The Revenant - Der Rückkehrer [2015]

Wertung: 5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 3. Oktober 2016
Genre: Drama

Originaltitel: The Revenant
Laufzeit: 156 min.
Produktionsland: USA / Hong Kong / Taiwan
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Alejandro G. Iñárritu
Musik: Carsten Nicolai, Ryuichi Sakamoto
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Tom Hardy, Domhnall Gleeson, Will Poulter, Forrest Goodluck, Paul Anderson, Kristoffer Joner, Joshua Burge, Duane Howard, Melaw Nakehk'o, Fabrice Adde, Arthur RedCloud


Kurzinhalt:

Das Jahr 1823. Als er die Trapper, die im Mittleren Westen Felle gesammelt und einen Indianer-Angriff überlebt haben, zurück ins Fort bringen will, wird der Fährtenleser Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) von einem Bären angefallen und schwerst verletzt. Ihn durch die unwirtliche Landschaft zurückzutragen, ist keine Option und so bietet Captain Henry (Domhnall Gleeson) jedem, der bis Glass' letztem Atemzug bei ihm bleibt, eine Belohnung an. John Fitzgerald (Tom Hardy) meldet sich hierfür ebenso freiwillig wie Glass' Sohn Hawk (Forrest Goodluck) und der junge Bridger (Will Poulter). Als Fitzgerald Hawk nach einer Auseinandersetzung tötet und Glass sterbend zurücklässt, findet dieser in seinem unbändigen Verlangen nach Rache die Kraft, sich ins Leben zurück zu kämpfen und Fitzgerald zu jagen ...


Kritik:
Alejandro G. Iñárritus The Revenant - Der Rückkehrer ist ein visuelles Meisterwerk mit zwei derart grausamen Momenten, dass selbst hartgesottenen Zusehern ein Schauer über den Rücken läuft. Doch so sehr der Filmemacher Wert darauf legt, sein eindringliches Racheepos mit hohem künstlerischen Anspruch umzusetzen und so kräftezehrend die Darbietungen, so sehr erweckt der Film den Eindruck, als verdanke er seinen Rhythmus eben der Tatsache, dass hiermit möglichst viele Preise gewonnen werden sollen und nicht, weil sich die Geschichte so am besten erzählen lässt.

Diese erzählt von Hugh Glass, der im Jahr 1823 eine Expedition amerikanischer Siedler begleitet, die auf der Jagd nach Fellen im unwirtlichen mittleren Westen der Vereinigten Staaten unterwegs sind. Glass ist ihr Fährtenleser und wird von seinem Sohn begleitet, dessen Mutter eine Pawnee-Indianerin war. Nach einem verheerenden Angriff durch eine Bärin wird Glass von John Fitzgerald sterbend in der Wildnis zurückgelassen. Diese Attacke ist eine der beiden Szenen, in denen man als Zuschauer unweigerlich zusammenzuckt. Iñárritus Darstellung des entsetzlichen Angriffs ist so brutal und ungeschönt, dass man sich fragen muss, wie dies ab 16 Jahren freigegeben werden kann.

Für Leonardo DiCaprio ist die Rolle eine Tour de Force, für die er vollkommen zurecht den Oscar als bester Darsteller erhielt. Sein Kampf ums Überleben ist nicht nur packend, man sieht Hugh Glass die Überwindung, die es ihn kostet, sich zurück ins Leben zu kämpfen in jedem Moment ebenso an, wie dass es einzig der Gedanke an Rache ist, der ihn am Leben hält.
Fitzgerald wird dabei von einem genauso rauen Tom Hardy verkörpert, der seine Figur ebenso definiert. Es ist bedauerlich, dass die beiden Ausnahmeschauspieler nicht mehr Zeit gemeinsam vor der Kamera verbringen. Und auch, dass The Revenant - Der Rückkehrer sowohl hinsichtlich der Figuren, wie auch der Geschichte selbst an Tiefe vermissen lässt.

Dass der Film auf einen Zweikampf zwischen beiden Männern hinauslaufen wird, dürfte jedem klar sein. Sieht man jedoch, dass Glass Fitzgerald nicht allein nachgeht, weiß man ebenfalls, dass bis zur Konfrontation noch etwas mit der anderen Figur geschehen wird. Von einer Nebenhandlung um die entführte Tochter eines Arikaree-Indianer-Häuptlings ganz abgesehen, die wie viele von Glass' Fiebervisionen den Film zwar länger machen, aber nicht wirklich neue Aspekte beisteuern. So ist The Revenant - Der Rückkehrer zwar atemberaubend eingefangen und mit einer Intensität verkörpert, dass die Erbarmungslosigkeit jener Zeit nur noch greifbarer wird, aber am Ende eine halbe Stunde länger, als die absehbare und nicht wirklich tiefgehende Geschichte hätte sein müssen.

Die Landschaft, die hier Hugh Glass' Weg ebenso definiert wie die verschiedenen Menschen, denen er begegnet, besitzt eine beinahe schon meditative Schönheit. Auch die Musik steuert zu der getragenen Atmosphäre unschätzbar bei. Wie bereits bei Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit) [2014] besticht Regisseur Alejandro G. Iñárritu mit einer beispiellosen Optik und einer perfekten technischen Präsentation. Was er seiner Besetzung abverlangt ist kaum vorstellbar und für ein Publikum mit starken Nerven mehr als nur sehenswert. Nur inhaltlich betritt The Revenant - Der Rückkehrer altbekannte Pfade und findet trotz der mehr als zweieinhalb Stunden Laufzeit nie einen Weg an der von vornherein vorhersehbaren Auflösung vorbei.


Fazit:
Die zunehmend schneebedecktere, harte Landschaft ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Atmosphäre, die umso mehr unterstreicht, dass der oft sentimental verklärte Wilde Westen mit der Wirklichkeit einer Gesellschaft, in der nur die Stärksten überlebten, nichts gemein hatte. Sieht man beim intensiv dargebrachten und mit einer elektrisierenden Brutalität eingefangenen Showdown die Männer in dieser in jeder Hinsicht kalten Umgebung gegeneinander kämpfen, während die Sonne im Hintergrund das Tal zu erleuchten beginnt, dann besitzt die Bildersprache eine Poesie, die oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen ist. The Revenant - Der Rückkehrer ist fantastisch fotografiert und allen voran von Leonardo DiCaprio, der sich durch die karge Wildnis quält, grandios gespielt. Tom Hardy und Domhnall Gleeson stehen ihm in nichts nach und entschädigen dafür, dass trotz der opulenten Inszenierung die Geschichte selbst und die Figuren leider zu flach ausfallen.