Mäusejagd [1997]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 24. Juli 2022
Genre: Komödie

Originaltitel: Mouse Hunt
Laufzeit: 98 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 1997
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Gore Verbinski
Musik: Alan Silvestri
Besetzung: Nathan Lane, Lee Evans, Maury Chaykin, Christopher Walken, Vicki Lewis, William Hickey, Eric Christmas, Michael Jeter, Ian Abercrombie, Cliff Emmich, Debra Christofferson, Camilla Søeberg


Kurzinhalt:

Nach dem Tod des Garnfabrikbesitzers Rudolf Smuntz (William Hickey) fällt seinen Söhnen Ernie (Nathan Lane) und Lars (Lee Evans) dessen Erbe zu. Neben der stark in die Jahre gekommenen Fabrik ist auch ein abgelegenes Haus darunter, das jedoch kaum etwas wert sein soll. Dort angekommen, entdecken die ungleichen Brüder, dass es sich um ein Werk des berühmten Architekten LaRue handelt. Um es möglichst gewinnbringend verkaufen zu können, lehnt Ernie das großzügige Angebot eines LaRue-Sammlers ab und will stattdessen eine Auktion veranstalten. Doch dabei gibt es eine ungeahnte Komplikation, denn in dem Haus wohnt eine Maus, die die Brüder unbedingt aus dem Anwesen vertreiben wollen. Doch der Nager ist ihnen mehr als nur ebenbürtig, wie es scheint …


Kritik:
Gore Verbinskis
Spielfilmregiedebüt war nicht nur der zweite Film des Studios DreamWorks Pictures überhaupt, es ist eine Wiederentdeckung einer Art Humor, die seit mehr als einem halben Jahrhundert beinahe verschollen war. Mäusejagd ist eine familientaugliche Komödie, über deren Humor Kinder herzlich lachen können. Erwachsene mögen sich dabei eher darüber freuen, wie sie selbst früher über solche Witze lachen konnten, doch das Ergebnis ist letztendlich dasselbe und der Film immer noch eine Zeitreise, die es wert ist, unternommen zu werden.

Wann genau die Geschichte von Mäusejagd spielt, machen die Verantwortlichen nicht deutlich. Es könnte in den späten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sein, wobei der verwendete Stil der Kleidung, Autos oder Technik zwischen den 1940er- bis in die 1970er-Jahre entstanden sein könnte. Den Ton gibt die Geschichte bereits in ihrer ersten Szene vor, als der Garnfabrikbesitzer Rudolf Smuntz zu Grabe getragen werden soll. Voran am Sarg gehen seine beiden Söhne Ernie und Lars, die sich noch auf den Kirchenstufen kabbeln, bis schließlich der Sarg selbige herunterrutscht und die Leiche ihres Herrn Papa letztlich kopfüber in einem Kanalschacht landet. Das ist, in Ermangelung eines besseren Wortes, derb, doch genau die Art düsterer Humor, dem sich Verbinski treu bleibt. Denn auch nach dem Tod ihres Vaters könnten sich die beiden Söhne kaum weniger einig sein. Lars will das Erbe der Garnfabrik antreten, Ernie ist lediglich am Vermögen interessiert – das aber wohl in der Fabrik steckt. Und in einem scheinbar wertlosen Anwesen. Auf dieses sind sie schließlich angewiesen, als Ernie sein Restaurant verliert und Lars von seiner wohlstandsgierigen Ehefrau vor die Tür gesetzt wird.

