Hollow Man - Unsichtbare Gefahr [2000]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. November 2020
Genre: Science Fiction / Thriller / Horror

Originaltitel: Hollow Man
Laufzeit: 112 min.
Produktionsland: USA / Deutschland
Produktionsjahr: 2000
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Paul Verhoeven
Musik: Jerry Goldsmith
Besetzung: Elisabeth Shue, Kevin Bacon, Josh Brolin, Kim Dickens, Greg Grunberg, Joey Slotnick, Mary Randle, William Devane, Rhona Mitra, Pablo Espinosa, Margot Rose


Kurzinhalt:

Der ebenso brillante wie von sich selbst maßlos überzeugte Wissenschaftler Sebastian Caine (Kevin Bacon) forscht im Auftrag des Pentagon an einem Serum, um Menschen unsichtbar zu machen. Nach einem Durchbruch bei den Versuchstieren, überredet Sebastian die ebenfalls mit dem Projekt betrauten Linda (Elisabeth Shue) und Matthew (Josh Brolin), ihre Auftraggeber über die Fortschritte im Unklaren zu lassen und in die letzte Phase einzutreten: Den Versuch am Menschen. Dafür meldet sich Sebastian freiwillig und wird erfolgreich unsichtbar gemacht. Nachdem die Rückumwandlung fehlschlägt, wird Sebastian zunehmend aggressiv. Immer mehr erliegt er den Möglichkeiten, die sich ihm bieten, wenn niemand weiß, was er tut. Als Linda und Matthew die Projektleitung beim Pentagon informieren wollen, ist für Sebastian klar, dass er dies nicht zulassen kann. Niemand darf erfahren, was mit ihm passiert ist und alle, die es wissen, müssen zum Schweigen gebracht werden …


Kritik:
Lange Zeit behielt sich der niederländische Filmemacher Paul Verhoeven auch in Hollywood die Kompromisslosigkeit, auf Grund derer das Publikum in Europa auf ihn aufmerksam geworden war. RoboCop [1987], Total Recall - Die totale Erinnerung [1990] und auch Basic Instinct [1992] tragen seine ganz eindeutige Handschrift, die sich auch in Starship Troopers [1997] nicht nur in einem exzessiven Gewaltgrad widerspiegelt, sondern darin, dass dieser nicht zum reinen Selbstzweck gezeigt wird. Dass Verhoeven in seinen Filmen nicht mit nackter Haut geizte, war nicht nur das Markenzeichen von Showgirls [1995]. Von seinem bislang letzten Hollywood-Film Hollow Man - Unsichtbare Gefahr war der Filmemacher selbst derart enttäuscht, dass er nicht nur seine längste kreative Pause danach einlegen sollte, sondern seine Zelte in der Traumfabrik abbrach. Die Adaption der Geschichte eines unsichtbaren Mannes ist dabei kein schlechter Film, es ist nur einer, der nicht Verhoevens Handschrift trägt – und der trotz der immer noch sehenswerten Trickeffekte inhaltlich beinahe so durchsichtig ist, wie der Protagonist über lange Zeit.

Der von Kevin Bacon gespielte Wissenschaftler Sebastian Caine arbeitet mit einem kleinen Forschungsteam daran, Menschen unsichtbar und wieder sichtbar zu machen. Als ihnen endlich der Durchbruch gelingt, testet Caine das Mittel an sich selbst und wird als Unsichtbarer nicht nur zunehmend gereizt, sondern in erschreckendem Tempo skrupellos gewaltbereit. Die Geschichte von Hollow Man klingt nicht sehr ausgefeilt und tatsächlich beschränkt sich der Thriller auf überraschend wenige Aspekte. Außer Elisabeth Shue als Caines ehemalige Geliebte und Kollegin im Team, Josh Brolin als ihr neuer Freund und Kim Dickens als Tierärztin Sarah, haben die übrigen Mitglieder nichts zu tun und dienen im letzten Drittel eher dazu, Sebastians Abstieg in den Wahnsinn dem Publikum mit dem entsprechenden Body Count bildlich vor Augen zu führen.

Welche Richtung der Filmemacher mit seiner Interpretation des bekannten Themas einschlägt, wird bereits in den ersten Minuten deutlich, wenn nach dem Vorspann eine Ratte von einem unsichtbaren Gorilla blutig aufgefressen wird. Dass Gorillas keine Fleischfresser sind, soll in dem Fall unterstreichen, wie sehr das Unsichtbarkeitsserum den Charakter der jeweiligen Kreatur beeinflusst. Nimmt man hierzu Sebastians maßlosen Narzissmus, der sich selbst für einem Gott gleich talentiert hält, bekommt das Publikum ein Gefühl dafür, was die Unsichtbarkeit mit ihm anrichten wird, wenn er sich selbst nicht mehr im Spiegel betrachten muss. Das zu sehen, ist durchweg unterhaltsam und von den Beteiligten soweit es das Drehbuch erlaubt auch ordentlich gespielt. Das tatsächliche Highlight sind jedoch die Trickeffekte des Unsichtbaren und der Verwandlungen an sich, die alles bis dahin dagewesene in den Schatten stellten.

