Die Verlegerin [2017]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 10. Januar 2018
Genre: Drama / Biografie

Originaltitel: The Post
Laufzeit: 116 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2017
FSK-Freigabe: ab 6 Jahren

Regie: Steven Spielberg
Musik: John Williams
Darsteller: Meryl Streep, Tom Hanks, Bob Odenkirk, Tracy Letts, Bradley Whitford, Bruce Greenwood, Matthew Rhys, Sarah Paulson, Alison Brie, Carrie Coon, Jesse Plemons, David Cross


Kurzinhalt:

Als der Mitarbeiter der amerikanischen Denkfabrik RAND, Dan Ellsberg (Matthew Rhys), von einem Trip an die Front des Vietnamkriegs zurückkehrt, kann er kaum glauben, dass Verteidigungsminister McNamara (Bruce Greenwood) gegenüber der Presse von großen Erfolgen spricht. Jahre später wird der New York Times Beweismaterial zugespielt, das belegt, wie früh die US-Regierungen von dem katastrophalen Kriegsverlauf wussten. Die Schlagzeile der Zeitung kommt einem Erdbeben gleich, woraufhin die die amtierende Regierung eine einstweilige Verfügung erwirkt, so dass keine weiteren Stories gedruckt werden. Als die Washington Post über Journalist Ben Bagdikian (Bob Odenkirk), der Kontakt zu Ellsberg hat, in den Besitz von kompromittierenden Unterlagen kommt, sieht es Chefredakteur Ben Bradlee (Tom Hanks) als Pflicht, die Story zu drucken, die darüber hinaus der schwächelnden Zeitung notwendigen Auftrieb verleihen könnte. Die letztendliche Entscheidung liegt bei Verlegerin Kay Graham (Meryl Streep), die nicht nur auf Grund eines geplanten Börsengangs der Post unter enormem Druck steht. Als einzige Frau an dieser Position weht ihr von Seiten der von Männern dominierten Vorstands- und Redaktionszimmern ein rauer Wind entgegen. Entschließt sie sich, die Story zu drucken, macht sie sich niemand geringeren als die amerikanische Regierung unter Präsident Nixon zum Feind …


Kritik:
Mit der Nacherzählung von wahren Begebenheiten im Frühsommer 1971 könnte Steven Spielbergs Die Verlegerin aktueller kaum sein. Er thematisiert, wie die US-Regierung versuchte, die Freiheit der Presse einzuschränken, weil diese geheime Dokumente einer systematischen Verschwörung von Seiten der Administration zur Täuschung der Öffentlichkeit veröffentlichte. Dies macht es umso erstaunlicher, dass der Filmemacher die Bedeutung seines Filmes nicht mehr unterstreicht. Für ein Projekt, das Spielberg so wichtig war, dass er alle Hebel in Bewegung setzte, um es in so kurzer Zeit zu verwirklichen, kommt der biografische Nachrichten-Krimi darüber hinaus ohne spürbare Momente aus, die der Regisseur in anderen Werken so unvergleichlich auf die Leinwand brachte.

Das Drehbuch aus der Feder von Liz Hannah und Josh Singer gibt sich Mühe und tut gut daran, die nunmehr beinahe ein halbes Jahrhundert zurückliegenden Ereignisse in den politischen Kontext der damaligen Zeit zu rücken. So sind sowohl der Prolog während des Vietnamkrieges Mitte der 1960er-Jahre als auch der kurze Moment am Schluss, der den Auftakt eines der verheerendsten Politskandale des vergangenen Jahrhunderts zeigt, wichtig, selbst wenn sie vom Rest der Erzählung losgelöst scheinen.
Was dazwischen geschieht, ist hinsichtlich der Zusammenhänge sowie der vielen verschiedenen, darin verwickelten Figuren überaus komplex, sodass Interessierte aufmerksam bleiben sollten, um sich nicht zu verlieren. Im Zentrum steht Kay Graham, die nach dem Tod ihres Mannes überraschend in die Position der Verlegerin der Washington Post – damals noch eine lokale Tageszeitung – aufgestiegen ist. Während Chefredakteur Ben Bradlee seit langem im Geschäft ist, muss sie sich in dieser verantwortungsvollen Rolle erst zurechtfinden bzw. sich entscheiden, ob sie sie überhaupt annehmen will. Der Börsengang der Zeitung steht kurz bevor, der Druck auf Kay ist entsprechend groß. Als die New York Times einen Bericht veröffentlicht, nach dem vier US-Regierungen, darunter die amtierende unter Präsident Richard Nixon, das amerikanische Volk hinsichtlich der Hintergründe und der Siegeschancen im Vietnamkrieg wissentlich belügen, erschüttert die Enthüllung die Vereinigten Staaten. Die Zeitung wird vom Generalstaatsanwalt gerichtlich an weiteren Veröffentlichungen der „Pentagon Papers“ gehindert und als diese der Washington Post in die Hände fallen, müssen Kay Graham und Ben Bradlee entscheiden, ob sie selbst unter dem Schutz der Pressefreiheit weitere Veröffentlichungen vornehmen, oder vor der Regierung kapitulieren.

