Game of Thrones: Staffel 1 [2011]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 22. Januar 2022
Genre: Fantasy / Drama

Originaltitel: Game of Thrones: Season 1
Laufzeit: 586 min. (10 Episoden)
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Tim Van Patten, Brian Kirk, Daniel Minahan, Alan Taylor
Musik: Ramin Djawadi
Besetzung: Sean Bean, Michelle Fairley, Lena Headey, Emilia Clarke, Nikolaj Coster-Waldau, Kit Harington, Sophie Turner, Maisie Williams, Richard Madden, Peter Dinklage, Aidan Gillen, Mark Addy, Iain Glen, Harry Lloyd, Alfie Allen, Isaac Hempstead Wright, Jack Gleeson, Rory McCann, Jason Momoa


Kurzinhalt:

Als die rechte Hand von Robert Baratheon (Mark Addy) überraschend stirbt, bittet dieser seinen Freund Eddard „Ned“ Stark (Sean Bean), ihn am Königssitz in Königsmund zu unterstützen. Der schwierigen Situation und der Machtrangeleien im Hintergrund um den Eisernen Thron ist sich Ned bewusst, doch der Ruf des Königs ist für ihn Befehl. So reist er mit seinen Töchtern Sansa (Sophie Turner), die Roberts Sohn Joffrey (Jack Gleeson) heiraten soll, und Arya (Maisie Williams) zum König, wo die Königin Cersei (Lena Headey) und ihr geliebter Bruder Jaime Lannister (Nikolaj Coster-Waldau) bereits eigene Pläne schmieden. Der in Ungnade gefallene Tyrion Lannister (Peter Dinklage) wird ebenfalls in diese Familienfehde involviert. Sie alle ahnen nicht, dass hoch im Norden, an der uralten Mauer aus Eis, die das Land vor den Kreaturen dort beschützt, und wo Neds unehelicher Sohn Jon Snow (Kit Harington) bei der Nachtwache Dienst verrichtet, eine große Gefahr erwacht ist. Und auch aus anderer Richtung droht ein Konflikt, denn Daenerys Targaryen (Emilia Clarke) ist darauf aus, den Eisernen Thron, auf dem einst ihr Vater saß, zurückzuerobern, und schließt dafür ein Bündnis mit Khal Drogo (Jason Momoa) von den Dothraki. In ihr ruht eine Macht, die alle anderen in den Schatten stellt …


Kritik:
Basierend auf der bislang unvollendeten Fantasy-Romanreihe Das Lied von Eis und Feuer [seit 1996] von George R. R. Martin erzählt die erste Staffel der von HBO produzierten Serie Game of Thrones von den Machtkämpfen in einer fiktiven Fantasywelt. Sehnlichst erwartet, bietet der Serienauftakt ein weit verzweigtes Universum mit dutzenden wiederkehrender Figuren. Dabei ist der Einstieg zumindest für diejenigen, die mit der Vorlage nicht vertraut sind, holprig. Doch belohnen die Verantwortlichen Geduld mit einer aufwändigen und hochkarätig besetzten Produktion, die noch mehr Potential erkennen lässt.

Angesiedelt ist Game of Thrones: Das Lied von Eis und Feuer in einer Welt, die unserem Mittelalter ähnelt, und doch eine ganz andere ist. Mit Königreichen und Rittern, aber auch Magie, der Legende von Drachen und mystischen Wesen. Einen gewissen Überblick über den Aufbau vermittelt der Vorspann, der den Kontinent Westeros mit seinen verschiedenen Königreichen vorstellt. Im Zentrum der Geschichte stehen die Adelshäuser Stark, Lannister und Baratheon, angeführt von Robert Baratheon, dem aktuellen König über die sogenannten Sieben Königslande, der auf dem Eisernen Thron in der Stadt Königsmund herrscht. Robert hatte den Thron vor 17 Jahren für sich beansprucht, als er die Herrschaft des seinerzeit als verrückt geltenden Aerys II aus dem Hause Targaryen gewaltsam beendete. Die Ursache für den Umsturz ist Teil der Verbindung zwischen Robert und dem geachteten Lord Eddard „Ned“ Stark, der in Winterfell regiert. Als Roberts rechte Hand stirbt, bittet er Ned, ihm in Königsmund als neue „Hand des Königs“ zu dienen.