Anstatt die Testpersonen einfach verblassen zu lassen, zersetzt das Serum die Struktur der einzelnen Gewebeschichten, so dass es den Anschein hat, man würde Sebastian beispielsweise ohne Haut oder ohne Fleisch bzw. nur die Knochen von ihm sehen. Die Illusion einer Unsichtbarkeitsverwandlung, die von außen nach innen bzw. die Rückverwandlung von innen nach außen gezeigt wird, ist schlicht atemberaubend und auf eine Art und Weise detailliert, dass die Szenen auch 20 Jahre später noch überzeugen. Selbst wenn Sebastian seine Umwelt beeinflusst, durch Rauch läuft, oder schwimmt, wenn ihm eine Maske aufgesetzt wird, damit seine Kolleginnen und Kollegen wenigstens irgendeine Erscheinung haben, mit der sie sich unterhalten können, sieht das beeindruckend und so realistisch aus, wie man es sich eben vorstellen kann. Mag sein, dass einige wenige Einstellungen den Trickeffekt erkennen lassen, insgesamt jedoch besteht die Illusion auch den Test der Zeit. Weshalb die Explosion beim Finale oder die Sequenz im Fahrstuhlschacht in jeder Einstellung glaubwürdig aussehen, während neuere Produktionen wie Skyscraper [2018] hier bedeutend schlechter getrickst sind, verstehe darüber hinaus, wer will.

Bedauerlicherweise ist Hollow Man - Unsichtbare Gefahr heute nur in der erweiterten „Director’s Cut“-Fassung in modernen Medien erhältlich. Ob es sich hierbei tatsächlich um eine von Paul Verhoeven befürwortete Version handelt, sei dahingestellt. Der Verleih fügte dafür aus der Kinoversion gelöschte Szenen wieder ein, die einerseits das ohnehin recht zähe erste Drittel des Films unnötigerweise noch länger machen, und erweitert darüber hinaus eine Vergewaltigungsszene, gegen die sich der Regisseur bewusst ausgesprochen hat. Die stark sexualisierte Gewalt ist es auch, die Hollow Man spürbar den an sich vorhandenen Unterhaltungswert kostet. In verschiedenen Ausprägungen greift Sebastian Caine drei Mal Frauen sexuell an. Eine weitere Szene findet nur im Kopf einer Person statt. In all diesen Fällen versetzt der Filmemacher das Publikum einem Voyeur gleich in den Blickwinkel des Angreifers. Ist dies beim ersten Mal bereits unangenehm, wird es bei den weiteren Angriffen nur unerträglich. Verhoeven meinte selbst nach Veröffentlichung des Films, dass ein Großteil der Zuschauerinnen und Zuschauer Sebastian als vermeintlichem Helden länger folgen würde, als man erwarten würde – doch das rechtfertigt insbesondere in der erweiterten Filmfassung nicht die ausufernd lange und explizite Darstellung.


Fazit:
Wer ausgehend von seinen vergangenen Filmen einen tieferen gesellschaftlichen Kommentar bei Paul Verhoevens Interpretation von H. G. Wells’ Romanklassiker erwartet, wird enttäuscht. Bei der simpel gestrickten Story erhalten nur wenige Figuren überhaupt einen Hintergrund, geschweige denn charakterliche Schattierungen. Gleichwohl packend, ist es umso bedauerlicher, dass die zweite Hälfte zunehmend zu einem Slasher-Film verkommt, bei der die einzige Frage ist, wie Sebastian sich der Personen entledigt, die ihm gefährlich werden könnten. Mit den unnötigen Erweiterungen der längeren Filmfassung tun sich die Macher keinen Gefallen, wobei die explizite Darstellung sexualisierter Gewalt aus dem Blickwinkel des Täters regelrecht abstößt. Dank der routinierten und in Hinblick auf seine Unsichtbarkeit einfallsreichen Inszenierung, ist der Thriller zwar unterhaltsam umgesetzt, der wahre Star sind allerdings die Effektkünstler, die die Hälfte des Budgets verschlangen. Hervorragend getrickst, besticht Hollow Man - Unsichtbare Gefahr auch heute noch in technischer Hinsicht, erweist sich inhaltlich jedoch als ebenso durchschau- bis unsichtbar, wie die Titelfigur.