Gravity [2013]

Wertung: 5.5 von 6 Punkten  |   Kritik von Jens Adrian  |   Hinzugefügt am 06. Oktober 2013
Genre: Drama / Science Fiction

Originaltitel: Gravity
Laufzeit: 90 min.
Produktionsland: USA / Großbritannien
Produktionsjahr: 2013
FSK-Freigabe: ab 12 Jahren

Regie: Alfonso Cuarón
Musik: Steven Price
Darsteller: Sandra Bullock, George Clooney, Ed Harris (Stimme), Orto Ignatiussen (Stimme), Paul Sharma (Stimme), Amy Warren (Stimme), Basher Savage (Stimme)


Kurzinhalt:
Für die Medizinerin Dr. Ryan Stone (Sandra Bullock) ist es der erste Ausflug im All. Sie ist mit der Besatzung des Shuttles Explorer im Orbit, um ein neues Modul am Weltraumteleskop Hubble zu installieren. An ihrer Seite ist unter anderem der erfahrene Astronaut Matt Kowalski (George Clooney). Kurz vor Abschluss ihrer Arbeit beim Außeneinsatz erhält die Explorer Nachricht von Mission Control in Houston (Ed Harris), dass bei einem russischen Test ein Satellit zerstört wurde. Die entstehenden Trümmer haben in einer Kettenreaktion weitere Satelliten zerstört.
Das daraus entstandene Trümmerfeld rast mit mehr als 35.000 Kilometer pro Stunde um die Erde in einer Umlaufbahn, welche die Explorer kreuzt. Noch bevor Stone und Kowalski im Shuttle sind, wird dieses getroffen. Ihnen bleibt nur die Flucht zur Internationalen Raumstation ISS, bevor ihr Sauerstoff zur Neige geht – oder die Trümmer sie erneut einholen ...


Kritik:
Kann man von Science Fiction sprechen, wenn die gezeigte Technik so ohnehin existiert? Die Situationen, denen sich die Astronauten in Alfonso Cuaróns Weltraumdrama Gravity gegenüber sehen, sind ebenso real wie die Gefahren, mit denen sie hier konfrontiert werden. Dass es bislang zu keinem Zwischenfall wie hier beschrieben gekommen ist, heißt nicht, dass er nicht Realität werden könnte.

Die Ausgangslage ist dabei ebenso beunruhigend wie erbarmungslos: Bei einem Außeneinsatz der Crew des Shuttles Explorer arbeiten die Astronauten Matt Kowalski, Ryan Stone und Shariff am Hubble Teleskop. Für Ryan ist es der erste Einsatz im All, der erfahrene Kowalski wird sich nach seinem letzten Spaziergang zur Ruhe setzen. Doch noch bevor die Arbeiten abgeschlossen werden können, erhält die Explorer Nachricht von der Bodenzentrale in Houston. Demnach hat sich ein aus Satellitenteilen bestehendes Trümmerfeld gebildet, das um die Erde rast – mit der Explorer genau in dessen Flugbahn.
Weit ab von einer heroischen Rettungsmission schildert der Filmemacher Ryans und Matts verzweifelte Versuche, zur Erde zurück zu kommen. Zwar haben sie den ersten Trümmerschauer überlebt, doch ist der Shuttle zerstört. Die einzigen Alternativen sind die beiden Raumstationen, die sich in der Umlaufbahn der Erde befinden, wenn sie nicht bereits selbst getroffen wurden oder die Crews sämtliche Rettungskapseln gebraucht haben.

