Ein Gauner & Gentleman [2018]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 17. Mai 2020
Genre: Komödie / Krimi / Biografie

Originaltitel: The Old Man & the Gun
Laufzeit: 93 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: David Lowery
Musik: Daniel Hart
Besetzung: Robert Redford, Casey Affleck, Sissy Spacek, Danny Glover, Tom Waits, Tika Sumpter, Ari Elizabeth Johnson, Teagan Johnson, Gene Jones, John David Washington, Barlow Jacobs, Isiah Whitlock Jr.


Kurzinhalt:

1981, zwei Jahre, nachdem er aus dem San Quentin-Gefängnis ausgebrochen ist, ist der Räuber Forrest Tucker (Robert Redford) immer noch auf der Flucht – und weiter gut im Geschäft. Direkt nach einem Banküberfall und auf der Flucht vor der Polizei, bietet er der mit einer Autopanne liegen gebliebenen Jewel (Sissy Spacek) Hilfe an, so dass die Gesetzeshüter an ihm vorbeifahren können. Aus der Begegnung entwickelt sich langsam eine Beziehung, während Tucker zusammen mit Teddy (Danny Glover) und Waller (Tom Waits) bereits die nächsten Coups plant. Als Polizist John Hunt (Casey Affleck), ohne es zu ahnen, selbst einen solchen Überfall beobachtet, bei dem Tucker mit einem Lächeln auf den Lippen und einem charmanten Auftreten die Angestellten beinahe höflich um ihre Mitwirkung bittet, macht er es sich zur Aufgabe, Informationen der sogenannten „Altherren-Gang“ zusammenzutragen. Die sind offenbar bereits bedeutend länger aktiv, als man vermuten würde, ohne geschnappt worden zu sein. Doch irgendwann geht auch ihre Glückssträhne zu Ende …


Kritik:
Es gibt keinen Hollywoodschauspieler, den man so sehr mit der Rolle des charmanten Schlitzohrs verbindet, wie Robert Redford. Für einen Film über den tatsächlichen Kriminellen Forrest Tucker, der bis ins hohe Alter von 79 Jahren hinein insgesamt mehr als zwei Dutzend Mal im Gefängnis saß (und aus mehr als der Hälfte davon floh), scheint er die Idealbesetzung. Die Beteiligten sind es auch, die David Lowerys Ein Gauner & Gentleman sehenswert machen, der vermutlich einen der letzten Leinwandauftritte Redfords darstellt. So interessant die handwerkliche Umsetzung und so amüsant die Erzählung, sie wird am Ende den tatsächlichen Figuren dahinter ebenso wenig gerecht, wie der eigentlichen Geschichte.

Die setzt im Jahr 1981 an, wenige Jahre, nachdem Forrest Tucker zuletzt aus dem Gefängnis geflohen war und seither ein gesuchter Mann ist. Zusammen mit seinen Kumpanen Waller und Teddy raubt er Banken aus, stets höflich, um die Sicherheit der Personen, die ihm das Geld übergeben besorgt. So, dass die ihm gewissermaßen nicht böse sein können. Auf ihrem Weg durch die US-Bundesstaaten rauben die drei zahlreiche Banken aus, ohne dass jemand verletzt wird und meist mit kleinerer Beute, so dass die Bundesbehörden bislang kaum auf sie aufmerksam wurden. Bis Polizist John Hunt, ohne dass er es bemerkt, selbst Zeuge eines Raubes wird. Fortan verschreibt er sich der Aufgabe, Tucker und die „Altherren-Gang“ zu finden. Tucker selbst trifft bei der Flucht auf die Witwe Jewel und könnte, nach der langen Zeit, die er rastlos umhergereist war, beinahe sesshaft werden.

Das klingt durchaus vielversprechend und im Kern von Ein Gauner & Gentleman steckt sicher auch eine Biografie des wirklichen Gauners Forrest Tucker, der angeblich mehrere Bücher über sein Leben geschrieben hat. Einen Hinweis darauf, was er alles erlebt hat, gibt eine Montage am Ende von Lowerys Film, die ein wenig wie eine Zusammenfassung der Filmkarriere von Robert Redford erscheint. Doch ist das nur ein Teil von Tuckers Leben. Einen anderen stellt der Film in einem Gastauftritt vor, wenn Ermittler Hunt eine Tochter des Gangsters besucht, von deren Existenz dieser vermutlich nicht einmal weiß. Tucker war mehrmals verheiratet und hatte insgesamt zwei Kinder. Jewel gegenüber äußert er sich im Film erleichtert in dem Glauben, er hätte keine derartigen Verpflichtungen, doch eine wirkliche Charakterzeichnung gelingt dem Film nicht. So hält die Krimikomödie, die am Anfang herausstellt, dass sie „größtenteils wahr“ ist, zwar fest, dass Tucker wohl Banken überfallen hat, weil es ihm einfach Freude bereitet, selbst dann, wenn es finanziell nicht mehr erforderlich gewesen wäre. Wie er jedoch dazu kam, einen wirklichen Hintergrund der Figur, arbeitet der Film jedoch nicht heraus, sondern deutet sie mit Tuckers Tochter lediglich an.

