Der Moment der Wahrheit [2015]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 25. September 2017
Genre: Drama

Originaltitel: Truth
Laufzeit: 125 min.
Produktionsland: Australien / USA
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: James Vanderbilt
Musik: Brian Tyler
Darsteller: Cate Blanchett, Robert Redford, Topher Grace, Dennis Quaid, Elisabeth Moss, Bruce Greenwood, Stacy Keach, John Benjamin Hickey, David Lyons, Dermot Mulroney, Rachael Blake


Kurzinhalt:

Als die Produzentin der Fernsehnachrichtensendung 60 Minutes II, Mary Mapes (Cate Blanchett), im Frühjahr 2004 ihre Vorgesetzten mit einem Story-Vorschlag konfrontiert, ahnen alle Beteiligten, dass dies gefährliches Terrain ist. Wenige Monate, ehe sich der Präsident der Vereinigten Staaten zur Wiederwahl stellt, wollen sie über Fehlzeiten während seiner Laufbahn beim Militär sowie eine besondere Behandlung, die er genossen haben soll, berichten. Hierfür recherchieren Mapes und ihr Team um Roger Charles (Dennis Quaid), Lucy Scott (Elisabeth Moss) und Mike Smith (Topher Grace) Belege, die Aussagen der Militärakte des US-Präsidenten beweisen können. Auch der Nachrichtensprecher Dan Rather (Robert Redford), der den Beitrag präsentieren wird und seit Jahren mit Mapes zusammenarbeitet, ist sich der Brisanz bewusst. Doch kurz nachdem der Beitrag gesendet wird, werden Zweifel an zwei darin gezeigten Dokumenten laut, die sich mit einfachen Mitteln nachstellen lassen sollen. Anstatt eine öffentliche Debatte anzuregen, geraten Mapes und ihr Team ins Kreuzfeuer der Medien …


Kritik:
So bedenklich es um den investigativen Journalismus zu stehen scheint, so bemerkenswert war der Herbst / Winter 2015, wenn es um Filme zu eben diesem Thema geht. Während das preisgekrönte Drama Spotlight [2015] auf Grund der erschütternden Thematik im – kein Wortwitz beabsichtigt – Rampenlicht stand, geriet Regisseur James Vanderbilts ebenso stark gespieltes Der Moment der Wahrheit zu Unrecht ins Hintertreffen. Dabei ist die Botschaft für unsere so von den Medien geprägte Welt, wichtiger denn je.

Basierend auf wahren Begebenheiten, thematisiert Vanderbilt, wie sich ein Beitrag der Produzentin der Fernsehnachrichtensendung 60 Minutes II [1999-2005] über den amtierenden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, George W. Bush, zu einem Boomerang für sie, die Sendung und den Sender selbst entwickelt. Der Grund sind Zweifel an der Echtheit der im Beitrag genannten Dokumente. Man muss hierfür wissen, dass der Beitrag wenige Monate vor der Wiederwahl des US-Präsidenten gesendet wurde und davon handelte, dass dieser während seiner Zeit beim Militär eine Vorzugsbehandlung genoss, auf Grund derer er nicht in den Vietnam-Krieg entsandt worden war. In einer Situation, in der die zur Wahl stehenden Kandidaten beinahe gleich auf sind (und in Anbetracht der Tatsache, dass der Präsident seine ursprüngliche Wahl mit einer hauchdünnen Mehrheit von weniger als 600 Stimmen gewonnen hatte), könnte eine solche Nachricht die Gunst der Wählerinnen und Wähler beeinflussen. Zumal der Gegenkandidat auf Grund seiner eigenen Vergangenheit im Militär von Medienberichten unter Druck gesetzt wurde.
Es ist eine explosive Situation, die Mapes zusammen mit ihrem Team um Mike Smith, dem ehemaligen Colonel Roger Charles und Lucy Scott dadurch zu entschärfen versucht, dass ihre Story wasserdicht sein muss, ehe sie auf Sendung gehen. Das ist auch Vorgabe von Dan Rather, der als Frontmann den Beitrag präsentieren wird.

Geschichten um Journalisten, die einen großen Coup aufdecken, tendieren häufig dazu, die Arbeit der Reporter zu dramatisieren, die dann nachts in Lagerhäuser einbrechen, Verfolgungsjagden auf sich nehmen oder von verstellten Stimmen am Telefon bedroht werden. Der Moment der Wahrheit porträtiert die Arbeit der beteiligten Reporter vermutlich auf die realistischste Art und Weise mit geduldigen Recherchen beim Sichten von Akten, stundenlangen Telefonanrufen und Klingelputzen bei Quellen oder solchen Menschen, die es werden sollen.

