Kommissar Wisting: Jagdhunde [2019]

Wertung: 3.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Dezember 2020
Genre: Krimi / Drama

Originaltitel: Wisting: Episode 6 bis 10
Laufzeit: 178 min.
Produktionsland: Norwegen
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Trygve Allister Diesen, Katarina Launing
Musik: Ole Bo, Jacob Groth, Sören Möller
Besetzung: Sven Nordin, Thea Green Lundberg, Mads Ousdal, Gard B. Eidsvold, Lars Berge, Kjersti Sandal, Christoffer Staib, Fridtjov Såheim, Ulrikke Hansen Døvigen, Irina Eidsvold Tøien, Lars Sørbø, Thea Sofie Loch Næss, Ellen Dorrit Petersen


Kurzinhalt:

Ein halbes Jahr, nachdem Kommissar William Wisting (Sven Nordin) einen international gesuchten Serientäter gefasst hat wird er vor laufenden Kameras von Anwalt Henden (Fridtjov Såheim) beschuldigt, er habe Beweise gefälscht, um eine Verurteilung von Vidar Haglund (Christoffer Staib) zu erreichen. Wisting wird suspendiert, während die Innenrevision Ermittlungen gegen ihn aufnimmt. Unterdessen verschwindet die junge Bloggerin Linnea (Thea Sofie Loch Næss), die sich vor Monaten mit der Vermutung bei der Polizei gemeldet hatte, sie werde verfolgt. Wistings Team ist gefordert, den Fall aufzuklären, der Parallelen zu Haglunds aufweist. Aus diesem Grund schält sich auch der ehemalige Polizist Frank (Gard B. Eidsvold) ein, der das Verschwinden seiner eigenen Tochter vor fast 20 Jahren nie verwunden hat. Unterdessen verfolgt Wistings Tochter Line (Thea Green Lundberg), eine erfolgreiche Journalistin, Spuren in einem Mord – die sie zurück zu ihrem Vater führen …


Kritik:
Nachdem es Kommissar Wisting in Eisige Schatten [2019] gelang, einen Serienmörder zu fassen, wird der norwegische Ermittler in Jagdhunde mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Der zweite TV-Fall des norwegischen Polizeikommissars, der ursprünglich erneut fünf einzelne Episoden umfasste, weist dieselben Stärken auf wie der Vorgänger, wiederholt jedoch dabei dieselben Schwächen. Wäre es nicht um die Verbindungen zwischen den Fällen, wäre das noch enttäuschender.

Zusammen mit dem amerikanischen FBI den Serienmörder Robert Godwin zu fassen, machte Kommissar William Wisting im ganzen Land bekannt. Bei einem TV-Interview zu diesem Ermittlungserfolg, wird er jedoch mit dem Anwalt Henden konfrontiert, der Wisting eröffnet, dass gegen ihn eine Anklageschrift eingereicht wurde. Wisting soll vor 17 Jahren, bei den Ermittlungen zu seinem ersten Mordfall, Beweise gefälscht haben, um Vidar Haglund hinter Gitter zu bringen. Während gegen Wisting die Innenrevision ermittelt, er selbst suspendiert wird, verschwindet kurz nach Haglunds Freilassung bis zu einer Wiederaufnahme des Prozesses in Anbetracht der Beweislage, die Bloggerin Linnea. Ohne seinen Vorgesetzten hat Wistings Team alle Mühe, den Fall zu lösen.
Wistings Tochter, die Journalistin Line, untersucht derweil den Mordfall in einem Park, der sie über kurz oder lang zurück zu ihrem Vater führt.

Prinzipiell erzählt Jagdhunde somit drei separate Fälle: Einerseits den wieder aufgerollten Fall um die vor 17 Jahren ermordete Cecilia, Tochter einer bekannten Familie, der Wistings Ruf zementierte, dann die Entführung der Bloggerin Linnea und der Mord, den Wistings Tochter nachverfolgt. Es wundert zwar nicht, dass sie alle am Ende zusammenlaufen, doch das tröstet nicht darüber hinweg, dass die Art und Weise, wie dies geschieht, arg konstruiert erscheint. Tatsächlich dauert es sehr lange, ehe das Regieduo Trygve Allister Diesen und Katarina Launing das Augenmerk überhaupt auf den tatsächlichen Krimiaspekt legt. Lange Zeit beschäftigen sie sich mit der Familie der verschwundenen Bloggerin und dem Ermittler Benjamin, der Linnea nicht ernst nahm, als sie sich ein halbes Jahr zuvor bei der Polizei meldete mit dem Hinweis, sie werde verfolgt. Dieser Moment dürfte Kennern der Kommissar Wisting-Reihe sogar bekannt vorkommen: Es ist eine Sequenz aus Eisige Schatten, die im damaligen Fall jedoch keine Rolle spielte. Wie dies genau mit dem neuen Fall in Einklang zu bringen ist, konnte Ihr Entführer sie damals tatsächlich noch nicht verfolgen, sei dahingestellt.

