgeschichte geschrieben und ist das Image – wenn man sich seine Rollenauswahl genauer ansieht – nie wirklich losgeworden.
Nun ist der Actionheld wider Willen zurück, wobei vom Flair des Helden weniger übrig geblieben ist, als von seinem Charme. So real vor zwanzig Jahren die körperliche Bedrohung war, so greifbar nahe ist sie heute auch in virtueller Form über die globale und immer umfassendere Vernetzung. Die Diskussion über die Sicherheit eben durch das Internet ist nicht nur aktuell, sondern angesichts der Manipulationsmöglichkeiten auch angebracht – umso besser, dass Hollywood dies für einen Unterhaltungsfilm entdeckt hat. So gestaltet sich die Story sehr modern, die Machart an sich ist dahingegen altbewährt und setzt bewusst nicht auf rein digitale Action, sondern echte, greifbare Situationen; meistens jedenfalls.
Dank der guten Darstellerleistungen, des einfallsreichen und mit einigen überaus interessanten Ideen versehenen Drehbuchs und der tadellosen handwerklichen Umsetzung ist Stirb langsam 4.0 mehr als nur gelungen. Es ist der Beweis, dass die alte Garde noch lange nicht zum alten Eisen gehört.