Destroyer [2018]

Wertung: 4 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 26. Februar 2019
Genre: Drama / Krimi

Originaltitel: Destroyer
Laufzeit: 121 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2018
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Karyn Kusama
Musik: Theodore Shapiro
Darsteller: Nicole Kidman, Toby Kebbell, Tatiana Maslany, Sebastian Stan, Scoot McNairy, Bradley Whitford, Toby Huss, James Jordan, Beau Knapp, Jade Pettyjohn


Kurzinhalt:

Vor beinahe 20 Jahren war Polizistin Erin Bell (Nicole Kidman) zusammen mit dem FBI-Agenten Chris (Sebastian Stan) beauftragt worden, die Gruppe des radikalen Silas (Toby Kebbell) zu unterwandern. Die Konsequenzen jenes Einsatzes verfolgen sie noch immer. Während Erin nach einer unheilvollen Nachricht versucht, die Mitglieder von Silas‘ Gruppe aufzuspüren, um über sie an ihn heranzukommen, taucht sie immer tiefer in ihre eigene Erinnerung ein, als müsste sie sich alledem erneut stellen. Ihr Ansatzpunkt ist der zwielichtige Anwalt DiFranco (Bradley Whitford), über den Bell an Silas‘ damalige Freundin Petra (Tatiana Maslany) herankommen könnte. Aber nicht nur, dass die Personen nichts von ihrer damaligen Gefährlichkeit eingebüßt haben, ist Erin damals nicht vollständig an dem Erlebten zerbrochen, könnte es dieses Mal der Fall sein …


Kritik:
Im Zentrum des Crime-Dramas Destroyer stehen eine unbeschreibliche Darbietung, die unzweifelhaft den Höhepunkt von Nicole Kidmans Schauspielkarriere darstellt, sowie eine fantastische Bilderauswahl, die für sich allein genommen bereits preisverdächtig ist. Doch es gelingt Regisseurin Karyn Kusama nicht, beides innerhalb einer Geschichte zu erzählen, die dem auch angemessen wäre – oder wenigstens diese Geschichte so zu erzählen, dass vor allem die Optik über den Selbstzweck hinauswächst.

Auf dem Papier klingt die Story nach dem Stoff, mit dem Filmpreise gewonnen werden. Darin wird Detective Erin Bell als wandelndes Wrack vorgestellt. Sie torkelt zu einem Tatort, sieht so aus, als hätte sie in der Kleidung geschlafen, die sie am Leib trägt, und der Reaktion ihrer Kolleginnen und Kollegen zu urteilen, ist dies bei ihr keine Ausnahme, sondern eher der Regelfall. Das Opfer, das sie sieht, ruft eine Erinnerung bei ihr hervor und kurz darauf sieht man, wie sie auf dem Revier eine 100 $-Banknote per Post erhält, bei der eine Farbmarkierung darauf schließen lässt, sie stamme aus einem Banküberfall.

Damit beginnt der zweite Storyzweig in Destroyer, der 17 Jahre zuvor ansetzt und schildert, wie die junge Erin Bell damals mit einem FBI-Agenten undercover die radikale Gruppe um Silas unterwanderte. Silas stand im Verdacht, Banküberfälle zu verüben. Immer wieder springt die Filmemacherin zurück und zeigt Fetzen aus Erins Erinnerungen, die jedoch kaum geordnet und damit schwer zugänglich sind. Hinzu kommt, dass die Protagonistin, die körperlich am Rande des Verfalls steht, nach Erhalt des Geldscheins beginnt, mit den Mitgliedern jener Truppe um Silas Kontakt aufzunehmen, um ihn zu finden. Zudem kehrt eine Nebenhandlung um Erins Teenager-Tochter immer wieder. Die Tochter wohnt an sich bei Erins Ex-Mann Ethan, hat sich allerdings mit einem Kerl in den Mittzwanzigern eingelassen hat. Außer zu einem toll gespielten Dialog führt dies nirgendwo hin und lenkt vom eigentlichen Krimi gefühlt unnötig ab.

In der Rolle der Polizistin, deren Fehler der Vergangenheit psychische wie körperliche Spuren hinterlassen haben, ist Nicole Kidman kaum wieder zu erkennen. Sie mimt die Hauptfigur mit einer ungefilterten Vehemenz, dass es einem den Atem nimmt. Aber während man sich wünschen würde, sie bekäme eine Geschichte, die diesen Einsatz auch rechtfertigt, lebt Destroyer am Ende vor allem davon, dass das Drama möglichst wenig über seine Figuren verrät. Man bekommt zwar letztendlich den Grund für ihren Abstieg gezeigt, den Abstieg selbst jedoch nicht.
Der immer präsente Bösewicht Silas, dessen Clique Erin und Chris unterwandern, und der so viel Macht über seine Untergebenen ausübt, dass sie sich eine geladene Waffe an den Kopf halten und abdrücken, wird nicht einmal als Figur umrissen. Was macht sein vermeintliches Charisma aus? Weshalb folgen ihm andere nach? Darauf findet der Film nicht nur keine Antworten, das Drehbuch scheint an diesen Fragen gar nicht interessiert.

Stattdessen sollen die ständigen Rückblicke in unterschiedlichen Längen, mitunter nur Sekunden, dann wieder Minuten am Stück, eine Komplexität suggerieren, wo eigentlich keine ist. Ihretwegen weiß man nicht nur zu früh, wohin die Story in Erins Vergangenheit führt – ein Banküberfall, der außer Kontrolle geraten ist – sie entwickelt auf Grund der zerrissenen Erzählweise keine zusammenhängende Dramaturgie. Die unnötig verkomplizierte Chronologie ist am Ende merklich bemüht, ein frisches Element einer an sich allzu vorhersehbaren Story hinzuzufügen. Aber es täuscht nicht darüber hinweg, dass die Geschichte einfach ungünstig und ebenso klischeehaft strukturiert wird. Auch deshalb wird sie der Darbietung im Zentrum nicht gerecht.


Fazit:
Wenn die Hauptfigur sagt, sie sei kein guter Mensch, sollte das beim Publikum etwas auslösen. Doch das Crime-Drama ist zu sehr bemüht zu zeigen, wie eine korrumpierte Erin schreckliche Fehler beging und inzwischen unter den Auswirkungen leidet, anstatt die Person, die sie vorher war, überhaupt vorzustellen. So kennt das Publikum sie nur als gebrochene Figur. Schon deshalb verhallt bei dem vermeintlichen Twist am Ende, wie groß ihre Beteiligung an den Geschehnissen vor 17 Jahren war, der emotionale Paukenschlag, den Regisseurin Karyn Kusama erzeugen wollte, fast ungehört. Destroyer ist ein toll fotografierter Film und vor allem von Nicole Kidman unbeschreiblich intensiv gespielt. Auf diese Weise hat man die Darstellerin wahrlich noch nicht gesehen. Sie trägt das Drama mit einer Traurigkeit und einer Willensstärke zugleich. Aber unnötig kompliziert erzählt, verbringt der Film mehr Zeit damit, die Figuren in langen Einstellungen zu zeigen, anstatt sie zu beschreiben. Ihre Geschichte reißt deshalb auch kaum mit. Schade.