Es ist nur eine von vielen kleine Ungereimtheiten des Krimis. Wie der Umstand, dass Benjamin von einem Moment auf den anderen Linneas Psychologen befragt, ohne dass geklärt würde, woher diese Spur überhaupt kommt. Oder dass die Spur ihres Freundes urplötzlich gar nicht weiter verfolgt wird. Dem entgegen stehen die vielen kleinen Verbindungen zwischen den Krimis, die spürbar dazu beitragen, die einzelnen Fälle zu verzahnen und Wisting als Figur zu komplettieren. Sei es die Tatsache, dass sein voriger Fall hier eine Rolle spielt, oder dass dem gezeichneten, ehemaligen Polizisten Frank Robekk hier mehr Platz eingeräumt wird.
Da auch Wistings Team nicht vor Ecken und Kanten gefeilt ist, wird das Publikum zu Beginn kaum sicher sagen können, ob der Titel gebende Kommissar damals bei den Beweisen nachgeholfen hat, oder nicht. Tatsächlich verdichten sich die Hinweise, dass die Beweise manipuliert wurden. Die Frage ist eher, durch wen?

Bedauerlicherweise gelingt es Jagdhunde nicht, zwischen den Aspekten des Krimis oder den drei Fällen darin eine angemessene Balance zu finden, so dass jeder einzelne von ihnen zeitweise vollkommen ins Abseits zu verschwinden scheint. Wird Wisting suspendiert und verschafft er sich Zugang zu den Akten und Beweismitteln des 17 Jahre alten Mordfalles, würde man erwarten, dass die Spannung spürbar zunimmt, doch gestaltet sich der Krimi überraschend spannungsarm. Weder, wenn man den Fall als dreistündiges Gesamtwerk sieht, noch als zwei eineinhalbstündige Filme, oder gar als jeweils 45 Minuten lange Episoden, entwickeln die Teile eine merkliche Dramaturgie. Eher zufällig stolpern die Ermittler in der zweiten Hälfte auf die Lösung. Anfängliche Spuren, wie wenn Wisting mit Frank dem verdächtigen Haglund folgt, versanden förmlich, und wenn deutlich wird, dass Linnea tatsächlich entführt wurde, kommt keine Dringlichkeit auf, als würde den Polizisten die Zeit ausgehen, sie ausfindig zu machen.

Die Heimvideoveröffentlichung von Kommissar Wisting: Eisige Schatten im Verleih von Release Company – a division of WDR mediagroup – bietet wie zuvor neben einer deutschen Sprachfassung in 5.1-Surround Sound auch eine Stereo-Tonspur sowie den Original-Ton in norwegisch. Eine Hörfilmfassung ist dankenswerter Weise wieder enthalten, wie auch eine Untertitelspur für hörgeschädigte Menschen. Die deutsche Synchronisation wirkt leider auch hier außerordentlich steril, so dass sich die Umgebung im Klang der Stimmen kaum widerspiegelt. Zusammen auf einer Disc mit Eisige Schatten, gibt es außer Trailern zu anderen Produktionen der ARD kein Bonusmaterial, dafür überzeugt die Optik auch hier dank des Bildverhältnisses von 2,35:1. Fans dürften somit auf ihre Kosten kommen.

Weniger Kriminalfall, beschäftigt sich der TV-Film nur phasenweise mit den Opfern, richtet seinen Blick dann wieder auf die Ermittler wie Benjamin, dem vor Augen geführt wird, was seine Abweisung der jungen Frau für Folgen nach sich zieht. Das ist durchweg gut gespielt und auch tadellos inszeniert – nur packend ist es leider nicht.


Fazit:
Auch in Jagdhunde wird Kommissar Wisting mit einer nicht nur außergewöhnlichen Situation konfrontiert. Noch bevor das Publikum ihn einschätzen lernen kann, sieht, wie er mit einem „normalen“ Fall umgeht, findet er sich selbst auf der Anklagebank wieder. Das macht es jedoch schwierig, mit einem Ermittler mitzufiebern, den man schlicht noch nicht kennt. Dass die drei einzelnen Fälle hier zusammengeführt werden, überrascht nicht, erscheint aber insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass Wistings Tochter erneut am selben Fall recherchiert wie ihr Vater, zu erzwungen. Erst in der zweiten Krimihälfte beginnt die eigentliche Polizeiarbeit, die aber nicht so verschachtelt oder komplex ist, wie man bei der Laufzeit erwarten würde, selbst wenn einige falsche Fährten gelegt werden. Dafür überzeugt Kommissar Wisting: Jagdhunde mit zahlreichen gelungenen Perspektiven, welche die fantastische Landschaft toll einfangen. Einzig beim Finale, wenn endlich Tempo aufkommt, geraten die Bilder arg verwackelt. Atmosphärisch, ist auch dieser Krimi vielversprechend und in der letzten Einstellung offenbaren die Macher den Blick auf ein Ermittler-Team, das durch Zusammenhalt und Empathie überzeugen kann – nur ist das reichlich spät und der Weg dorthin nicht so spannend, wie man erhoffen würde.


Wisting-Packshot Kommissar Wisting: Eisige Schatten (1+2) und Jagdhunde (1+2) ist seit
13. November 2020 als Blu-ray, DVD und digital von
WDR mediagroup / Release Company erhältlich!
Urheberrecht des Bildes liegt bei
WDR mediagroup / Release Company.
Verwendet mit freundlicher Genehmigung.