I Declare War [2012]

Wertung: 4.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 21. Januar 2014
Genre: Drama / Thriller / Unterhaltung

Originaltitel: I Declare War
Laufzeit: 94 min.
Produktionsland: Kanada
Produktionsjahr: 2011
FSK-Freigabe: ab 16 Jahren

Regie: Jason Lapeyre, Robert Wilson
Musik: Eric Cadesky, Nick Dyer
Darsteller: Siam Yu, Gage Munroe, Michael Friend, Aidan Gouveia, Mackenzie Munro, Alex Cardillo, Dyson Fyke, Spencer Howes, Andy Reid, Kolton Stewart, Richard Nguyen, Eric Hanson, Alex Wall


Kurzinhalt:
Zwei Teams, ein paar einfache Regeln – und nur einer kann gewinnen. Was der zwölfjährige P.K. (Gage Munroe) zusammen mit seinen Freunden Paul (Siam Yu), Joker (Spencer Howes) und Caleb (Kolton Stewart) spielt, könnte einfacher nicht sein. Der stille Wesley (Andy Reid) ist neu im Team und hofft, in seinen Kameraden Freunde zu finden. Es geht darum, die Flagge des gegnerischen Teams um Anführer Quinn (Aidan Gouveia) zu stehlen. Hierfür werden die Stöcke und Wasserballons, mit denen sie sich bekämpfen in ihrer Vorstellung zu wirklichen Waffen.
Als Skinner (Michael Friend) sich gegen Quinn stellt und Paul als Geisel nimmt, beginnt das Spiel zu eskalieren. Es ist, als hätte er eine Rechnung mit P.K. zu begleichen. Für Skinners Helfer Frost (Alex Cardillo) und Trevor (Dyson Fyke) wird die Situation komplizierter, als mit Jessica (Mackenzie Munro) das erste weibliche Team-Mitglied hinzukommt. Damit nicht genug, scheint Skinners Taktik, P.K. mit dem Kidnapping zu überrumpeln, nicht aufzugehen. Für einen Sieg ist dieser vielmehr auch bereit, Paul zu "opfern". Skinner andererseits lässt indes seine Wut an dem gefesselten Gefangenen aus ...


Kritik:
Autor und Co-Regisseur Jason Lapeyre erzählt in I Declare War von einem heißen Sommernachmittag, an dem eine Gruppe Kinder das tut, was man selbst in dem Alter hoffentlich ebenfalls tun durfte – sie spielen. Vermutlich haben die meisten heute erwachsenen damals sogar ähnliche Spiele gespielt. Je stärker die Grenze zwischen Spiel und Wirklichkeit für P.K., seine Freunde und seine "Feinde" verschwimmt, umso mehr gewinnt der Film an Zugkraft. Vor allem, da der Ausgang der Schlacht völlig offen ist.

Selbst wenn I Declare War vom Konzept her eine eher unscheinbare Independent-Produktion ist, es ist erstaunlich, wie es den Machern gelingt, den Handlungen der jungen Protagonisten unterschiedliche Bedeutungen zuzuschreiben, beziehungsweise durch bestimmte Feinheiten das Bewusstsein der Figuren zum Ausdruck zu bringen.
P.K. und seine Freunde spielen im Wald "Capture the Flag", bei der zwei rivalisierende Gruppen jeweils eine Basis aufbauen und um zu gewinnen die Flagge des gegnerischen Teams stehlen müssen. Dass sie in ihrem Spiel schwer bewaffnet sind, wirkt im ersten Moment befremdlich, transportiert genau genommen allerdings nur das Konzept mancher Videospiele in die Wirklichkeit der Kinder. P.K. ist mit einer Handfeuerwaffe unterwegs, Frost und Sikorski mit Maschinenpistolen, Scharfschützengewehren und sogar einer Bazooka. Tatsächlich tragen sie nur mit Papieraufsätzen versehene Stöcke oder Spielzeug, doch für sie sind die Waffen real. Wer getroffen ist, muss am Boden liegend bis zehn zählen. Wenn derjenigen in diesem Zeitraum (oder überhaupt) von einer Granate getroffen wird – ein mit farbiger Flüssigkeit gefüllter Ballon –, ist für ihn das Spiel vorbei. Wer die zehn Sekunden überlebt, darf weiterspielen, ein Respawn lässt grüßen.

P.K. ist der unumstößliche Held auf dem imaginären Schlachtfeld. Er studiert in seiner Freizeit alle möglichen Feldherren, sieht sich mit seinem besten Freund Paul Kwon am liebsten Kriegsfilme an, um Taktik zu studieren und ist darum umso erfreuter, als er in Quinn endlich einen gegnerischen General trifft, der eine ähnliche Herangehensweise besitzt und eine wirkliche Herausforderung darstellt. Doch unvermittelt sieht sich P.K. Skinner gegenüber, der mit ihm eine Rechnung offen hat. Er kidnappt Kwon – ein derartiges Verhalten ist in den goldenen Spielregeln nicht vorgesehen, aber auch nicht ausgeschlossen – und schreckt auch nicht davor zurück, seinen Altersgenossen zu foltern.
Lapeyre deutet zwar an, dass hinter dem Verhalten mehr stecken muss, als man eingangs ahnt, bis zur Auflösung haben die Kinder jedoch einiges zu überstehen, allen voran Kwon, der gar nicht weiß, wie ihm in der Gefangenschaft geschieht.

