Ready or Not – Auf die Plätze, fertig, tot [2019]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 20. Juli 2020
Genre: Horror / Thriller

Originaltitel: Ready or Not
Laufzeit: 95 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2019
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillett
Musik: Brian Tyler
Besetzung: Samara Weaving, Adam Brody, Mark O’Brien, Henry Czerny, Andie MacDowell, Melanie Scrofano, Kristian Bruun, Nicky Guadagni, Elyse Levesque, John Ralston, Liam MacDonald


Kurzinhalt:

Es soll der schönste Tag im Leben von Grace (Samara Weaving) werden, wenn sie Alex Le Domas (Mark O’Brien) heiratet. Seiner Familie gehört ein riesiges Brettspieleimperium. Selbst wenn ihr Schwager Daniel (Adam Brody) Grace noch vor der Trauung rät, es sich anders zu überlegen, für sie könnte es wie im Traum – bis Grace kurz vor Mitternacht am Tag der Hochzeit von der gesamten Familie in einen speziellen Raum geführt wird. Dort werden ihr von Schwiegervater Tony (Henry Czerny) die Familientraditionen erklärt und gesagt, dass sie ein Spiel spielen müsse, um wirklich aufgenommen zu werden. Die Wahl fällt auf „Verstecken“, doch was sich harmlos anhört, ist tödlicher Ernst. Während Grace sich verstecken muss, ist es an allen anderen Familienmitgliedern, bis hin zu ihrer Schwiegermutter Becky (Andie MacDowell), sie zu finden … und zu töten. So mündet die Hochzeitsnacht in einem blutigen Alptraum.


Kritik:
Wenn es eines gibt, das der Horror-Thriller Ready or Not – Auf die Plätze, fertig, tot nicht ist, dann subtil. Die Filmemacher Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett gehen offen mit ihrer Geschichte um, deren Zusammenhänge dann erklärt werden, wenn die Story richtig in Fahrt kommt. Und sie halten auch mit ihrer Gesellschaftskritik nicht zurück, die das Drehbuch nicht nur merklich prägt, sondern sogar an mehreren Stellen im Film ausgesprochen wird. Woran es der sichtlich für ein erwachsenes Publikum umgesetzten Geschichte jedoch fehlt, ist eine interessante Mythologie. Dafür wartet sie mit einer Darbietung im Zentrum auf, die packender kaum sein könnte.

Samara Weaving, Nichte von Hugo Weaving (Matrix [1999]), zeigt hier eine Tour de Force, die im letzten Drittel nur noch intensiver wird, wenn sich zu ihrer Panik noch eine hasserfüllte Verachtung gesellt. Dabei ist sie im gesamten Film in einem Brautkleid zu sehen und an sich spielt Ready or Not am vermeintlich schönsten Tag in ihrem Leben. Und in der Hochzeitsnacht. Als Grace heiratet sie Alex Le Domas, dessen Familie ein Spieleimperium besitzt. Während insbesondere ihre künftige Schwiegermutter Becky sehr von Grace angetan ist, sind andere Familienmitglieder spürbar abweisend. Alex lässt ihr nur Minuten vor der Trauung sogar nochmals die Wahl, sie könne alles hinter sich lassen. Das Publikum spürt insofern früh, dass etwas mit dieser Familie nicht stimmt und kurz vor Mitternacht am Tag der Hochzeit, wird Grace in die geheimen Familientraditionen eingeführt. Demnach muss jede Person, die in die Familie kommt, ein Spiel spielen. Wie es der Zufall will, ist Grace auserwählt, „Verstecken“ zu spielen.