Bereits die erste Einstellung in Gravity vermittelt einen Eindruck der malerischen Stille und des betörenden Anblicks, der sich den Astronauten offenbart. Es sind Bilder, die atemberaubender kaum sein könnten. Dass sich der Filmemacher mit seiner Vision durchsetzen konnte und keine Geräusche im Weltall präsentiert ist überraschend (und nach den lauten Klängen zu Anfang umso spürbarer). Aber treffen die ersten Satellitenteile den Shuttle, wandelt sich die beruhigende Stille in eine beängstigende Atmosphäre, bei der man um einen wichtigen Sinn beraubt, nur noch hilfloser erscheint. Welche Alternative haben die Astronauten? Das Weltall ist die lebensfeindlichste Umgebung, die man sich vorstellen kann mit einer Temperaturspanne von über 200 Grad Celsius, ohne Luft zum Atmen und den unbarmherzigen Gesetzen der Physik, die sich nicht umgehen lassen. Einmal in Bewegung gesetzt, driftet Stone vom Shuttle weg. Lässt später bei Kowalski der Treibstoff im Jet-Pack nach, hat er keine Möglichkeit mehr, seine Beschleunigung zu verringern. Selbst, wenn die rettende ISS zu sehen ist, wie legt man Kilometer zurück, wenn man sich ohne zusätzliche Hilfsmittel überhaupt nicht bewegen kann?

In kaum einen Film zuvor, in dem Menschen irgendwo im Weltall gestrandet sind, wurde ihre Hilf- und Ausweglosigkeit so deutlich wie hier. Cuarón, der mit seinem Sohn Jonás zusammen das Drehbuch schrieb, macht dem Publikum keine Hoffnung, dass die beiden Hauptcharaktere von außen gerettet werden können. Und nicht zuletzt ihr rapide zur Neige gehender Sauerstoff macht ihr eigenes Überleben von Minute zu Minute unwahrscheinlicher. Vom heranrasenden Trümmerfeld ganz abgesehen, das sie alle 80 Minuten erreicht. All das macht Gravity zu einem der mitreißendsten Kinofilme der letzten Zeit und es gibt kaum jemanden, mit dem man so mitfiebert, wie mit Ryan Stone, die bei ihrem ersten Weltraumeinsatz in eine Situation gerät, die jeden Menschen verzweifeln ließe. Ihre Bedrohung wird durch die atmosphärische, beunruhigende Musik von Steven Price nur noch spürbarer.

Die betont langen Einstellungen mit wenigen Schnitten und auch die scheinbar nahtlose Fahrt in Stones Helm hinein verdeutlichen die Einsamkeit ihrer Situation. Wird es je einen Film geben, der in der Erdumlaufbahn gedreht wird, kann er kaum echter aussehen, als die Bilder, welche die Filmemacher hier auf die Leinwand bringen. Vom Weltraumspaziergang zu Beginn, bis hin zu dem Trümmerregen oder der Internationalen Raumstation – es sind Eindrücke, bei denen der Atem stockt.

Dass der Film im 'modischen' 3D präsentiert wird, überrascht nicht. Man muss ihm allerdings zugute halten, dass die Perspektiven und die Plastizität der Objekte in der Schwerelosigkeit sinnvoll eingesetzt werden. Ob der Aufpreis wirklich notwendig ist, sei dahingestellt. Aber insbesondere die auf den Zuschauer zurasenden Trümmer sehen in 3D noch gefährlicher aus. Es kommt dem Anblick eines wirklichen Weltraumausflugs näher, als es die allermeisten Zuschauer in Wirklichkeit wohl je sein werden.


Fazit:
Mit eineinhalb Stunden ist Gravity ausgesprochen kurz, aber anstatt die Geschichte unnötig in die Länge zu ziehen, konzentriert sich Alfonso Cuarón auf eine dichte Erzählung, die in den ersten Minuten fasziniert, sobald die Gefahr spürbar wird aber bis zum Ende packt. Insbesondere von Sandra Bullock außergewöhnlich und eindringlich gespielt, reißt das Schicksal der Astronauten mit, bis der Abspann zu rollen beginnt.
Die Bilder, die bis dahin zu sehen sind, könnten malerischer, beunruhigender und atemberaubender kaum sein. Der fehlende Ton im Vakuum unterstreicht nur, wie sehr man auf alle Sinnesorgane angewiesen ist – und dass diejenigen, die im Alltag darauf verzichten müssen, wahre Überlebenskünstler sind.
Hervorragend und großartig umgesetzt, nutzt Gravity von allen Filmen, die dieses Jahr bislang im Kino zu sehen waren, die große Leinwand am eindrucksvollsten.