Snowden [2016]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 14. Juli 2017
Genre: Thriller / Biografie

Originaltitel: Snowden
Laufzeit: 134 min.
Produktionsland: Frankreich / Deutschland / USA
Produktionsjahr: 2016
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Oliver Stone
Musik: Craig Armstrong
Darsteller: Joseph Gordon-Levitt, Shailene Woodley, Melissa Leo, Zachary Quinto, Rhys Ifans, Nicolas Cage, Tom Wilkinson, Joely Richardson, Timothy Olyphant


Kurzinhalt:

Im Jahr 2013 arrangiert Edward Snowden (Joseph Gordon-Levitt) ein Treffen mit der Dokumentarfilmerin Laura Poitras (Melissa Leo) und dem Journalisten Glenn Greenwald (Zachary Quinto) in Hong Kong. Er liefert ihnen Beweise, dass die NSA einen weltweiten Überwachungsapparat installiert hat, mit dem sich nicht nur Einblick in sämtliche elektronische Kommunikation nehmen lässt, sondern auch die Kameras und Mikrophone der elektronischen Geräte aktivieren lassen. Im Zuge seiner Enthüllungen gewährt er Einblick in seine Laufbahn bei der CIA und NSA und schildert, dass die Überwachung sogar bis in sein Privatleben mit Freundin Lindsay Mills (Shailene Woodley) vorgedrungen war ...


Kritik:
Es scheint in gewisser Hinsicht vergebens, in einer Zeit, in der die Menschen freiwillig ihr soziales Privatleben für jedermann (und jedefrau) zum Mitlesen ins Internet stellen, tagein wie tagaus Bilder aus ihrem Alltag teilen und sich Lautsprecher ins Wohnzimmer holen, die 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche mithören, über den Schutz der Privatsphäre zu sprechen. Oliver Stones Biografie Snowden um den Whistleblower Edward Joseph Snowden, dessen Enthüllungen vor gerade einmal vier Jahren die NSA-Affäre auslösten, wirkt daher wie der Versuch, das Publikum für etwas zu sensibilisieren, das den wenigsten offensichtlich wichtig ist. Handwerklich tadellos umgesetzt, fehlt dem Film vor allem eine gewisse Balance.

Der Name "Edward Snowden" dürfte den allermeisten, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Films alt genug waren, ihn im Kino zu sehen, etwas sagen. Als die Meldung Schlagzeilen machte, die amerikanische NSA würde sämtliche Telefongespräche, E-Mails, SMS und Internet-Bewegungen der gesamten Weltbevölkerung überwachen, bedeutete das traurige Gewissheit einer Vermutung, die nicht nur Verschwörungstheoretiker seit langem hegten. Die Informationen lieferte ein Insider, der jahrelang zuerst für die CIA und später für die NSA gearbeitet hatte, sowohl unmittelbar, als auch als Vertragsunternehmer. Was Edward Snowden dazu bewog, Staatsgeheimnisse zu verraten, hat er seither mehrmals selbst dargelegt, insofern kommen die Erklärungen, die Filmemacher Stone in Snowden präsentiert, nicht überraschend.

Snowdens Treffen mit den Journalisten der britischen Tageszeitung The Guardian sowie der Dokumentarfilmerin Laura Poitras dient als Rahmenhandlung für einen Blick auf den Werdegang des Protagonisten, der, um seinem Land nach einem gesundheitsbedingten Ausscheiden aus der Armee weiter dienen zu können, zur CIA geht. Dort arbeitet er als Computerspezialist und bekommt erste Einblicke in zahlreiche Projekte des Geheimdienstes. Der Regisseur springt dabei zu Schlüsselmomenten in Edward Snowdens Karriere, die sein weiteres Vorankommen prägen sollten und stellt demgegenüber seine Beziehung zu Lindsay Mills, die er in einem Online-Chat kennengelernt hatte. Dabei schweigt sich Snowden sowohl über den familiären Hintergrund der Titel gebenden Figur aus als auch über den Werdegang von dessen Freundin. Abgesehen von der Tatsache, dass sie gern fotografiert und in einem Moment eine Poledancing-Lehrstunde gibt, erfährt man über sie nichts – außer, dass sie Edward folgt, wo immer ihn sein Arbeitgeber hinführt.