Doch was Ned in Königsmund entdeckt, wo Intrigen und Meucheleien an der Tagesordnung sind, könnte nicht nur die Zukunft der Königsfamilie Baratheon gefährden. Sie wird auch Neds eigenen Kindern zum Verhängnis, die von den Geheimnissen der Familie Lannister, aus der die Königin Cersei stammt, Kenntnis erlangen. Doch ist dieser Storystrang nur einer von dreien der Serie. Ein anderer betrifft Neds unehelichen Sohn Jon Snow, der von allen nur „Bastard“ genannt wird, und der sich, da ihm im Reich seines Vaters trotz dessen Anerkennung keine Zukunft in Aussicht steht, der Nachtwache anschließt. Diese Bruderschaft bewacht ganz im Norden des Landes eine Mauer aus Eis, erbaut vor Tausenden von Jahren, die die Länder des Nordens in Westeros vor den Geschöpfen und Gefahren von jenseits der Mauer beschützen soll. Diese Bruderschaft lebt abgeschieden, man schließt sich ihr auf Lebenszeit an und Deserteure werden exekutiert. Dabei droht von Norden eine Gefahr, die so alt ist, dass sie viele für einen Mythos halten. Unterdessen bereiten die beiden Nachkommen aus dem Hause Targaryen, die im durch eine Meerenge abgeschiedenen Kontinent Essos aufgewachsen sind, ihre Rückkehr nach Königsmund vor, um den ihrer Meinung nach rechtmäßigen Anspruch auf den Thron geltend zu machen. Dafür vermählt sich die junge Daenerys Targaryen mit Anführer des Reitervolkes Dothraki, Khal Drogo, dessen Streitmacht den Targaryens bei der Rückeroberung ihrer Ländereien helfen soll.

Diese stark miteinander verwobenen Familiengeschichten ansprechend vorzustellen und einem Publikum zu vermitteln, ist eine Herkulesaufgabe, der sich Game of Thrones zumindest in der ersten Staffel aber nur bedingt stellt. Es scheint vielmehr, als würden sich die Verantwortlichen eher an ein Publikum richten, das diese Zusammenhänge bereits kennt. Ein einleitender Prolog, ähnlich wie bei Der Herr der Ringe – Die Gefährten [2001] fehlt hier vollständig und da die Karte jener Welt beim Vorspann nie vollständig zu sehen ist, fällt es auch anfangs schwer, sich mit den örtlichen Gegebenheiten zurecht zu finden. So passiert es beispielsweise in der zweiten oder dritten der zehn Episoden, dass sich die Figuren gefühlt von einer Szene zur nächsten an unterschiedlichen Orten in den Sieben Königslanden befinden, obwohl diese doch zu Pferd tagelang auseinander liegen sollten. Bestimmte Verbindungen zwischen Figuren (beispielsweise der Nachtwache und im Gefolge von Daenerys Targaryen) muss man beinahe zufällig erhaschen, da sie nur flüchtig erwähnt werden und so interessant die Mythologie dieses Universums ist, beispielsweise mit Drachen, Heilern und anderen Geschöpfen, es wird nicht klar, was es nun wirklich gibt oder gab, was nur überliefert ist und was keines von alledem.

Man nehme beispielsweise die Drachen, von denen immer wieder gesprochen wird. Dass es sie gab, dafür gibt es genügend Belege, wann sie jedoch ausstarben und weshalb, bleibt ein Mysterium. Magie scheint ein Teil jener Welt zu sein, doch in welchem Umfang? Game of Thrones beginnt mit einer Sequenz, in der „weiße Wanderer“ jenseits der Mauer dort patrouillierende Wachen aus Westeros ermorden. Im Verlauf der ersten Staffel erfährt das Publikum lediglich, dass die Machthabenden, selbst diejenigen der Nachtwache, nicht an die „weißen Wanderer“ glauben, ihre letzte Sichtung bereits Jahrtausende zurückliegt. Nur wie dies zusammenhängt, was es bedeuten würde und was es mit diesen Wanderern auf sich hat, erfährt man nicht. Sie tauchen noch einmal auf, doch wer vermuten würde, dass dies eine die Staffel umspannende Bedrohung ist, gegen die sich das Königreich wird wehren müssen, der irrt. Es scheint am Ende wie ein Storybogen, der vergessen wurde. So wie manch andere auch, wenn sowohl zwischen einzelnen Episoden als auch am Ende der Staffel Erzählstränge in der Luft hängen. Während manche Folgen mit einem Cliffhanger enden, einem spannenden Moment, den man aufgelöst sehen möchte, präsentieren andere Episoden den Cliffhanger Minuten vor dem Ende und lassen die Geschichte dann einfach auslaufen. Hier wird dramaturgisches Potential verschenkt.

