San Andreas [2015]

Wertung: 3 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 18. Oktober 2015
Genre: Action / Drama / Thriller

Originaltitel: San Andreas
Laufzeit: 114 min.
Produktionsland: USA / Australien / Kanada
Produktionsjahr: 2015
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Brad Peyton
Musik: Andrew Lockington
Darsteller: Dwayne Johnson, Carla Gugino, Alexandra Daddario, Ioan Gruffudd, Archie Panjabi, Paul Giamatti, Hugo Johnstone-Burt, Art Parkinson, Will Yun Lee, Kylie Minogue, Alec Utgoff, Marissa Neitling


Kurzinhalt:

Nachdem ein verheerendes Erdbeben die Westküste der USA verwüstet hat, macht sich Rettungsflieger Ray (Dwayne Johnson) zusammen mit seiner zukünftigen Ex-Frau Emma (Carla Gugino) auf, seine Tochter Blake (Alexandra Daddario) in San Francisco zu retten. Sie war dort mit Emmas neuem Freund Daniel Riddick (Ioan Gruffudd), einem erfolgreichen Architekten. Laut dem Wissenschaftler Dr. Lawrence Hayes (Paul Giamatti) steht der Region das größte Beben noch bevor. Es wird eines sein, dessen Ausmaße noch gar nicht abzuschätzen sind ...


Kritik:
San Andreas ist ein trauriges Beispiel einer faulen Art des Filmemachens, das einen dazu bringen könnte, in Zukunft die Big-Budget-Hollywood-Produktionen ganz zu überspringen. Diese Projekte verschlingen Unsummen von über 100 Millionen Dollar und benötigen Jahre der Planung – nur das Drehbuch scheint innerhalb von wenigen Minuten an einem Ort entstanden zu sein, an den man den Autor nicht begleiten möchte. Dass der charismatische Dwayne "The Rock" Johnson sich erneut für einen mittelmäßigen Actionstreifen hergeben muss, ist nur eine der großen Enttäuschungen des Films.

Dabei ist es im ersten Moment gar keine dumme Idee, die großen Katastrophenfilme der 1970er-Jahre im Kino wiederzubeleben. Klassiker wie Die Höllenfahrt der Poseidon [1972] und Erdbeben [1974] haben ein Genre geprägt, in dem die größten Befürchtungen der Zuschauer Realität werden und die dennoch immer nach demselben Schema ablaufen. Es werden zu Beginn etwa ein Dutzend Figuren an unterschiedlichen Positionen vorgestellt und in aller Regel gibt es jemanden, der vor einem sich abzeichnenden Unglück warnt, jedoch ignoriert wird. Dann geschieht das Unfassbare und während die vorgestellten Charaktere ums Überleben kämpfen, werden es manche schaffen, andere nicht und diejenigen, die sich auf Kosten anderer aus der Situation retten wollen, werden dafür in aller Regel kurz vor Ende noch bezahlen.

Was immer man sich für ein Klischee auch vorstellen mag, San Andreas wird es bedienen mit der Ausnahme, dass es weniger als 10 Figuren gibt, deren Namen man überhaupt erfährt. So kommt es, dass wenn Trümmerteile herabfallen und die Erde aufbricht, die Hauptcharaktere durch das digital verwackelte Bild rennen, während um sie herum namenlose Statisten, deren Gesicht man nicht lange genug zu sehen bekommt, um sie je wiederzuerkennen, von computergenerierten Gegenständen getroffen werden. Im Zentrum steht der von Dwayne Johnson gespielte Rettungsflieger Ray, der nach einem verheerenden Beben am Hoover-Staudamm zur Unterstützung in die Region gerufen wird. Währenddessen trifft sich seine Frau Emma, die sich von ihm getrennt und die Scheidung beantragt hat, in Los Angeles mit der Schwester ihres neuen Freundes, dem erfolgreichen Architekten Daniel. Rays und Emmas gemeinsame Tochter Blake ist unterdessen mit Daniel in San Francisco. Ray ist noch in der Luft, als Los Angeles von einem weitaus stärkeren Beben in Schutt und Asche gelegt wird, das sich auch nach San Francisco ausbreitet.