Der erweiterte Einblick Snowdens in die Abhörpraktiken der NSA, die nicht nur im Ausland alle elektronische Verbindungen überwachen, sondern auch in der Lage sind, die Webcam eines jeden Laptops oder das Mikrophon eines jeden Handys zu aktivieren, um Einblick in die intimsten Situationen der Menschen zu erhalten, ist irgendwann zu viel für ihn. Er entschließt sich, die Öffentlichkeit über diese flächendeckenden Abhörmethoden aufzuklären, die letztlich weniger der Terrorismusbekämpfung dienen, als vielmehr, den USA einen strategischen, wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen.
All das ist ansprechend fotografiert und glücklicherweise bedeutend ruhiger eingefangen als Regisseur Oliver Stone dies noch vor 20 Jahren tat. Nur reißt es äußerst selten tatsächlich mit. Die Erkenntnisse, die Snowden hier gewinnt, sind für das Publikum allesamt weit bekannt, die Tragweite ebenso. Da man gleichzeitig über ihn spürbar wenig erfährt, besitzt das Opfer, das er bereit ist zu erbringen, um die Weltbevölkerung aufzuklären, nicht ansatzweise so viel Gewicht, wie es sollte.

Dass Edward Snowden seither einerseits als Wegbereiter für ein Bewusstsein der generalstabsmäßigen Überwachung als Held gefeiert wird, er für den Friedensnobelpreis nominiert war, während ihn insbesondere Regierungsvertreter in den USA als Landesverräter ansehen, ist hinlänglich bekannt. Letzteres kommt in Snowden jedoch kaum zum Vorschein. Er selbst spricht dies nur kurz an und auch im Epilog umschifft Oliver Stone den Aspekt gekonnt. Dass der Film Edward Snowden als Helden feiert, ist unverkennbar und sei ihm unbenommen. Dass die Darsteller allesamt ausgesprochen engagiert sind, ist ebenso unverkennbar. Nur beraubt dieser einseitige Blick den Film als Biografie seiner Objektivität.


Fazit:
Ohne jeglichen Zynismus, es wundert einen doch sehr, wie ein hochintelligenter Softwareprogrammierer wie Edward Snowden zuerst schockiert darüber sein kann, wie umfassend die Zugriffsmöglichkeiten der NSA bis in die intimsten Bereiche der Bürger dieses Planeten sind, und sich Jahre später dann wundert, dass sie noch umfassender geworden sind. Weswegen er nicht nach seinen ersten Entdeckungen bereits die Öffentlichkeit aufgesucht hat, ist auch am Ende von Snowden nicht wirklich deutlich. Auch die Tatsache, dass die Weltbevölkerung heute mehr als je zuvor auf Soziale Medien und Vernetzung in allen Lebenssituationen setzt, übergeht Regisseur Oliver Stone. Edward Snowdens Meinung hierzu wäre dabei überaus interessant und ließe sein Opfer auch in einem anderen Licht erscheinen. Als dramatisierte Nacherzählung der Ereignisse packt der Film nicht so oft, wie man es sich wünschen würde. Das liegt vor allem daran, dass man über die Figuren zu wenig erfährt, auch wenn Snowdens Beziehung viel Platz einnimmt. Die Momente, in denen aufgezeigt wird, wie weitgehend die Überwachungsmöglichkeiten sind, sind in der Tat schockierend. Nur wären sie in einer Dokumentation, die alle Seiten der Thematik (und der Person) beleuchtet, ebenso gut aufgehoben.