Die Stimmung von I Declare War erinnert an William Goldings Herr der Fliegen [1954] und zeigt sehr junge Figuren in Situationen, die man eigentlich bei Erwachsenen vermuten würde. Doch sieht man genauer hin, entdeckt man zahlreiche Parallelen, welche die Filmemacher speziell für die heutige Jugend sehen. Nicht nur, dass man an P.K. und seinen Kameraden ablesen kann, was der nächste Schritt nach der gerade bei Kindern und Jugendlichen beliebten virtuellen Kriegsführung an Videokonsolen und PCs sein kann (nämlich imaginäre Kampfhandlungen), die unterschiedlichen Team-Mitglieder stellen jeweils bestimmte Charaktereigenschaften dar. Sei es Joker, für den ohnehin alles ein Spiel ist, oder Wesley, dem es generell schwer fällt, sich in der Fantasiewelt zu verlieren. Es gibt die nervöse Quasselstrippe, den von Ehrgeiz zerfressenen und in der einzigen weiblichen Figur Jessica diejenige, die die Schwächen ihrer Opfer ideal zu erkennen und zu nutzen versteht. Auch ein Charakter, der aus Freundschaft beinahe alles auf sich nimmt und ein anderer, der solche Angst hat zu versagen, dass er bereit ist, alles zu tun.

Diese Erkenntnisse mögen nicht neu sein, doch führt Lapeyre gelungen und teilweise sogar versteckt vor, was in dieser Generation Kind vorgehen mag, der alle Möglichkeiten der Freizeitgestaltung offen stehen, die aber gleichzeitig vom ersten Moment an auf Erfolg getrimmt wird und sogar durch Soziale Netzwerke dazu verdammt scheint, immer jedermanns Freund sein zu wollen, wenn man dazugehören möchte. Die vielen Interpretationsmöglichkeiten machen die einfache Story überaus interessant, zumal die Figuren trotz allem Kinder bleiben.

Dass das Gezeigte fesselt liegt an der nicht aufdringlich temporeichen Umsetzung, der ein erstklassiger Ton zugute kommt, durch den man sich an der Seite von P.K. und seinen Mitstreitern in jenem Wald fühlt. Die Blu-ray, veröffentlicht von "OFDb-Filmworks", liefert die erstklassige Klangkulisse im kristallklaren DTS-HD Master Audio 5.1. Die Bildqualität ist bestechend und bringt auch die unterschiedlichen Farb- und Schärfefilter zur Geltung, mit deren Hilfe die Wahrnehmung der Figuren unterstrichen wird. Das Bonus-Material umfasst neben einem Making-of und Trailern auch Interviews, darunter welche mit den jungen Synchronsprechern der deutschen Sprachfassung. Die Audiokommentare sind bedauerlicherweise nicht untertitelt.


Fazit:
I Declare War hätte sich in viele Richtungen entwickeln können – und sieht man sich die FSK-Freigabe an, vermutet man den Film gewalttätiger, als er ist. Dabei mag die Altersfreigabe allein auf Grund der Thematik gerechtfertigt sein. An ein jüngeres Publikum richtet sich der Film schon deswegen nicht, weil es die kritischen Untertöne vermutlich nicht würde einordnen können. Die Aussagen, die Jason Lapeyre trifft, werfen ein unangenehmes Bild auf unsere Gesellschaft. Eine Kindheit sollte sich dadurch auszeichnen, dass sie unbeschwert ist, doch kombiniert man Action-Freizeit-Gestaltung mit unangebrachtem Erfolgszwang, verkommt der Spaß schnell zu Ernst.
Die Abgebrühtheit in den Augen der Kinderdarsteller besitzt gleichzeitig etwas Faszinierendes und etwas Befremdliches. Sie alle machen ihre Sache gut, ebenso wie die Beteiligten hinter der Kamera, die glücklicherweise nie zu weit gehen und die imaginäre Kriegsführung erschreckend glaubhaft zum Leben erwecken. Dabei scheinen manche Szenen zwar nicht zielführend, sieht man aber, wie in den Augen der Kinder ihre Welt zum Leben erwacht, weiß man nicht, ob man sie darum beneiden soll, oder Angst um sie haben. Überwiegend packend umgesetzt und vielschichtig erzählt, ist I Declare War eine wirkliche Independent-Überraschung.

Blu-ray-Wertung:
4.5 von 6 Punkten