Das mag nicht so dramatisch klingen wie bei vielen Thrillern aus dem Genre der Nachrichten-Filme, doch es vermittelt einen faszinierenden Einblick in die Geduld und das Durchhaltevermögen dieser Menschen. Die Dramatik baut Filmemacher James Vanderbilt dann auf, wenn unmittelbar nach der Veröffentlichung des nach bestem Wissen und Gewissen recherchierten Beitrags Blogger im Internet Zweifel an den darin präsentierten Dokumenten wecken. In den folgenden Wochen und Monaten steht das Team um Mary Mapes und den Sender deshalb unter heftigem medialem Beschuss und nach und nach versiegen ihre Quellen oder erzählen ihnen andere Geschichten, wie sie zu den besagten Akten gelangt sind. Dem Zuzusehen ist aus dem einfachen Grund zermürbend, da selbst ihre Versuche, die öffentliche Debatte auf das Wesentliche zurück zu lenken, im Keim erstickt werden.
Dass die Dokumente selbst keine tragenden Stücke in ihrem Beitrag waren, sondern lediglich dazu dienten, zu anderen Zeugenaussagen und Beweisen überzuleiten, scheint für die öffentliche Meinung keine Rolle mehr zu spielen.

Oder um es mit heutiger Terminologie zu sagen: Einmal als "Fake News" bezeichnet, selbst wenn lediglich Zweifel an der Bestandskraft zweier Dokumente erhoben (nicht einmal bewiesen) wurden, gerät die eigentliche Story unter die Räder der öffentlichen Meinungsmache. Wie sehr Mapes, Rather und das übrige Team unter der öffentlichen Hetzjagd leiden, bringt der fantastische Cast in starken Momenten packend zum Ausdruck. Als erfahrener Mentor nimmt Robert Redford mit seinem unnachahmlichen Charisma lediglich eine unterstützende Rolle ein. Im Zentrum steht die von Cate Blanchett mit einer unter dem Druck dahinschwindende Stärke großartig gespielte Mary Mapes, ergänzt von Dennis Quaid, der jeden Film bereichert, Topher Grace mit einer beeindruckenden Szene und der leider wenig eingebundenen Elisabeth Moss. Bruce Greenwood und Stacy Keach stehen dem in nichts nach und runden eine Besetzung ab, die passender nicht sein könnte.

So gelungen das ist, tut sich Der Moment der Wahrheit schwer damit zu entscheiden, worauf das Hauptaugenmerk des Films liegen soll. Die privaten Momente um Mary Mapes' Figur beleuchten zwar die Ursprünge ihrer Überzeugung und ihres Verhaltens, um sie wirklich verstehen zu können, erfährt man allerdings zu wenig über sie. Ihre Kolleginnen und Kollegen kommen darüber hinaus kaum zum Zug. Obwohl es das schwieriger macht nachzuvollziehen, was für sie persönlich auf dem Spiel steht, schmälert es die Aussage des Films in keiner Weise.


Fazit:
Die Darstellung des investigativen Journalismus ist hier vermutlich näher an der Realität, als es oftmals in Hollywood-Filmen zu sehen ist. Gerade in einer Zeit, in der eine Behauptung – je lauter sie ausgerufen wird und selbst wenn sie nur in 140 Zeichen passt – die Wahrheit in den Hintergrund rücken lassen kann, ist James Vanderbilts Porträt jener Ereignisse ein treffendes Mahnmal, das nicht nur auf Grund seiner Besetzung fesselt. Ruhig erzählt, erschließen sich die komplexen Zusammenhänge für ein aufmerksames Publikum und rekonstruieren sowohl die Vergangenheit des ehemaligen US-Präsidenten als auch die Erstellung des Fernseh-Berichts zu ihm. Das um seine Integrität kämpfende Journalisten-Team ist nicht nur von tollen Darstellern auf eine menschliche und nahbare Weise zum Leben erweckt, Cate Blanchetts Darbietung ist preiswürdig und sehenswert. Der Moment der Wahrheit ist kein lautes Drama, auch wenn seine Botschaft so wichtig ist, dass sie an sich überall gehört werden sollte. Doch es ist ein starker und sehenswerter Film.