Dog [2022]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. Mai 2022
Genre: Drama / Unterhaltung

Originaltitel: Dog
Laufzeit: 101 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2021
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Reid Carolin, Channing Tatum
Musik: Thomas Newman
Besetzung: Channing Tatum, Jane Adams, Kevin Nash, Q’orianka Kilcher, Ethan Suplee, Emmy Raver-Lampman, Nicole LaLiberte, Luke Forbes, Ronnie Gene Blevins, Aqueela Zoll, Bill Burr


Kurzinhalt:

Obwohl seine seelischen Wunden noch nicht verheilt sind – auch die körperlichen hält er nur mit Medikamenten in Schach – will U.S. Army Ranger Jackson Briggs (Channing Tatum) nichts mehr, als zurück in den Einsatz. Doch eine Rückkehr ist nur möglich, wenn auch sein ehemaliger Captain einverstanden ist, der sich bislang verweigert. Er macht Jackson einen Vorschlag: Kürzlich ist Riley Rodriguez aus Jacksons Bataillon verstorben. Rodriguez war Hundeführer und sein Militärhund Lulu, die bei den Einsätzen ebenfalls verwundet wurde und mitunter unberechenbar ist, soll nach dem Wunsch der Familie an der Beerdigung teilnehmen. Wenn Jackson Lulu rechtzeitig zur Beerdigung bringt und im Anschluss in eine Militäreinrichtung, in der die Hündin eingeschläfert wird, da sie durch ihr stellenweise aggressives Verhalten nicht zur Adoption freigegeben werden kann, wird er Jacksons Rückkehr befürworten. So macht der sich mit Lulu auf, die Fahrt von 1.500 Meilen zurück zu legen. Es ist eine Reise, die sie einander näher bringt, als Jackson erwarten würde …


Kritik:
Dog erzählt von Mensch und Tier, die durch ihre Erfahrungen im Krieg traumatisiert sind und auf ihre Weise damit hadern, einen Weg zurück ins Leben zu finden. Das Regiedebüt von Reid Carolin und Channing Tatum, der auch die Hauptrolle übernimmt, ist was die Aussage und Stimmung anbelangt ein unausgewogener Film. Inhaltlich nicht neu und mit vielen vertrauten Momenten gespickt. Doch es gelingt den Verantwortlichen ein überraschend berührender Blick auf die Verbindung ihrer Hauptfiguren, der nachwirkt.

Der Vorspann wird begleitet von Bildern und Einblicken in die Karriere der Militärhündin Lulu, ein belgischer Schäferhund, die mit Halter Riley Rodriguez zu einem Bataillon der U.S. Army Rangers gehörte. Ebenfalls Teil der Einheit war Jackson Briggs, inzwischen Kriegsveteran, der neben seinen körperlichen Wunden an einer posttraumatischen Belastungsstörung in Folge seiner Einsätze leidet. Seine Tochter kennt ihn nicht einmal und er arbeitet in einem Imbiss, versessen darauf, wieder in den aktiven Einsatz zurückzukehren. Doch Veteranen, die ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten haben, werden nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen wieder auf Auslandseinsätze entsandt und sein ehemaliger Captain weigert sich, ihn diensttauglich zu melden. Doch er macht Jackson ein Angebot: Rodriguez ist gestorben und seine Familie wünscht sich, dass Lulu bei der Beerdigung anwesend ist. So macht sich Jackson mit der unberechenbaren und teils aggressiven Hündin auf einen Road Trip von 1.500 Meilen von Oregon nach Arizona.
Die Geschichte von Dog klingt sehr geradeheraus und der Aspekt über Kriegsveteranen, die körperliche wie seelische Blessuren davongetragen haben, ist nicht wirklich neu. Auch gibt es andere Filme, die sich mit den Auswirkungen jener Einsätze auf Militärhunde beschäftigen. Auf den ersten Blick scheinen Carolin und Tatum somit kaum etwas Neues beisteuern zu können, doch was an ihrer Herangehensweise überrascht, ist der Humor und die Leichtigkeit, mit der sie ihre Geschichte ungeachtet der im Grunde ernsten Stimmung erzählen.