Diese inhaltliche Verschiebung, weg von einer Biografie und hin zu einem unterhaltsamen Porträt, das weniger die wirkliche Figur zeigt, als vielmehr eines, das dem wahren Tucker vermutlich gefallen hätte, entstand nach Aussage des Filmemachers zusammen mit Redford selbst. Es mag erklären, weshalb die Rolle in gewisser Hinsicht weniger eine eigene Geschichte erzählt, als dem charismatischen Mimen eine Bühne zu bieten, den Typ Charakter ein letztes Mal darzustellen, den er wie kein anderer geprägt hat. Doch lässt der Film damit auch viel Potential ungenutzt, was sich unter anderem in den übrigen Figuren widerspiegelt. Beispielsweise in der von Sissy Spacek gespielten Jewel, die kaum etwas zu tun bekommt und deren Beziehung zu Tucker sich nicht wirklich zu entwickeln scheint. Einzig Casey Affleck ist als Polizist John Hunt stärker gefordert, wobei auch seine Figur nur eine Momentaufnahme darstellt, dessen anfängliche Zweifel, den Beruf weiter auszuüben, am Ende nirgendwo hinführen.

Dafür wartet Regisseur David Lowery mit einer gewohnt fantastischen Bilderauswahl auf, bei der bereits die Art der Aufnahme selbst bemerkenswert ist. Auf Super 16 mm-Film aufgenommen, widersetzt sich Lowery damit nicht nur dem Trend digitaler Aufnahmen. Mit der Farbgebung und dem sich aus dem Material ergebenden Filmkorn erzeugt er in den Bildern eine Atmosphäre, als wäre der Film selbst vor beinahe 40 Jahren entstanden. Unterstützt wird dies durch eine Schnitttechnik und Szenenkomposition mit längeren Einstellungen und natürlicher Ausleuchtung, die beinahe dokumentarisch erscheint. Die musikalische Untermalung von Daniel Hart, die ebenso ungezwungen klingt wie die Hauptfigur sich gibt, trägt zum authentischen Flair jener Zeit ungemein bei.
Es ist, als würde man in Ein Gauner & Gentleman Robert Redford zufällig in einer Hotelbar treffen. Man könnte seinen Abend zweifellos in schlechterer Gesellschaft verbringen.


Fazit:
Ein letztes Mal, so scheint es fast, lädt Robert Redford ein, ihm dabei zuzusehen, wie er einen Typus Gauner verkörpert, den er ebenso definiert hat, wie dieser seine Karriere prägte. Nie bösartig und stets charmant, aber mit einem Funkeln in den Augen, das verrät, dass er mehr im Schilde führt, als er zugibt. Mit seinem unvergleichlichen Charisma schlüpft er in die Rolle des wirklichen Kriminellen Forrest Tucker, dessen Biografie hier jedoch nur am Rande und auch nur unzureichend erzählt wird. Dafür erfährt das Publikum zu wenig über ihn und seinen Werdegang. Stattdessen ist dieses Porträt, so leichtfüßig und verschmitzt es mitunter sein mag, eher eines, wie er sich wohl selbst gesehen hat. Das ist für sich genommen kein Kritikpunkt, aber eine Herangehensweise, die trotz der tollen Besetzung, bis hin zu Danny Glover in einer Nebenrolle, die übrigen Figuren kaum beleuchtet. Ein Gauner & Gentleman ist ein handwerklich solide sowie erfrischend altmodisch umgesetzter und mit Feingefühl erzählter Film, der Fans des Hauptdarstellers genau das bietet, was sie erwarten: Eine letzte Zugabe, bei der das Publikum von Anfang bis Ende ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen behält. Als wirklicher Krimi ist dies weder gedacht, noch geeignet. Aber wie auch der Blick auf Robert Redfords Lebenswerk verrät, sind es am Ende nicht die Wege, die wir nicht gegangen sind, die uns definieren, sondern die, die wir eingeschlagen haben, die uns ans Ziel führen. Und als solches, ist David Lowerys Film für das richtige Publikum ebenso gelungene wie nostalgische Unterhaltung. Mehr kann man kaum verlangen.