Shape of Water - Das Flüstern des Wassers [2017]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 9. Januar 2018
Genre: Fantasy / Liebesfilm

Originaltitel: The Shape of Water
Laufzeit: 123 min.
Produktionsland: USA / Kanada
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Guillermo del Toro
Musik: Alexandre Desplat
Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Octavia Spencer, Michael Stuhlbarg, Doug Jones, David Hewlett, Nick Searcy


Kurzinhalt:

Es das Jahr 1962. So viele Träume Elisa Esposito (Sally Hawkins) auch hat, sie ist ebenso in ihrer täglichen Routine gefangen. Nachts arbeitet sie als Reinigungskraft in einem geheimen Forschungslabor mit einer ihrer wenigen Freundinnen, Zelda (Octavia Spencer). Die fungiert gleichzeitig als Übersetzerin, da Elisa seit Kindertagen stumm ist. Eines nachts wird ein neues Forschungsobjekt angeliefert – in einem Wassertank. Während der brutale Strickland (Michael Shannon) dem fremdartigen Amphibienwesen (Doug Jones) mit Gewalt begegnet, entdeckt Elisa, dass es empfindungsfähig und intelligent ist. Einzig Dr. Hoffstetler (Michael Stuhlbarg) plädiert dafür, die Kreatur in Ruhe und langsam zu studieren, doch die Entscheidung, sie zu töten, ist bereits gefallen. So schmiedet Elisa mit ihrem Nachbarn Giles (Richard Jenkins) den Plan, dem Wesen zur Flucht zu verhelfen …


Kritik:
Guillermo del Toros Shape of Water - Das Flüstern des Wassers ist ein wunderschönes, in bester Manier klassisches Noir-Märchen, falls es letzteres überhaupt gibt. Der Filmemacher erzählt eine Fantasy-Geschichte, die durch eine fantastische Bildersprache besticht. Er ist in so vielerlei Hinsicht bemerkenswert, dass es umso tragischer ist, dass der Film einem großen Publikum wird vorenthalten bleiben, denn dafür ist er schlicht zu speziell. Hinzu kommt die Entscheidung des Filmemachers, das Finale unnötig brutal zu gestalten, was den Zuschauerkreis zusätzlich einengt.

Die FSK-Freigabe ist insofern durchaus berechtigt, was eingangs noch der Fall zu sein scheint, da die Tagesroutine von Hauptfigur Elisa recht explizit gezeigt wird. Sie arbeitet mit Zelda in einem Forschungskomplex in Baltimore als Reinigungskraft in der Nachtschicht. In ihrer Freizeit trifft sie sich mit ihrem Nachbarn, dem Werbezeichner Giles. Er und Zelda scheinen die einzigen Menschen, mit denen Elisa regelmäßig Kontakt hat. Sie selbst ist seit Kindertagen stumm und damit hauptsächlich als Zuhörerin an Gesprächen beteiligt. Aber wenn der Vorspann ein Anhaltspunkt sein darf, hat sie nichtsdestotrotz große Träume, die sie beschäftigen.
Es sind die frühen 1960er-Jahre, der Kalte Krieg ist auf einem Höhepunkt angekommen und mit einer neuen Kreatur, die Colonel Richard Strickland in einem südamerikanischen Fluss gefangen und in das geheime Labor hat bringen lassen, hofft das Militär, einen Vorteil im Wettrennen um die Vorherrschaft im Weltraum zu erlangen. Als Elisa das amphibische Wesen erblickt, erkennt sie darin viele Gemeinsamkeiten zu sich selbst. Sie freundet sich mit der Kreatur an und beschließt schließlich, sie zu befreien.

Betrachtet man die Struktur von Shape of Water, verbergen sich hier streng genommen mehrere Filme in einem. Filmemacher del Toro beleuchtet nach und nach die verschiedenen Figuren, angefangen von Elisa mit ihrem Tagesablauf und ihren Nachbarn Giles, der mit über 60 und auf Grund seiner sexuellen Orientierung ebenso isoliert ist wie sie auf Grund ihrer sprachlichen Einschränkung. Der personifizierte Bösewicht der Geschichte, Strickland, ist von Michael Shannon toll gespielt. Zwar besitzt er in der ersten Filmhälfte nicht viele Szenen, aber sie definieren seine Figur so gekonnt, dass seine zusätzlichen Momente im zweiten Teil ihn nurmehr abrunden. Die Rolle der Zelda erweckt Octavia Spencer wie gewohnt eindrucksvoll zum Leben und auch sie hat mehr zu tun, als man zunächst vermuten würde. Ebenso der das Wesen untersuchende Wissenschaftler Dr. Hoffstetler, dem ein ganzer Storyzweig gewidmet wird. Das Drehbuch gibt ihnen allen genügend Raum und verliert dennoch nie aus dem Blick, dass dies hauptsächlich die Liebesgeschichte zwischen Elisa und dem Amphibienwesen ist.

Dass diese gelingt, ist zwei Umständen zu verdanken. Da ist zum einen Sally Hawkins, die hier mit einer Furchtlosigkeit vor die Kamera tritt, dass es eine Freude ist, ihre Neugier angesichts des Wesens zu sehen. Ohne gesprochenen Dialog bringt sie eine Bandbreite an Emotionen zum Ausdruck, dass nie Zweifel bestehen, was in Elisa vorgeht. Es ist eine großartige Darbietung. Auf der anderen Seite ist die Kreatur selbst, deren Design als gelungene Hommage an Klassiker wie Der Schrecken vom Amazonas [1954] erinnert und gleichzeitig doch so fantasievoll, detailliert und eindrucksvoll ausfällt.
Selbiges trifft ebenso auf die makellose Ausstattung, die Sets, Farbgebung und Mode zu, die wenn nicht die Zeit, in der die Geschichte spielt, dann zumindest die Fantasy-Filme jener Zeit widerspiegelt, dass es einem den Atem raubt. Abgerundet wird dies durch eine nicht minder preiswürdige Musik von Alexandre Desplat, der Shape of Water mitunter ein europäisches Flair verleiht.

Sich in dieser durchaus düsteren, aber nichtsdestoweniger verzaubert erscheinenden Welt zu verlieren, ist angenehm leicht. So bleibt es auch, als sich die Geschichte von einem Thriller um die Befreiung des Wesens wieder zu einer Love-Story wandelt, was zugegebenermaßen das Tempo aus der Erzählung nimmt. Doch läutet der Regisseur das Finale ein, geht dies mit einer besonders brutalen Szene einher, die zwar zum Düsteren passt, aber länger dauert, als es für die Stimmung gut ist. Daher eignet sich Shape of Water nur für ein erwachsenes Publikum, das sich die Begeisterung für dunkle Märchen erhalten hat.


Fazit:
Die Botschaft um Toleranz und Verständnis für alles, was anders ist, in der Zeit des Kalten Krieges anzusiedeln, ist überaus passend und gilt doch für unsere heutige Zeit gleichermaßen. Mit einem feinen Gespür, in den richtigen Momenten die verschiedenen Figuren zu beleuchten, gelingt Regisseur Guillermo del Toro ein wahres Kunststück. Gleichzeitig überrascht das Skript durch spritzig ehrliche und humorvolle Dialoge. Die Präsentation ist eine Augenweide und trägt zur magischen wie geerdeten Fantasy-Atmosphäre ebenso bei wie die Musik. Shape of Water - Das Flüstern des Wassers ist die wohl ungewöhnlichste Liebesgeschichte, die man dieses Jahr in den Kinos sehen wird. Zu sagen, sie wäre sehenswert, ist an sich eine Untertreibung.