Das klingt im ersten Moment nicht sonderlich dramatisch oder spannend, bis man sieht, wie sich die Familienmitglieder bewaffnen, während Grace ein Versteck sucht. „Verstecken“ ist am Ende nicht vielmehr als eine Fuchsjagd, mit Grace als dem Fuchs. Und wie in Wirklichkeit, ist die Beute hier in mehrfacher Hinsicht im Nachteil, denn nicht nur, dass Grace die Regeln der Jagd nicht kennt, sie hat auch keine Möglichkeit, zu gewinnen. Wie es zu dieser Familientradition kommt, erklärt Ready or Not zwar, welchem Zweck dieses spezielle Spiel dienen soll, wird aber nicht wirklich deutlich. Manches davon mag man durch das übersinnliche Element, das hier mitschwingt, greifbar machen wollen, am Ende bleibt es aber dabei, dass die Filmemacher eine Geschichte erzählen, in der unermesslich reiche Menschen aus der Menschenjagd einen Sport machen. In der festen Überzeugung, dies wäre ihr Recht und Grace nicht mehr als eine Ziege, die sie zur Schlachtbank führen. Eine hörbare Andeutung dessen verbirgt sich sogar im Film für das aufmerksame Publikum.

Wie absurd die Story klingt, fällt sogar Alex auf, der Grace nach Beginn des Spiels warnt und darum bemüht ist, sie aus dem wie ein Festung abgeriegelten, riesigen Anwesen heraus zu bekommen. Der mit gerade einmal eineinhalb Stunden erfreulich kurzweilige Horrorfilm konzentriert sich entsprechend schnell darauf, Grace in einem Kampf um ihr Leben gegen die Familie Le Domas antreten zu lassen. Dass hier nicht alles ernst gemeint ist, sieht man an den vielen bitterbösen Momenten, wie wenn die ständig unter Drogeneinfluss stehende Emilie ein Hausmädchen nach dem anderen aus dem Verkehr zieht. Dabei geht Ready or Not allerdings nicht zimperlich mit dem Thema Gewalt um. Das gipfelt unter anderem in einer Szene, mit einem Nagel am Ende einer Leiter, die auch dank der Darbietung dem Publikum einen Schauer über den Rücken jagt. Das tatsächliche Finale steht dabei Stanley Kubricks Adaption von Shining [1980] in einer Schlüsselszene, wenn auch nicht in der schieren Menge an Filmblut, dann zumindest hinsichtlich der Ekelhaftigkeit der Umsetzung, in nichts nach.

Innerhalb der einzelnen Momente zeigt sich Ready or Not durchaus einfallsreich und letztendlich beweisen die Filmemacher Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett eine sichere Hand bei der Inszenierung. Nicht zuletzt das Anwesen der Le Domas selbst wird hier regelrecht als eigenständige Figur vorgestellt und in Szene gesetzt. Seine Aussagen bringt der Horror-Film dabei sehr plakativ zur Geltung. Vor allem dank Samara Weaving fesselt der Überlebenskampf der frisch gebackenen Braut von Anfang bis Schluss. Das eignet sich zwar nicht für ein junges Publikum, für ein älteres mit einem Faible für düsteren Humor und Thriller gleichermaßen, ist das aber eine sichere Empfehlung.


Fazit:
Wenn Grace von dem buchstäblichen teuflischen Initiationsritus erfährt und ihre Meinung dazu äußert, nimmt sie kein Blatt vor den Mund. Es ist eine Eigenschaft, die die Regiearbeit von Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett durchweg auszeichnet. Die Story selbst ist nur soweit ausgearbeitet, dass sie den Film an sich trägt, was auch daran deutlich wird, dass die Mythologie im Hintergrund kaum ausgebildet ist. Sie wird, wie alle Informationen zu den Figuren, in wenigen Sätzen unmittelbar dem Publikum präsentiert, anstatt sie über die Laufzeit hinweg zu vermitteln. All diese Elemente erfüllen am Ende eher das Mindestmaß, aber sie reichen aus, um einen Horror-Thriller packend zu erzählen, der eher schnörkellos als innovativ inszeniert ist. Der Humor ist stellenweise derart böse, dass er manchen zu stark über die Stränge schlagen wird, aber er hebt Ready or Not – Auf die Plätze, fertig, tot gleichermaßen vom Genredurchschnitt ab, wie die Besetzung um Samara Weaving. Ihre Darbietung fesselt durchweg und sorgt dafür, dass das Publikum bis zum letzten Moment investiert bleibt. Das ist auch und gerade bei merklich blutigen Horrorfilmen nicht immer der Fall.