Die Situation klingt nach einem politischen Pulverfass und bedenkt man, in welch kurzer Zeit die Entscheidungen getroffen wurden, dann versteht man auch, was für die Beteiligten auf dem Spiel stand. Das erste Drittel von Die Verlegerin zeigt dabei den internen Machtkampf zwischen Chefredakteur Ben und Verlegerin Kay. Der Druck, der auf ihr lastet, als erste Frau in einer solchen Position, die nach Aussagen im Film erst mit 45 Jahren überhaupt und ohne ihr eigenes Zutun an diese Stelle katapultiert wurde, ist Meryl Streep in jedem Moment anzusehen. Es ist ein fantastisches Porträt der Figur ihrerseits, die eine inspirierende Wandlung durchmacht. Kay muss sich entscheiden, ob sie ein Leben weiterführen will, bei dem sie vorrangig (Groß-) Mutter ist und Dinnerpartys gibt, oder eine Zeitung verlegen will, mit allen Rechten und Pflichten, die damit einhergehen. In der Rolle des Chefredakteurs verkörpert Tom Hanks gewohnt gelungen den selbstsicheren Gegenpol zu Kay. Dass er in seinen gemeinsamen Szenen mit Streep anfangs noch dominiert, während er im letzten Drittel darin spürbar in den Hintergrund tritt, spiegelt das Kräfteverhältnis toll wider. Sind ihre Momente meist von Konfrontationen miteinander geprägt, bilden sie eine gemeinsame Front gegen den Vorstand der Zeitung, als die Veröffentlichung mit der Gefahr, ins Visier der US-Administration zu geraten, immer näher rückt.

Die Verlegerin versucht, viele Themen in den Mittelpunkt zu rücken. Das Dialogdrama ist einerseits eine Charakterstudie um Kay Graham, gleichzeitig aber auch ein Politkrimi mit aktuelleren Bezügen als Vielen im ersten Moment bewusst ist. Als entscheidender Journalist im Rahmen der Veröffentlichung spielt Bob Odenkirk Ben Bagdikian nicht nur preiswürdig, er bietet wie die merklich flottere zweite Filmhälfte Einblick in die alltägliche Arbeit von investigativen Reportern. Das ist ebenso interessant wie zu sehen, auf welche Weise eine solche Zeitung zusammengestellt, gedruckt und verteilt wird. Doch für eine Biografie beleuchtet Regisseur Steven Spielberg zu wenig, was im Nachgang geschehen ist und welche Auswirkungen die Ereignisse hatten. Mag sein, dass das Ende dieses andeuten soll, doch es wirkt mehr wie eine Überleitung bzw. Vorbereitung für eine Aufarbeitung der Watergate-Affäre. Für einen reinen Aufhänger ist die Geschichte aber zu wichtig und verdient einen Platz auf der Titelseite.


Fazit:
Die Begründung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, die einstweilige Verfügung gegen die Zeitungen zu kippen, sollte wachrütteln, besagt sie doch, dass die freie Presse für die Regierten und nicht für die Regierenden da sei. Es ist eine Botschaft, die heute vielleicht wichtiger ist als je zuvor. Dass Filmemacher Steven Spielberg diese Aussage nachliefert, ohne überhaupt nur einen Moment der Anhörung vor dem Gericht zu zeigen, verdeutlicht, dass sein Drama mit scharfen und treffenden Dialogen sowie den engmaschig zusammenhängenden Hintergründen, eben eines nicht durchweg ist – ein Politkrimi auf der Bühne einer Nachrichtenredaktion. Neben einigen Momenten in der ersten, gewinnt die Erzählung schließlich in der zweiten Filmhälfte an Fahrt. Die gelungene und spärliche Musik ist dafür passend, die tollen Darbietungen über jeden Zweifel erhaben, ebenso wie die tadellose Ausstattung. Die Verlegerin ist ein sehr guter und wichtiger Film, der aber nie so packend wird oder seine Relevanz in dem Maße in den Mittelpunkt rückt, wie er sollte. So sehenswert das für ein anspruchsvolles und aufmerksames Publikum ist, bleibt das Drama doch hinter den Möglichkeiten – und den Erwartungen in Anbetracht der beteiligten Personen vor wie hinter der Kamera – zurück.