Was folgt ist dem ABC eines jeden Katastrophenfilms zu entnehmen: Alles bricht zusammen, die Hauptfiguren geraten in Lebensgefahr und Ray macht sich auf, seine Tochter in San Francisco zu retten. Wohin sein Team verschwunden ist, das man zu Beginn des Films zu sehen bekommt, verstehe wer will und wird ein "Bösewicht" etabliert, der andere im Stich lässt, um sich selbst zu retten, dann ist auch absehbar, wie all das ausgehen wird.
An dieser Stelle eine Bitte an alle Filmemacher dort draußen: Wenn Figuren in solchen Geschichten dem Tod durch Ertrinken nahe kommen, dann ist es in jedem Fall eine bessere Idee, sie entweder ertrinken, oder knapp dem Tod entrinnen zu lassen. Die allerschlechteste Idee ist es, sie wiederzubeleben und hierbei – dem Klischee sei Dank – kurz aufzugeben, ehe die Reanimierung fortgesetzt wird. San Andreas lässt keine Gelegenheit aus, alle bekannten Stationen abzuklappern, die diese Geschichten immer besuchen. Wer angesichts der getrennten Familie zu Beginn noch nicht ahnt, wie es enden wird, dem kann man in der Tat nicht helfen. Selbst vor 40 Jahren haben Filmemacher hier mehr Mut bewiesen und auch tragende Figuren den größten Preis zahlen lassen.

Dass für das Drehbuch Carlton Cuse verantwortlich ist, einer der kreativen Köpfe hinter den Fernsehserien Bates Motel [seit 2013] und Lost [2004-2010], ist umso unverständlicher. Ebenso, weshalb San Andreas nicht einmal sonderlich gut gemacht ist. Kamera und Schnitt sind dabei unauffällig, aber ebenso einfallslos. Anders sieht es mit den meist offensichtlichen Spezialeffekten aus. Auch wenn es Aufnahmen gibt, die überaus gelungen sind und die Unterstützung durch den Computer nicht erkennen lassen, die allermeisten Tricks sind selbst für ungeübte Augen zu sehen. Das beginnt mit einem allzu offensichtlichen und schnellen Autoüberschlag zu Beginn und zieht sich bis hin zum aus Einsen und Nullen bestehenden Sonnenuntergang am Ende. Es sind so viele Punkte, die einen hier aus der Geschichte reißen, dass der Unterhaltungswert, den der Film an sich liefert, spürbar leidet.


Fazit:
Digitales Wackeln der Kamera, digitaler Rauch und Gebäude, Fahrzeuge, Trümmer und was man sich nur vorstellen mag, die alle offensichtlich aus dem Computer stammen. Selbst Roland Emmerichs The Day After Tomorrow [2004] konnte hier in jeder Hinsicht mehr überzeugen und gewinnt trotz der absurden Story im Vergleich zu San Andreas in jeder Disziplin. Regisseur Brad Peyton präsentiert einen Katastrophenfilm, der weder handwerklich so gut ist wie diejenigen Filme aus den 1970er-Jahren, denen er nacheifert, noch deren emotionales Gewicht besitzt.
Dwayne Johnson und Paul Giamatti versuchen, das Beste daraus zu machen und dankenswerterweise ist Alexandra Daddarios Figur nicht so unselbständig angelegt, wie man befürchten würde. Dafür haben weder Carla Gugino, noch Ioan Gruffudd etwas zu tun. Sie hetzen durch eine Geschichte, die selbst auf dem Papier kaum zu erkennen ist. Es ist, als hätte sich das Studio gesagt: "Bei einem Erdbeben in 3D, wen interessieren da überzeugende Spezialeffekte oder eine gute Story?" Genau diese Einstellung solle man als Zuschauer mit Nichtachtung strafen.