Als Drogenspürhund ausgebildet, findet Lulu auf ihrem Weg nach Arizona die Plantage eines Haschisch-Bauern, und was zunächst wie ein Abschnitt beginnt, der aus einem Überlebensthriller stammen könnte, wandelt sich schnell zu einem Esoterik-Trip. Ebenso wenig später, wenn sich Jackson als blinder Kriegsheld ausgibt, um ein edles Hotelzimmer für sich und Lulu zu ergattern. So amüsant diese Teile der Geschichte sind, sie passen tonal stellenweise nicht wirklich zum Rest der Erzählung, die davon geprägt ist, dass Jackson, der jeden Morgen von Krämpfen geschüttelt und desorientiert aufwacht, der Medikamente nimmt, die ihn den Tag überstehen lassen und übermäßig Alkohol trinkt, sich selbst einredet, es ginge ihm gut und er könne nur in der Army, zurück im Einsatz, seine Erfüllung finden. Hier lässt Channing Tatum seine Figur verwundbarer erscheinen, als er es in sonstigen Rollen meistens tut und es macht seine Darbietung nur umso sehenswerter. Ein Leben außerhalb der Armee kommt für Jackson nicht in Frage und wenn der nächste Einsatz der letzte sein sollte, ist das besser, als die Alternative. Darum bemüht, Frauen mit Geschichten von seinen Einsätzen für sich zu interessieren, die Taktiken, die ihm beigebracht wurden, selbst dann anwendend, wenn er es mit Zivilisten zu tun hat, weiß Jackson nach seiner Zeit beim Militär nichts mit sich anzufangen – so wie Lulu, die bei Gewittern kaum zu halten ist, wohl in Erinnerung an Beschuss, den sie erlebt hat. Oder wenn sie einen Mann angreift, der dem Feindbild entspricht, auf das sie trainiert wurde. Dog stellt Lulu als eigene Persönlichkeit vor, wie Jackson ein Opfer ihrer Ausbildung und Erlebnisse, von Verwundungen gezeichnet, die sowohl sichtbar als auch unsichtbar sind. Insofern ist es nur umso passender, wenn Jackson sie stets mit „Hund“ ruft, ihr ihre Individualität abspricht und über, statt mit ihr spricht, so wie es auch menschlichen Veteranen wohl oft ergehen muss.

Sie beide müssen lernen, sich an das Leben außerhalb der Kriegseinsätze zu gewöhnen, erlernte Verhaltensmuster wieder abzulegen und eine neue Bestimmung zu finden. Das gelingt, da die Chemie zwischen Jackson und Lulu spürbar wird und da Carolin und Tatum mit Abschnitten wie demjenigen bei einem anderen Veteranen, der ebenfalls einen Militärhund aufgenommen hat, nicht nur Jackson, sondern auch Lulu eine Perspektive aufzeigen. Selbst in nebensächlich erscheinenden Dialogen wird auf andere Schicksale, auf tief sitzende Traumata verwiesen und der Blick so erweitert, über die aktuelle Story hinaus. Wie viel Wert die Verantwortlichen hierauf legen, unterstreicht, wie wichtig ihnen offenbar die Geschichte ist. Auch lebt die Stimmung spürbar von der getragenen und geradezu melancholischen Optik und der Songsauswahl, die den Bildern jener meist unberührten Landschaften eine Stimme verleiht. Hier wiederholt Dog Vieles, was man bereits in anderen Road Trip-Filmen gesehen hat, aber das heißt nicht, dass die Eindrücke nicht wirken würden.


Fazit:
Auch wenn der Titel etwas anderes vermuten lässt, ist Dog ein Film, der beide zentrale Figuren ins Zentrum rückt, Ex-Soldat Jackson und den ausgemusterten Militärhund Lulu. Beide haben Narben von ihren Einsätzen davon getragen, die nie verheilt sind und beiden fällt es schwer, sich in der Welt nun zurechtzufinden. Ist Jackson auf sich gestellt, soll Lulu nach der Teilnahme an der Beerdigung eingeschläfert werden – für beide scheint es keine weitere Verwendung zu geben. Diese Parallelen und Unterschiede arbeitet das überraschend starke Regiedebüt von Reid Carolin und Channing Tatum gelungen heraus. Dabei sind nicht alle Abschnitte gelungen und stellenweise verklärt das Drehbuch die Situation zu sehr, insbesondere in den letzten Minuten. Doch das Zusammenspiel zwischen den zentralen Figuren ist ebenso einprägsam wie die atmosphärische, handwerkliche Umsetzung, die erst in der zweiten Hälfte zu sehr auf bekannte Sonnenuntergangseinstellungen setzt. Unausgewogen in vielerlei Hinsicht, vermittelt Dog ein Gefühl dafür, welches Trauma Mensch und Tier aus dem Krieg mit nach Hause bringen und wie beide einander helfen können, zu heilen. Das ist berührend und wirkt nach, trotz aller Kritikpunkte.