Doch jenes Haus entpuppt sich nicht nur als spätes Werk des berühmten Architekten Charles Lyle LaRue, das ein Vermögen wert ist, es ist auch bereits bewohnt … von einer Maus. Die hat ihren ersten Auftritt gut 20 Minuten nach Beginn des Films und ist doch ihr größter Star. Denn was sich nach dem Zusammentreffen von Mensch und Maus entwickelt, erinnert gleich an mehrere Comedy-Ikonen. So sind Ernie und Lars darauf aus, die Maus aus dem Haus zu vertreiben und stellen dafür nicht nur Fallen auf, sondern engagieren sogar eine psychotische Killerkatze und einen Kammerjäger, der von keinem geringeren als Christopher Walken unnachahmlich zum Leben erweckt wird. Insbesondere was mit ihm geschieht, erinnert an Kevin - Allein zu Haus [1990], sowohl hinsichtlich der Sequenz an sich wie auch der unterschwelligen Boshaftigkeit. Andere Momente, wenn sich Ernie und Lars gegenseitig im Weg stehen, oder sich nach traumatischen Erlebnissen wortlos verständigen, rufen hinsichtlich Slapstick und körperlicher Comedy Laurel und Hardy (Dick und Doof) [1927-1955] in Erinnerung, während insbesondere das letzte Drittel wie ein überlanger Tom & Jerry-Sketch anmutet, bei dem Tom von zwei erwachsenen Männern verkörpert wird, denen es nicht gelingt, jener Maus Herr zu werden.

Dem beizuwohnen, ist nicht nur dank dem durch das Duo Nathan Lane und Lee Evans fantastisch zum Ausdruck gebrachten körperlichen Humor amüsant, sondern auch dadurch, wie Filmemacher Gore Verbinski den Titel gebenden Star in Szene setzt. Denn obwohl die Maus, zumindest wenn die Kamera läuft, nur Dinge tut, die eine Maus auch tun kann, genügend bleibt bei Mäusejagd im Ungewissen, so dass man nicht mit Sicherheit zu sagen vermag, ob es sich bei ihr um einen gewöhnlichen Nager handelt. Sieht man ihn sein Reich hinter den Wänden durchstreifen, zwischen unzähligen Mausefallen navigieren oder tatsächlich Stunts absolvieren, ist das nicht nur putzig. Vielmehr verleiht der Film seinem Protagonisten eine gerade in der zweiten Hälfte durchschimmernde Boshaftigkeit, die ihn dadurch, dass er sich nur zur Wehr setzt, nur noch sympathischer macht.

Auf diese Weise balanciert Mäusejagd gelungen zwischen gewöhnlicher Komödie und schwarzem Humor, verpackt dies in ein ebenso eigenwilliges wie augenzwinkerndes Design, wenn sich beispielsweise das Gemälde des Firmenmagnaten ständig ändert, oder jenes so wertvolle Haus Stück um Stück demontiert wird. Mit vielen interessanten Kamerafahrten und ebenso einfallsreichen Perspektiven hervorragend in Szene gesetzt, vermögen einzig ein paar wenige Trickmomente nicht vollends zu überzeugen. Doch tut dies dem Unterhaltungswert keinen Abbruch. Und der überträgt sich auf das Publikum heute ebenso wie vor 25 Jahren.


Fazit:
Oftmals werden Verantwortliche im Showbusiness zitiert, dass Komödie schwieriger sei, als Drama. Wie schwer in diesem Zuge körperlicher Humor sein muss, mag sich dieser Kritiker gar nicht ausmalen. Umso erstaunlicher, wie leicht Nathan Lane und Lee Evans dies hier wirken lassen. Das Duo, das im englischen Original in Der König der Löwen [1994] den Figuren Timon und Pumbaa die Stimmen lieh, wirkt so eingespielt, als seien sie die legitimen Nachfolger von Laurel und Hardy. Ein nicht zu unterschätzender Beitrag leistet hierbei auch die Musik von Altmeister Alan Silvestri, der so verspielte und doch teils unterschwellig düstere Themen findet, dass man kaum anders kann, als sich mitnehmen zu lassen (von seinen Judge Dredd [1995]-Anleihen ganz zu schweigen). Dass das Zusammenspiel gelingt, verdankt Filmemacher Gore Verbinski auch seiner handwerklichen Umsetzung, die so kurzweilig und mitreißend ist, dass Jung und Alt sich hier unterhalten lassen können, selbst wenn die boshaften Spitzen den Erwachsenen vorbehalten sind. Doch gerade die machen Mäusejagd zu einer weitgehend unterschätzten Genreperle, die eine Art von Slapstick-Humor wiederbelebt, der lange verloren geglaubt war. Wer sich darauf einlässt, kann eine köstliche Zeit mit diesen Figuren verbringen. Zwar kommt das Ende etwas plötzlich und ist auch zu versöhnlich, aber als das, was er sein will, ist der Film überaus gelungen.