Ruhet in Frieden - A Walk Among the Tombstones [2014]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 15. März 2015
Genre: Krimi / Thriller / Drama

Originaltitel: A Walk Among the Tombstones
Laufzeit: 114 min.
Produktionsland: USA
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Scott Frank
Musik: Carlos Rafael Rivera
Darsteller: Liam Neeson, Boyd Holbrook, Dan Stevens, Astro, David Harbour, Adam David Thompson, Laura Birn, Razane Jammal, Ólafur Darri Ólafsson, Liana De Laurent, Sebastian Roché, Danielle Rose Russell


Kurzinhalt:

Privatdetektiv Matt Scudder (Liam Neeson) wird von Kenny Kristo (Dan Stevens) beauftragt, die Entführer und Mörder seiner Frau zu finden. Bei seinen Recherchen wird Scudder von dem obdachlosen Jungen TJ (Astro) unterstützt und stößt auf einen weiteren grausamen Mord. Wie Kenny hatte der Partner des anderen Opfers sein Vermögen mit Drogen verdient. In dem Friedhofswärter Loogan (Ólafur Darri Ólafsson) vermutet Matt zumindest einen Mitwisser, wenn nicht gar einen Komplizen. Dabei haben die berechnenden Täter ihr nächstes Opfer schon im Visier – Matt läuft die Zeit davon ...


Kritik:
Auf den ersten Blick ist es, als würde Liam Neeson hier dieselbe Figur spielen, auf die er in den letzten Jahren abonniert ist: Ein Ermittler mit einer düsteren Vergangenheit, der den Schurken die Stirn bietet. Doch Ruhet in Frieden - A Walk Among the Tombstones ist kein Actionthriller und Neesons Privatdetektiv Matt Scudder kein alternder Superheld. Autor und Regisseur Scott Frank gelingt ein düsterer Crime-Thriller, der in verstörende Abgründe blickt. Was er sieht, lässt sich kaum in Worte fassen.

Basierend auf dem zehnten Roman um Hauptcharakter Scudder von Autor Lawrence Block, der im Deutschen den Titel Endstation Friedhof [1992] trägt (woher der Verleih den Filmtitel gezaubert hat, verstehe wer will), siedelt Filmemacher Frank seine Geschichte im Jahr 1999 an. Er erzählt, wie der ehemalige Polizist Scudder, der in der Eröffnungsszene acht Jahre zuvor zwei Gangster erschießt und einen verletzt, von Peter, den er bei den anonymen Alkoholikern kennengelernt hat, angesprochen wird. Sein Bruder Kenny benötigt die Hilfe eines Privatdetektivs. Kennys Frau wurde entführt und auf bestialische Weise ermordet, obwohl Kenny das Lösegeld bezahlt hat. Scudder soll ihm helfen, die Mörder zu finden. Bei den Nachforschungen stößt Matt darauf, dass Kennys Frau nicht die erste war, mindestens ein weiteres Opfer gibt es bislang.

Was bereits in den ersten Minuten an Ruhet in Frieden - A Walk Among the Tombstones auffällt ist, wie fantastisch Scott Frank seinen Film in Szene setzt. Die ruhige Bildkomposition ist überlegt und beinhaltet mehr Symbolik, als man im ersten Moment vermuten würde. Bewusst setzt er Tiefenschärfe ein, um nur Personen und Objekte in einer bestimmten Entfernung deutlich zu zeigen und sieht man, wie subtil er weite Teile des Bildes mitunter unscharf zeichnet, um den Blick auf bestimmte Bereiche zu lenken, verstärkt es noch diesen Eindruck.
Da es heute mit modernster Kameratechnik möglich ist, beinahe alle Bereiche eines Bildes gleichermaßen hell und scharf abzubilden, ist es, als wollte Frank absichtlich den Stil der Noir-Thriller jener Zeit aufleben lassen, in der sein Film spielt. Auf beunruhigende Weise spielt er mit den Perspektiven, was bereits während des verstörenden Vorspanns deutlich wird, der ganz anders aufgelöst wird, als man erwarten würde.

Während viele Krimis und Thriller erst sehr spät erkennen lassen, wer der oder die Täter sind, verschiebt Ruhet in Frieden das Geschehen stellenweise ganz auf sie. Weiß man, was sie getan haben und wie ihre Pläne aussehen, erzeugen diese Momente ein hilflos beklemmendes Gefühl. Das erreicht in jener Szene einen traurigen Höhepunkt, in der die Tochter des russischen Drogendealers Yuri mit einem roten Mantel bekleidet den Lieferwagen der Mörder passiert.
Wer allerdings erwartet, dass Matt Scudder und seine Auftraggeber mit rauchenden Colts voran stürmen, um die angekündigten Verbrechen zu verhindern, der irrt. A Walk Among the Tombstones ist mehr Drama als Thriller. Statt durch Verfolgungsjagden und Schießereien finden die Ermittlungen hier dadurch statt, dass Scudder Hinweisen folgt, Zeugen befragt und schließlich das Puzzle Stück für Stück zusammensetzt.

So gelungen all das auch ist, der Film ist etwas zu lang, um wirklich zu packen und insbesondere das Finale, in dem eine Figur die Etage wechselt, damit sich eine andere auf unerklärliche Art und Weise aus Handschellen befreien kann, lässt Wünsche offen. Auch wenn der Filmemacher glücklicherweise nicht den Fehler begeht, dass die Killer mit ihren letzten Worten ihre Grausamkeiten noch erklären wollen, die Situation macht einen gestellten Eindruck. Das heißt nicht, dass das noch brutalere Finale des Romans besser gewesen wäre, nur dieses ist nicht der bestmögliche Abschluss für einen Thriller, der bis dahin so gut überzeugt.


Fazit:
Nicht erst Sieben [1995] hat deutlich gemacht, dass das größte Grauen in der Vorstellung der Zuschauer zum Leben erweckt wird. Aber auch wenn die Gräueltaten, die den ausschließlich weiblichen Opfern hier angetan werden, nur angedeutet sind, sie gehen nicht nur in einer Szene weiter als für den Film notwendig. Scott Frank zeigt dies zum Glück nicht, doch das Wissen allein reicht bereits aus.
Ruhet in Frieden - A Walk Among the Tombstones ist ein handwerklich beeindruckend umgesetztes und ausnahmslos grandios gefilmtes Crime-Thriller-Drama, das sich nicht nur auf Grund der ruhigen Erzählung an ein erwachsenes Publikum richtet. Einzig das Finale enttäuscht etwas. Ein Wiedersehen mit Matt Scudder würde ich dennoch begrüßen. Zum einen, da Liam Neeson der Figur Ecken und Kanten verleiht, vor allem aber ist er weit von dem immer überlegenen Superhelden entfernt, den er zuletzt so oft verkörperte.