Auch erreichen nicht alle Episoden dasselbe Niveau hinsichtlich der Dialoge. So gelungen beispielsweise „Der Wolf und der Löwe“ oder auch die von George R. R. Martin selbst geschriebene Episode „Das spitze Ende“ sind, so sehr scheint den beiden Folgen dazwischen das gewisse Etwas hinsichtlich scharfer Dialogzeilen zu fehlen. Selbiges gleichen die Verantwortlichen durch zwei Alleinstellungsmerkmale aus, die Produktionen von Kabelfernsehsendern wie HBO vorbehalten sind: Gewalt und Sex. Wird zumindest auf letzteres bei großen TV-Anstalten meist verzichtet, muss sich HBO hier nicht zurücknehmen und das sieht man auch. Nicht nur, dass hier reihenweise Personen verstümmelt, geköpft, gefoltert und anderweitig gemeuchelt werden, Vergewaltigung, Sex oder Inzest sind ebenfalls an der Tagesordnung. Zweifellos zählte beides auch zum Alltag im europäischen Mittelalter, insofern kann man diese unter „Authentizität“ verbuchen. Doch muss man sich mitunter doch die Frage stellen, ob manche Einstellungen und Szenen so aufgebaut sein müssen, dass man weibliche wie männliche Figuren nackt vor der Kamera agieren sieht, oder eine Grausamkeit nach der anderen gezeigt wird. Es hat mitunter den Eindruck, als wären dies für die Verantwortlichen auch Schauwerte, die ein Publikum anlocken, anstatt es im Hinblick auf die gezeigte Gewalt abstoßen sollen. Als Selbstzweck ist das aber schlicht enttäuschend.

Anders hingegen die Besetzung, angeführt von einem starken und wie je charismatischen Sean Bean als Ned Stark. Michelle Fairley und Lena Headey als grundverschiedene Frauenfiguren sind ebenso gelungen, wie auch Emilia Clarke oder Sophie Turner, die in den letzten Episoden ihr Talent ausspielen kann. Maisie Williams, Richard Madden oder auch Kit Harington lassen für die kommenden Staffeln Großes erahnen, während Nikolaj Coster-Waldau einzig durch die schwachen Charakterzeichnungen seiner Figur zurückgehalten wird. Ein Highlight ist Peter Dinklage als Tyrion Lannister, dessen Dialoge wie übrigen Szenen zu den amüsantesten und teils auch aufschlussreichsten gehören. Sie werden von einer Besetzung ergänzt, darunter Aidan Gillen oder Iain Glen, die talentierter kaum sein könnte. Game of Thrones: Staffel 1 lässt in vielen Momenten durchscheinen, wozu die Serie im Stande ist und es gibt zahlreiche beeindruckende Momente, selbst wenn die große Hintergrunderzählung bislang nicht in dem Sinne mitreißt und überzeugt, wie Ansätze, beispielsweise um die weißen Wanderer oder die Mauer selbst, interessieren. Als Auftakt ist das gelungen und für Fantasy-Fans eindeutig eine Empfehlung.


Fazit:
Mit der reichhaltigen Hintergrundgeschichte und den verzweigten, teils überlappenden Familienstammbäumen, deren Abhängigkeiten für das Verständnis durchaus eine Rolle spielen, eignet sich Game of Thrones: Staffel 1 nicht für ein Gelegenheitspublikum. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem Fantasy-Universum belohnt, das trotz vieler Andeutungen und groben Einblicke so detailliert erscheint, als wäre es tausende von Jahren alt und als könnte man wie in einem Buch zurückblättern und jene Geschichten ebenso erleben. Der raue Umgang der Figuren untereinander, die geringgeschätzte Bedeutung der Frauen in jenen Gesellschaften, werden greifbar präsentiert, Aussagen hierzu, die auch für die heutige Zeit gesellschaftlich relevant sein könnten, werden aber bislang nicht getroffen. Nicht nur für eine Fernsehserie exzellent ausgestattet, insbesondere in den Innenaufnahmen der Schlösser, Burgen und Wachen, präsentieren die Verantwortlichen eine stimmige Atmosphäre, der die dialoglastige Erzählung aber nicht immer ganz gerecht wird. Selbst wenn die getragene Musik hier viel wieder aufwiegt. Vielmehr kündigen die Figuren vieles an („Der Winter naht“), ohne dass dies eintreffen, oder man hiermit überhaupt etwas verbinden würde. Eine namhafte und starke Besetzung, angeführt von zahlreichen Genregrößen, verheißt zum Teil etwas mehr, als die erste Staffel einzulösen vermag, auch, weil viele Storyfäden nicht abgeschlossen sind, oder am Ende gar an einem entscheidenden Wendepunkt angekommen sind. Dies ist nichts, was die Serie in den kommenden Jahren nicht vergessen machen kann, wenn die vielversprechende Geschichte einlöst, was sie andeutet. Genrefans können sich jedenfalls darauf freuen.